Zunehmender Kräfteverschleiss und taktische Verwirrung im Weserstadion?

Hatte ich in der letzten Woche noch den Eindruck erweckt, dass sich der FC Schalke in einer hervorragenden Ausgangsposition befinden würde und das Erreichen des zweiten Tabellenplatzes nur eine Frage der Zeit wäre, so relativierte das Auftreten der Blauen im Bremer Weserstadion diese Aussicht ein wenig.

Ostkurve

Beim 1:1 im hohen Norden blieb bei mir vor allem das Gefühl übrig, dass dort kein Anwärter auf den Titel des Vizemeisters in der Bundesliga zu sehen war.
Zu verzagt und unentschlossen wirkte die Mannschaft von Trainer Jens Keller, und umso mehr Glück war nötig, wenigstens diesen einen Punkt von der Weser mitnehmen zu können.

Dabei waren die Voraussetzungen eigentlich mehr als günstig: ohne Veränderungen konnte das gegen die Hertha aus Berlin so erfolgreiche junge Team auch in Bremen auflaufen, verstärkt mit dem nach seiner Gelbsperre wieder zurückkehrenden Kevin-Prince Boateng auf der 10er Position.

Mit dieser taktischen Variante wollte Trainer Keller offenbar Jungstar Max Meyer nach einigen nicht ganz so optimalen Auftritten etwas schonen. Leon Goretzka blieb dafür auf der „Sechs“, wo er gegen die Berliner eine überzeugende Partie abgeliefert hatte, ebenso wie Matchwinner Chinedu Obasi, der wieder die rechte Außenbahn besetzen sollte.

Was im eigenen Stadion noch so überzeugend funktioniert hatte, ging in den ersten 20 Minuten in Bremen ziemlich schief. Die Hanseaten erspielten sich klare Feldvorteile, waren wacher und aggressiver und ließen die Schalker überhaupt nicht zur Entfaltung kommen. Das 1:0 war daher genauso folgerichtig wie die Tatsache, dass auf Blau-Weißer Seite etwas passieren musste.

Doch warum musste eine solche Umstellung von den Spielern ausgehen? Warum reagierte Jens Keller nicht, der ja auch hätte sehen können, dass seine taktische Konzeption nicht aufging?

Nachher ist es natürlich einfach, eine solche Reaktion von Kevin-Prince Boateng als das Handeln von mündigen Spielern zu rechtfertigen. Doch weder Manager Heldt noch der Coach selber können damit die Frage entschärfen, warum eine solche Initative erst vom Spielfeld aus gestartet werden musste.

Ist es wirklich so, dass die Stärken von Jens Keller hauptsächlich theoretischer Natur sind, wie es schon häufig am Schalker Markt kolportiert wurde? Ich erinnere daran, dass ich ebenfalls, zumindest in der Hinrunde, diesen Mangel an Entscheidungsfreudigkeit während des Spiels bereits kritisch hinterfragt hatte.
Allerdings war ich auch der Ansicht, dass dieses Problem unseres Trainers zuletzt eher in den Hintergrund getreten war bzw. Keller in einigen Begegnungen durchaus spontanes taktisches Geschick bewiesen hatte.

Also doch ein Rückfall zu alten Schwächen? Warten wir es ab, die noch ausbleibenden Spiele werden möglicherweise darauf eine Antwort geben.
Was aber bleibt, ist ein wieder leicht erweckter Zweifel an den Fähigkeiten von Jens Keller. Eigentlich unnötig und ärgerlich, lief es doch in den letzten Wochen recht gut für die Knappen. Der Erfolg hatte ja auch die Kritik am Trainer weitestgehend verstummen lassen.

Doch andersherum zeigt sich das Können eines Coaches gerade dann, wenn es mal nicht reibungslos läuft. Insofern war der Auftritt in Bremen eher ein Rückschritt für Jens Keller.

Einen zweiten Aspekt, der mir in der Nachbetrachtung des Spiels im Weserstadion besonders ins Auge gefallen ist, will ich mal als „Verschleisserscheinungen“ aufgrund der extremen Verletzungssituation bezeichnen (das ist ein zugegeben etwas blöder Ausdruck, da wir hier ja von Spielern als Menschen reden, aber mir ist kein anderer eingefallen, mit dem man die Besonderheit dieses Problems besser beschreiben könnte).

Offenbar macht sich langsam aber sicher der Kräfteverschleiss bei einigen Schalker Akteuren verstärkt bemerkbar. Sei es in der Form, dass sie aufgrund früherer eigener Verletzungen sehr wenig Spielpraxis haben (gerade die Formschwankungen von Tim Hoogland und besonders Chinedu Obasi erscheinen mir dadurch am ehesten erklärbar). Oder aber sie wirken überspielt, da aufgrund der momentan sehr dünnen Personaldecke keine adäquaten Alternativen bereit stehen. Insbesondere Max Meyer aber auch Julian Draxler scheinen hiervon betroffen zu sein.

In Bremen fand ich es schon auffallend, dass einige Spieler dem Druck der Hanseaten nicht wirklich gewachsen schienen, gerade die jüngeren Akteure wie Kaan Ayhan zeigten sich da doch beeindruckt. Auch war nicht zu übersehen, dass die Mannschaft insgesamt zum Ende der Begegnung kräftemäßig und läuferisch abbaute, was schon in der intensiven Partie bei Borussia Dortmund dem aufmerksamen Beobachter nicht entgehen konnte.

Als Erklärung bieten sich da die weiter oben festgestellten Symptome geradezu an, insofern ist es schon ganz gut, dass es keine weiteren Belastungen durch den DFB-Pokal oder die Champions League mehr gibt. Zudem hoffe ich weiterhin darauf, dass am Freitag zum Heimspiel gegen die Frankfurter Eintracht sich vielleicht doch noch Jefferson Farfan oder Felipe Santana wieder einsatzbereit melden.