Die Logik und das Heckscher-Ohlin-Samuelson-Modell

Im Jahr 1817 präsentierte David Ricardo in den Grundsätzen der politischen Ökonomie eine Theorie, die darlegen sollte, weshalb Länder miteinander handeln und, basierend auf dem Konzept der Opportunitätskosten, wie das Verhältnis von Export und Import von Ländern bestimmt wird die Waren ausführen, bei denen sie einen komparativen Vorteil besitzen und Waren importieren, bei denen sie einen komparativen Nachteil haben.

Heckscher-Ohlin 3
Heckscher-Ohlin-Modell: 2-Güter-Welt. Transformationskurven zweier Länder mit unterschiedlicher Faktorausstattung und deren optimale Autarkielösungen.

Ricardos Theorie der komparativen Kostenvorteile erklärte allerdings nicht, wie der komparative Vorteil überhaupt zustande kommen sollte und warum er dann so ausfällt wie angenommen. Am Anfang des 20. Jahrhunderts präsentierten daher zwei schwedische Ökonomen – Eli Heckscher und Bertil Ohlin – ein eigenes Modell, nach dem die komparativen Vorteile aus Unterschieden in den Faktorausstattungen zwischen den Ländern entstehen sollen.

Länder haben einen komparativen Kostenvorteil bei der Herstellung von Waren, die Produktionsfaktoren verbrauchen, die in diesen Staaten am häufigsten vorkommen. Diese Länder würden vor allem Waren exportieren, die die reichlich vorhandenen Produktionsfaktoren nutzen und solche Waren importieren, deren Produktionsfaktoren relativ knapp seien.

Das Heckscher-Ohlin-Theorem – ebenso wie seine Erweiterungen durch z.B. Vanek, Stolper und Samuelson – baut auf einer Reihe von restriktiven und unrealistischen Annahmen auf. Von entscheidender Bedeutung sind dabei – neben den üblichen markträumenden Gleichgewichtsannahmen – folgende:

(1) Die Länder verwenden identische Produktionstechnologien.

(2) Die Herstellung erfolgt mit einer Technologie der konstanten Skalenerträge.

(3) In den Ländern ist die Austauschbarkeit der Produktionsfaktoren mehr oder weniger unendlich.

(4) Die Faktor-Preise sind immer ausgeglichen (die Stolper-Samuelson-Erweiterung des Theorems).

(eigene Anmerkung dazu: Und wie alle neoklassischen Modelle geht auch diese Theorie natürlich davon aus, dass sowohl ein vollständiger Wettbewerb herrscht als auch sämtliche Produktionsfaktoren voll ausgelastet sind, d. h. es eben keine Arbeitslosigkeit und keine Überkapazitäten gibt.

Diese Voraussetzungen aber sind seit nahezu drei Jahrzehnten in keinem Industrieland mehr vorhanden. Daher können weder das Heckscher-Ohlin-Theorem noch andere Mainstream-Theorien schon per Definition die tatsächlichen Zustände in der realen Wirtschaftswelt beschreiben.

Leider bilden aber genau dieses und ähnliche Theoreme die geistigen Grundlagen, nach denen ganze Staaten (beispielsweise die USA und Japan, aber auch die EU und der IWF) ihre Handelspolitiken ausrichten. Nicht nur die gegenwärtige Stahlkrise sowie die TTIP- und Freihandelsdiskussionen lassen erahnen, welche gewaltigen volkswirtschaftlichen Schäden dadurch schon früher ausgelöst wurden und heute immer noch entstehen können.)

Diese Annahmen sind, wie fast alle empirischen Tests der Theorie gezeigt haben, völlig unrealistisch. Das heißt, sie sind schlicht empirisch falsch.

Dies bedeutet dann aber auch, dass man sich darüber wundern kann, warum in aller Welt irgendjemand ein Interesse daran haben könnte, diese Theorie bei den realen Problemen auf dieser Erde anzuwenden. Wie so viele andere Mainstream-mathematische Modelle, die den Wirtschaftsstudenten heute gelehrt werden, hat dieses Theorem sehr wenig mit der realen Welt zu tun.

Aus methodischer Sicht kann man sich natürlich auch fragen, wie wir Tests bewerten sollen, die auf einem Theorie-Gebilde mit bekannt falschen Annahmen beruhen. Was ist der Sinn solcher Tests? Was können uns diese Tests möglicherweise lehren? Vielleicht die Gültigkeit des logischen Gesetzes Ex falso Quodlibet (aus Falschem folgt Beliebiges)? Aus einem logisch falschen Satz kann demnach jede beliebige Aussage gefolgert werden.

(eigene Übersetzung eines Blogbeitrages des schwedischen Wirtschaftswissenschaftlers Lars Syll)