Griechenland – Reformieren oder untergehen?

Vor einigen Tagen schrieb Francesco Saraceno einen interessanten Blog-Beitrag über seine Schwierigkeiten, das lästige tägliche Auf und Ab der Verhandlungen zwischen Griechenland und der Troika (aka den Institutionen) zu verfolgen.

Athens Streit-Street

Dabei fiel ihm vor allem auf, wie nahe sich die beiden Seiten in Bezug auf die umstrittenste Frage, nämlich die nach dem Primärüberschuss, eigentlich sind. Griechenland gab schon dem Verlangen der Gläubiger nach einem 1% igen Überschuss im Jahr 2015 weitestgehend nach, und beim Ziel für 2016 existiert noch ein Unterschied von etwa 0,5% (rund 900 Millionen Euro).

Zieht man aber nun in Betracht, wie oft die meisten Länder, nicht nur Griechenland, ihre Ziele in der Vergangenheit nicht vollkommen präzise erreicht haben, so sollte diese geringe Differenz eigentlich kein unüberbrückbares Hindernis darstellen.

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Nachtrag zum Lautenbach-Plan: das Versagen von SPD und Konservativen ebnete Hitler den Weg

Als die Nationalsozialisten am 30. Januar 1933 mit der Ernennung Adolf Hitlers zum Reichskanzler die Macht im Deutschen Reich ergriffen, befand sich die deutsche Wirtschaft als Folge der Weltwirtschaftskrise noch in einem komatösen „Tiefschlaf“.

Bundesarchiv Bild 102-02985A, Berlin, Fackelzug zur Machtergreifung Hitlers
Berlin, Fackelzug der SA zur Machtergreifung Hitlers
am Abend des 30. Januar 1933

Die Industrieproduktion betrug nur noch etwa die Hälfte des Vorkrisenstandes von 1928 und neue Investitionen konnten nur noch zu einem Drittel den Ersatzbedarf decken. Die Zahl der Erwerbslosen wuchs erneut, vergleichbar mit dem vorangegangenen Winter, auf über sechs Millionen, jede dritte Arbeitskraft war ohne Beschäftigung.

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Mindestlöhne in den europäischen Krisenländern: Griechenland ist anders (aber nicht so wie erwartet)

Veränderung der nominalen Mindestlöhne (in Prozent) der Austeritäts-Staaten 2008 bis 2015

Veränderung der nominalen Mindestlöhne (in Prozent) der Austeritäts-Staaten 2008 bis 2015

Im Januar 2015 führte Deutschland endlich einen allgemein gültigen Mindestlohn von 1.473,- Euro ein, etwa auf dem Niveau des irischen Mindestlohns und etwas höher als das des französischen. Das Gehaltsminimum in Griechenland beträgt 684,- Euro, und ist damit erheblich höher als die 390,- Euro in Estland, aber deutlich unter der 757,- Euro-Grenze in Spanien (Eurostat-Daten hier).

Die Eurostat-Statistiker weisen darauf hin, dass Griechenland das einzige Land war, das seinen Mindestlohn zwischen 2008 und 2015 (-19%) verringert hat. Es ist interessant, Griechenland mit den anderen Ländern unter der Austeritätsfuchtel zu vergleichen, die ja angeblich ein so leuchtendes Beispiel für Griechenland sein sollen.

Eine Senkung der Mindestlöhne ist dabei eindeutig kein Patentrezept, wenn es um das Beschäftigungs- wachstum geht.

(eigene Übersetzung eines Beitrages des Real-World Economics Review Blog)

Michal Kalecki und das „Vertrauen der Wirtschaft“

Zeiten der wirtschaftlichen Krisen sind auch immer Zeiten der Demaskierung ökonomischer Mythen. Heute wissen wir beispielsweise, dass geldpolitische Expansion nicht zu Hyperinflation führt und scharfe Ausgabeneinschnitte auch keine neuen Arbeitsplätze schaffen.

