„Neukeynesianische“ Arbeitslosigkeit – im Grunde ein bezahlter Urlaub!

Franco Modigliani witzelte bekanntermaßen, er glaube nicht, dass die Arbeitslosigkeit während der Großen Depression in einem Wirtschaftsmodell als „plötzlicher Anfall ansteckender Faulheit“ beschrieben werden sollte.

Unemployed men queued outside a depression soup kitchen opened in Chicago by Al Capone, 02-1931 - NARA - 541927
Arbeitslose Männer stehen Schlange vor einer kostenlosen Suppenküche in Chicago, 1931

In den letzten dreißig Jahren haben wir darüber diskutiert, ob wir klassische reale Konjunkturzyklus-modelle (RBC) oder ihre nahen Verwandten, moderne neukeynesianische (NK) Modelle, zur Beschrei-bung von Rezessionen verwenden sollten.

In beiden Modellen betragen die sozialen Kosten anhaltender Arbeitslosigkeit weniger als einen halben Prozentpunkt des Konsums des Steady-State.

Was bedeutet das? Der durchschnittliche Konsum in den USA liegt bei etwa 30.000 US-Dollar pro Jahr. Ein halbes Prozent davon sind etwa 50 Cent pro Tag. Eine Person, die in einer unserer künstlichen Modellwelten lebt, wäre nicht bereit, mehr als 50 Cent pro Tag zu zahlen, um eine weitere Große Depression zu vermeiden. Das gilt auch für reale Konjunkturmodelle. Das gilt auch für neukeynesia-nische Modelle.

Deshalb verzichte ich auf NK- und RBC-Modelle. Beide liegen falsch. Die hohe Arbeitslosigkeit, die auf eine Finanzkrise folgt, ist nicht die sozial effiziente Antwort auf technologische Schocks. Und die langsame Erholung von einer Finanzkrise hat nichts mit den Kosten für den Nachdruck von Speisekarten zu tun, die den Modellen der NK-Ökonomen zugrunde liegen. Es ist ein potenziell dauerhaftes Versagen privater Akteure, sich auf ein Ergebnis zu einigen, das gesellschaftlich wünschenswert ist. – Roger Farmer

In den grundlegenden DSGE-Modellen, die sowohl von den neuklassischen als auch von den „neukeynesianischen“ Makroökonomen verwendet werden, ist der Arbeitsmarkt immer bereinigt – als Reaktion auf einen sich ändernden Zinssatz, das erwartete Lebenseinkommen oder die Reallöhne maximiert der repräsentative Agent die Nutzenfunktion, indem er sein Arbeitsangebot, seinen Geldbesitz und seinen Konsum im Laufe der Zeit variiert.

Und das Wichtigste: Wenn der Reallohn irgendwie von seinem „Gleichgewichtswert“ abweicht, passt der repräsentative Agent sein Arbeitsangebot an, so dass das Arbeitsangebot steigt, wenn der Reallohn höher ist als sein „Gleichgewichtswert“, und wenn der Reallohn unter seinem „Gleichgewichtswert“ liegt, das Arbeitsangebot sinkt.

In dieser Modellwelt ist Arbeitslosigkeit immer eine optimale Wahl für Veränderungen der Arbeitsmarkt-bedingungen. Arbeitslosigkeit ist also völlig freiwillig. Arbeitslos zu sein ist etwas, das man sich im Optimalfall aussucht – eine Art verlängerter Urlaub.

Obwohl dieses Bild von Arbeitslosigkeit als einer Art selbstgewählter Optimalität den meisten Men-schen völlig lächerlich vorkommt, gibt es leider auch viele Mainstream-Ökonomen, die immer noch glauben, dass Preis- und Lohnrigiditäten die Hauptursachen für die Arbeitslosigkeit sind.

DSGE-Modelle erklären im Wesentlichen Variationen in der Beschäftigung (und erst recht in der Produktion) unter der Annahme, dass Nominallöhne flexibler sind als Preise – wobei der Mangel an empirischen Beweisen für diese eher kontraintuitive Annahme außer Acht gelassen wird.

Eine Senkung der Nominallöhne würde den Arbeitsmarkt nicht entlasten. Eine Senkung der Löhne – und möglicherweise der Preise – könnte vielleicht die Zinsen senken und die Investitionen ankurbeln. Es wäre viel einfacher, diesen Effekt zu erzielen, indem man die Geldmenge erhöht.

