Sparparadoxon: Wer mehr Tore schießt, wird Weltmeister; wenn alle mehr Tore schießen, werden alle Weltmeister

Einfacher Versuch einer Erklärung des Sparparadoxons als Rationalitätenfalle:

Auf der Mikroebene richtig: Wenn Deutschland in seinen WM-Spielen mehr Tore schießt als der jeweilige Gegner, wird Deutschland am Ende Weltmeister.

Auf der Makroebene falsch: Wenn alle Mannschaften im Turnier mehr Tore erzielen als ihre Gegner, sind alle Mannschaften am Ende Weltmeister.

Götze kicks the match winning goal
Mario Götze erzielt das Siegtor im WM-Finale 2014

Dieses wenn auch zugegebenerweise nicht gänzlich passende Beispiel ging mir durch den Kopf, als ich den Beitrag von Steve Keen zur Austeritätspolitik der belgischen Regierung als Trugschluss der Kompo-sition las.

Der Vergleich aus der Welt des Fußballs stellt ebenso eine typische Rationalitätenfalle dar, bei der das Handeln eines Individuums rational vernünftig erscheint, während es für die Gesamtheit ganz anders aussieht:

Die jüngere Sportgeschichte bestätigt die Ansicht der individuellen (Mikro-) Ebene: nur die Mannschaft, die in der Endabrechnung mehr Tore als die jeweiligen Gegner erzielt hat, wird am Ende des Turniers Weltmeister.

Natürlich kann das auch gelingen, wenn zwischendurch in der Gruppenphase eine Begegnung verloren wird oder Unentschieden gespielt wird. Doch spätestens in der Finalrunde und im Endspiel ist die obige Behauptung wieder richtig: wer mehr Tore schießt als der Gegner, wird Weltmeister!

Ganz anders sieht das für die Gesamtheit aller Teams bei einer Weltmeisterschaft aus. Es ist schlicht nicht möglich, dass jede Mannschaft mehr Tore erzielt als die anderen Teilnehmer des Turniers, da nun mal auch gegeneinander gespielt wird.

Daher ist es auf der kollektiven (Makro-) Ebene logischerweise auch unmöglich, dass, wenn alle Mannschaften mehr Tore als die Gegner erzielen, alle Teams gleichzeitig Weltmeister sein können.

Sparparadoxon in der Volkswirtschaftslehre nach Wolfgang Stützel:
„Übersetzt“ auf das Sparen in einer Volkswirtschaft bezogen (denn darum geht es letztlich in dem von Steve Keen und John T. Harvey verlinkten Artikel) heißt das: es ist sehr wohl möglich, dass, wenn ein Einzelner spart, er also seine Ausgaben reduziert, diese Person dadurch am Ende „mehr hat“, folglich damit seine Ersparnisse erhöht hat.

Für die Gesamtheit aller Individuen einer Ökonomie ist dies allerdings unmöglich: Denn jeder, der seine Ausgaben reduziert, senkt damit die Einnahmen der anderen Personen. Sobald alle weniger konsumie-ren, sinken Produktion und Einkommen in der Volkswirtschaft.

Zur Vertiefung weitere Beiträge meines Blogs zu diesem Thema:
Volkswirtschaftliche Saldenmechanik – vergessene Grundlage der Geldtheorie
Saldenmechanik – erklärende und vertiefende Beispiele
Über die Unterschiede einzel- und gesamtwirtschaftlicher Zusammenhänge
Der kollektive Buddenbrooks-Effekt