Michal Kalecki

Doch noch immer geistert der Mythos des „Vertrauens“ durch die wirtschaftspolitischen Debatten der Gegenwart. Wie oft wird vor dem Nachlassen der „Reformen“ gewarnt, da sonst angeblich das „Vertrauen der Wirtschaft“ sinken würde und ökonomische Unsicherheit gar schreckliche Folgen für das Gedeihen der Volkswirtschaften mit sich ziehen werde.

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Die aktuellen Leistungsbilanzsalden in Europa

Nicht alle Länder dieser Welt können gleichzeitig Leistungsbilanzüberschüsse haben.

Der de-facto-Abwärtsdruck der Euro-Staaten auf die Löhne sowie die Austeritäts-Sparpolitik, einschließlich der jüngsten Schritte zur Senkung des Wechselkurses, scheinen jedoch auf eine Situation hinauszulaufen, in der (fast) alle einzelnen Länder der Eurozone einen Überschuss ihrer Leistungsbilanz (siehe Grafik) aufweisen.

Derzeitige Leistungsbilanzsalden der Eurozone, Schwedens und Dänemarks

Derzeitige Leistungsbilanzsalden der Eurozone, Schwedens und Dänemarks

In diesem Moment haben nur Finnland, Frankreich, Lettland und Estland (begrenzte) Defizite in ihren Leistungsbilanzen.

Und Finnland plant derweil schon eine neue Runde von Sparmaßnahmen, während Frankreich massiv bedrängt wird, Staatsausgaben und Löhne zu kürzen. Die durch die Politik vor 2008 induzierten sehr großen Defizite (manchmal sogar mehr als 10 oder 15% des BIP) der Eurozone waren allerdings auch unhaltbar, quasi eine „Katastrophe im Wartestand“.

Aber das gleiche kann auch über die Überschüsse gesagt werden (abgesehen davon – „wir“ Deutschen haben viele Hunderte an Milliarden Euros unserer Überschüsse verloren, da ein großer Teil unserer „internationalen Ersparnisse“ in amerikanische Hypothekenpapiere investiert waren…). Bemerkenswerterweise hat sich der deutsch-niederländische Überschuss auch nach 2008 weiter erhöht, was das Leben für die Peripherieländer sehr viel schwieriger gemacht hat.

Und dazu ein Beitrag von Simon Wren-Lewis, der zunehmend beunruhigt und genervt ist über das Niveau des gesamtwirtschaftlichen Diskurses in Europa, in dem es immer noch Leute gibt, die eigentlich schon viel früher und nach wie vor die Zinsen für verschuldete Länder erhöhen wollen.

(eigene Übersetzung eines Beitrages des Real-World Economics Review Blog)

Mythos New Deal – Teil 7: Lehren für den Kampf gegen Europas Krise

Zum Abschluss meiner Serie über Roosevelts New Deal möchte ich eine Brücke zur Gegenwart, insbesondere zu Vorschlägen zur Überwindung der Eurokrise aufbauen.

Schon 2008 bezog sich die UN in einem Gutachten zur ökonomischen und sozialen Entwicklung der Welt- wirtschaft auf einen „globalen New Deal“, mit dem die Probleme nach der Finanzkrise bekämpft werden sollten.

Bauruine-Cala-de-Bou-Ibiza

Mein Beitrag soll sich aber vor allem mit der Politik in der EU seit dem Beginn der Eurokrise beschäftigen, die sich markant von den Maßnahmen unterscheidet, mit denen der amerikanische Präsident Franklin D. Roosevelt die Wirtschaft der Vereinigten Staaten aus dem Tief nach der Großen Depression Anfang der 1930er Jahre führte.

Verzweiflung, Verzagtheit und Mutlosigkeit hießen die Probleme, die Roosevelt als erstes anging, gefolgt von der Regulierung der Finanzmärkte und der Wiedererweckung der realen Wirtschaft durch Beschäftigungs- programme und öffentliche Investitionen.

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Sparparadoxon: Wer mehr Tore schießt, wird Weltmeister; wenn alle mehr Tore schießen, werden alle Weltmeister

Einfacher Versuch einer Erklärung des Sparparadoxons als Rationalitätenfalle:

Auf der Mikroebene richtig: Wenn Deutschland in seinen WM-Spielen mehr Tore schießt als der jeweilige Gegner, wird Deutschland am Ende Weltmeister.