Lohnsenkungen wurden jedenfalls nicht als genereller Ersatz für eine expansive Geld- oder Fiskalpolitik angesehen. Und selbst wenn es potenziell positive Auswirkungen von Lohnsenkungen gibt, gibt es auch schwerwiegendere negative Auswirkungen – eine Verschlechterung der Beziehungen zwischen Arbeitgebern und Gewerkschaften, die Erwartung einer anhaltenden Lohnsenkung, die zu einer Verzögerung von Investitionen führt, eine Deflation der Schulden und so weiter.

Die klassische These, dass eine Senkung der Löhne die Arbeitslosigkeit senken und letztlich die Volkswirtschaften aus der Depression führen würde, war unbegründet und im Grunde falsch. Flexible Löhne würden die Lage wahrscheinlich nur verschlimmern, indem sie zu unberechenbaren Preisschwankungen führen. Die Haupterklärung für die Arbeitslosigkeit ist eine unzureichende Gesamtnachfrage, die meist außerhalb des Arbeitsmarktes bestimmt wird.

Offensichtlich ist es ziemlich peinlich, dass die Art von DSGE-Modellen, die „moderne“ Makroökonomen verwenden, eine so grundlegende Tatsache der Realität wie die unfreiwillige Arbeitslosigkeit nicht berücksichtigen können.

Bei der Arbeit mit repräsentativen Agentenmodellen ist dies natürlich nicht verwunderlich. Die Art von Arbeitslosigkeit, die auftritt, ist freiwillig, da es sich nur um Anpassungen der Arbeitsstunden handelt, die diese Optimierungsagenten vornehmen, um ihren Nutzen zu maximieren.

Und als ob das Unsinn wäre, ist die Ökonomie nicht genug, führen in den neuklassischen und „neukeynesianischen“ Makroökonomen DSGE-Modelle zu einem Rückgang des privaten Konsums!

Wie um alles in der Welt kommt man zu solch einer bizarren Sichtweise?

In den grundlegendsten Mainstream-Proto-DSGE-Modellen geht man oft davon aus, dass die Regierungen die laufenden Ausgaben mit den laufenden Steuereinnahmen finanzieren. Dies wird sich negativ auf die Einkommen der Haushalte auswirken und – eher kontraintuitiv – zu einem Rückgang des privaten Verbrauchs führen, obwohl sowohl die Beschäftigung als auch die Produktion zunehmen. Dieser Mechanismus gilt auch, wenn die (un)berühmte Ricardianische Äquivalenz zu den Modellen hinzugefügt wird.

Ricardianische Äquivalenz bedeutet im Grunde, dass die Finanzierung der Staatsausgaben durch Steuern oder Schulden gleichwertig ist, da die Schuldenfinanzierung mit Zinsen zurückgezahlt werden muss und die Akteure – ausgestattet mit rationalen Erwartungen – nur die Ersparnisse erhöhen würden, um die höheren Steuern in der Zukunft zahlen zu können, und so die Gesamtausgaben unverändert lassen.

Nach der Annahme der Ricardianischen Äquivalenz hat der Zeitpunkt der Steuern keinen Einfluss auf den Konsum, einfach weil das Maximierungsproblem, wie es im Modell spezifiziert ist, unverändert bleibt. Infolgedessen drosseln die Haushalte ihren Konsum, wenn die Regierungen ihre Ausgaben erhöhen. Mirabile dictu!

Makroökonomische Modelle müssen sich vom Ricardianischen Äquivalenz-Unsinn verabschieden. Aber sie durch „überlappende Generationen“ und „unendliche Horizont“-Modelle zu ersetzen, ist – in Bezug auf Realismus und Relevanz – nur vom Regen in die Traufe zu kommen.

Die Arbeitslosigkeit ist nach wie vor freiwillig. Die intertemporale Substitution zwischen Arbeit und Freizeit ist immer noch allgegenwärtig. Und die Spezifizierung der Nutzenfunktion liegt aus empirischer Sicht noch hoffnungslos daneben.

Ein Nobelpreisträger drückte es so aus:

Die Ricardianische Äquivalenz wird in jeder Graduierten-schule des Landes gelehrt. Sie ist aber blanker Unsinn. – Joseph E. Stiglitz, twitter

Und wie ein Wirtschaftsblogger es erweiterte:

Die neuklassische und „neukeynesianische“ DSGE-Modellierung wird an jeder Graduiertenschule des Landes gelehrt. Sie ist aber ebenso blanker Unsinn. – Lars P Syll, twitter

(Eigene verkürzte Übersetzung eines Blogbeitrages des schwedischen Ökonomen Lars Syll)