Stahlindustrie: Subventionen dank kostenloser Klimazertifikate

Auf der anderen Seite drohen den Herstellern Mehrkosten in Milliardenhöhe durch die geplante Neuregelung des Emissionsrechtehandels. Der Reformvorschlag der EU-Kommission für die sogenannte vierte Handelsperiode ab dem Jahr 2021 sieht vor, die Grenzwerte für den CO2-Ausstoß abzusenken und gleichzeitig die Zahl der verfügbaren industriellen Verschmutzungsrechte zu verknappen.

Die Welt: Diese seltene Allianz soll die Stahlindustrie retten

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Stahlerzeugung in den Hüttenwerken Krupp Mannesmann in Duisburg-Hüttenheim

Das liest sich erst einmal so, als hätten die Stahlkonzerne bis dato schon jede Menge Kohle für den Klimaschutz bezahlen müssen. Es ist jedoch eher das Gegenteil. Bisher bekamen die Stahlunternehmen in den vorherigen Handelsperioden kostenlose Zertifikate. Zuletzt sogar mehr, als sie eigentlich benötigten, und diese konnten dann noch verkauft werden.

Eine niederländische Studie (siehe pdf-Datei rechts im Link) kam für Deutschland im Zeitraum 2008-2014 zu folgendem Ergebnis (s. S. 43):
ThyssenKrupp: + 890 Mio. €
Salzgitter AG: + 360 Mio. €
ArcelorMittal (deutsche Standorte): + 660 Mio. €
Krupp Mannesmann: + 460 Mio. €

Auch Tata Europe in Großbritannien kommt auf 500 Mio. € Einnahmen in dieser Zeitspanne aus dem Handel mit Klimazertifikaten.

Der von der Stahlindustrie gerne verschwiegene Teil der Wahrheit ist nämlich, dass es bislang keine Belastungen durch die EU-Klimapolitik gab, sondern dieser eher als eine Art Subventionierung der europäischen Stahlbranche diente.

Auszüge aus der Studie:

9 Deutschland (S. 41)

9.1 Allgemeine Beschreibung

Die geprüften Emissionen in Deutschland aus industriellen Quellen wurden zumeist von der Eisen- und Stahlindustrie erzeugt, gefolgt von den Raffinerien und dem Zementsektor.

Die Eisen- und Stahlindustrie ist für fast 30% der gesamten von Deutschland im Rahmen des EU ETS verifizierten CO2-Emissionen zwischen 2008-2014 verantwortlich.

Zwölf von fünfzehn der untersuchten Sektoren haben von der Zuteilung von Emissionszertifikaten in Deutschland profitiert. Insgesamt wurden in Deutschland zwischen 2008 bis 2014 mehr als 165 Millionen Zertifikate für die Industrie oberhalb der Nachfrage mit einem Nettowert von ca. einer Milliarde EUR emittiert.

In absoluten Größen wurden die größten Gewinne aus dieser übermäßigen Zuteilung in der Eisen- und Stahlindustrie generiert.

Zusammenfassung: (S. 2)
Diese Studie hat die zusätzlichen Gewinne berechnet, die die Sektoren und Unternehmen aus dem EU-ETS zwischen 2008-2014 gemacht haben, aufgeteilt in drei verschiedene Arten von Profiten:

1. Profite aufgrund der kostenlosen Zuteilung von Emissionszertifikaten. In vielen Branchen/Ländern wurden kostenlose Zertifikate über die ermittelten Emissionen hinaus gewährt, so dass diese Branchen zusätzliche Gewinne erzielen konnten, indem Sie diesen Überschuss auf dem Markt verkauften.

2. Profite durch CDM/JI-Reduktionsverpflichtungen. Viele Unternehmen durften diese CDM/JI-Zertifikate bis zu einem gewissen Grad billiger erwerben. Dies sorgte für zusätzliche Gewinne, da viele Unternehmen ihre überflüssigen Zertifikate aus diesen Maßnahmen frei auf dem ETS-Markt verkaufen konnten.

3. Profite durch die Weitergabe der Opportunitätskosten der umsonst erhaltenen Zertifikate. Es gibt genügend empirische Belege dafür, dass Unternehmen (teilweise) in der Lage gewesen sind, diese CO2-Kosten in die Produktpreise weiterzugeben. Obwohl die Zertifikate kostenlos gewährt wurden, war die Mehrheit der Sektoren somit in der Lage die Opportunitätskosten dieser Zertifikate auf die Preise aufzuschlagen wodurch so genannte Windfall-Profite entstanden.

Die Gewinne in jeder dieser Kategorien von 2008-2014 wurden für 15 Sektoren (in der Regel die, die die stärksten Verschmutzungen erzeugen) in 19 Ländern berechnet. Die Analyse in dieser Studie unterscheidet sich von früheren Studien zu diesem Thema durch die Korrektur der Zuteilung von Abgasen der Eisen- und Stahlindustrie, die auf statistischer Basis an den Stromsektor übertragen wurden. Aus unserer Sicht ergibt sich eine genauere Abschätzung des Ausmaßes der Überzuteilung an die Eisen- und Stahlindustrie im Vergleich zu anderen Studien.

CE Delft: Calculation of additional profits of sectors and firms from the EU ETS

Wenn Tata jetzt ein britisches Stahlwerk schließen möchte, dann nicht wegen der EU-Klimapolitik, sondern trotz der dadurch erzielten Einnahmen. Die Probleme müssen daher ganz woanders entstanden sein.

Die Chinesen antworten vielmehr mit Subventionen bzw. Zöllen ihrerseits auf Subventionen und Handelserschwernisse der EU und umgekehrt. Da ist dann natürlich immer der andere Schuld.

Aber es ist natürlich einfacher, auf die bösen, bösen Chinesen zu zeigen, anstatt darüber nachzudenken, wo denn die Überkapazitäten in der Stahlbranche weltweit überhaupt herkommen und welche Rolle dabei Europa und seine Weigerung eine Politik der Nachfragesteigerung zu betreiben spielt. Im Gefolge der Eurokrise stagniert die Wirtschaftsleistung der EU nunmehr seit Jahren und so tragen auch die europäischen Staaten aufgrund ihrer Sparpolitik indirekt zu den chinesischen Überkapazitäten mit bei.

Und mit wirklichem Freihandel hat das Ganze schon rein gar nichts mehr zu tun. Auch Heiner Flassbeck hatte bereits vor einiger Zeit mehrfach auf die scheinheiligen Förderer des „Freihandels über alles“ hierzulande hingewiesen.