Auf der Makroebene falsch: Wenn alle Mannschaften im Turnier mehr Tore erzielen als ihre Gegner, sind alle Mannschaften am Ende Weltmeister.

Götze kicks the match winning goal
Mario Götze erzielt das Siegtor im WM-Finale 2014

Dieses wenn auch zugegebenerweise nicht gänzlich passende Beispiel ging mir durch den Kopf, als ich den Beitrag von Steve Keen zur Austeritätspolitik der belgischen Regierung als Trugschluss der Kompo-sition las.

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Die ständige Wiederkehr der unsäglichen „Vertrauens-Fee“

Die wichtigste Voraussetzung für nachhaltiges Wachstum in europäischen Volkswirtschaften sei Vertrauen…

Aussage von Bundesfinanzminister Schäuble lt. Tagesschau.de

Look out for the little folk - geograph.org.uk - 773026
Vorsicht Vertrauens-Fee!!

Es ist immer wieder zu hören und zu lesen: meist konservative Politiker wollen uns etwas von dem „Vertrauen“ der Wirtschaft erzählen, welches der Staat nur durch eisernes „Sparen“ und einer „soliden Haushaltspolitik“ den Unternehmen abtrotzen und sie so zum Investieren und damit auch zur Schaffung von Arbeitsplätzen animieren könne.

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Die Lehren aus der Weltwirtschaftskrise für die Eurozone

Meine Übersetzung eines Beitrags von Simon Wren-Lewis aus seinem Blog mainly macro, der die momentanen wirtschaftspolitischen Fehler in der Eurozone kurz aber sehr treffend darlegt:

Es erscheint mir einfacher, die Probleme der Eurozone zuerst durch die Vorstellung der EU als eine Einheit zu erfassen, ehe man über die Verteilung zwischen den Ländern nachdenkt. In beiden Fällen allerdings macht die Eurozone heute genau die gleichen Fehler, die auch in der Großen Depression der 1920er/30er Jahre gemacht wurden.

Die Eurozone leidet derzeit unter einem chronischen Mangel bei der Gesamtnachfrage. Nach einer Schätzung der OECD existierte 2013 in der Eurozone eine Produktionslücke von fast 3,5%. Da die Geldpolitik entweder nicht in der Lage oder nicht willens ist, dagegen viel zu unternehmen, ist eine staatliche Konjunkturankurbelung notwendig. Dies ist die erste Lehre aus der Weltwirtschaftskrise, die strikt ignoriert wird. Stattdessen wurde den Ländern der EU mit dem Stabilitäts- und Wachstumspakt (SWP) striktes Sparen und Austerität auferlegt.

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Der Lautenbach-Plan 1931 – Teil 1: Geld- und Kreditpolitik der Weimarer Republik in der Weltwirtschaftskrise

Die Auswirkungen des Ersten Weltkriegs sowie die Erfahrungen mit der Einführung der Rentenmark nach dem Desaster der Hyperinflation des Jahres 1923 hatten eigentlich bewiesen, dass Gold als bevorzugtes Mittel zur Stabilisierung einer Währung schlicht überflüssig bzw. durchaus schädlich sein könne.

Bundesarchiv Bild 102-12023, Berlin 1931, Bankenkrach, Andrang bei einer Sparkasse

Die Ankopplung der eigenen Währung an ein von der wirtschaftlichen Entwicklung völlig unbeeinflußbares Medium hatte sich in Zeiten moderner Ökonomie schlicht als zu unflexibel erwiesen. Veränderungen in den Handels- und Leistungsbilanzen, wie sie nach dem Ersten Weltkrieg durch den wachsenden internationalen Warenverkehr immer häufiger entstanden, sorgten in vielen Ländern unter dem Goldstandard für erhebliche Schwankungen in den Devisenbilanzen, durch die geldmarktpolitische Eingriffe zur Stabilisierung der Wirtschaft erschwert oder nahezu unmöglich gemacht wurden.

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