Der Lautenbach-Plan 1931 – Teil 2: Die Konferenz der Friedrich-List-Gesellschaft

Als im Sommer 1931 die Auswirkungen der Weltwirtschaftskrise der bis dahin erfolglosen und kontraproduktiven Geld- und Kreditpolitik der Weimarer Republik die Grenzen aufzeigten, begannen Ökonomen und Wirtschaftswissenschaftler mit der fieberhaften Suche nach Alternativen.

Der Staatssekretär des Reichsfinanzministeriums Hans Schäffer überzeugte anhand der zuvor veröffentlichten Schriften von Wilhelm Lautenbach („Defizitpolitik? Reichsbankzusage als Katalysator? Der Verzweiflungsweg – ohne Auslandskapital!“) und des Ökonomen Heinrich Rittershausen („Am Tage nach dem Zusammenbruch“) den Reichsbankpräsidenten Hans Luther, diese Konzepte in einem breiteren Rahmen zu erörtern.

Anteile von Faktorkosten, Abschreibungen und Unternehmergewinn an den abgesetzten Verbrauchsgütern
Schaubild nach Wilhelm Lautenbach: Unternehmergewinn & Nachfragebedarf (Abbildung selbst erstellt)

Zusammen mit dem Präsidenten des Reichsrechnungshofes Friedrich Saemisch, der ebenso wie Luther dem Vorstand der Friedrich-List-Gesellschaft angehörte, lud der Reichsbankpräsident Lautenbach, Rittershausen und andere bedeutende Nationalökonomen der damaligen Zeit zu einer vertraulich gehaltenen Konferenz ein.

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Der Lautenbach-Plan 1931 – Teil 1: Geld- und Kreditpolitik der Weimarer Republik in der Weltwirtschaftskrise

Die Auswirkungen des Ersten Weltkriegs sowie die Erfahrungen mit der Einführung der Rentenmark nach dem Desaster der Hyperinflation des Jahres 1923 hatten eigentlich bewiesen, dass Gold als bevorzugtes Mittel zur Stabilisierung einer Währung schlicht überflüssig bzw. durchaus schädlich sein könne.

Bundesarchiv Bild 102-12023, Berlin 1931, Bankenkrach, Andrang bei einer Sparkasse

Die Ankopplung der eigenen Währung an ein von der wirtschaftlichen Entwicklung völlig unbeeinflußbares Medium hatte sich in Zeiten moderner Ökonomie schlicht als zu unflexibel erwiesen. Veränderungen in den Handels- und Leistungsbilanzen, wie sie nach dem Ersten Weltkrieg durch den wachsenden internationalen Warenverkehr immer häufiger entstanden, sorgten in vielen Ländern unter dem Goldstandard für erhebliche Schwankungen in den Devisenbilanzen, durch die geldmarktpolitische Eingriffe zur Stabilisierung der Wirtschaft erschwert oder nahezu unmöglich gemacht wurden.

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Alternative Wirtschaftstheorie – letzter Teil: Die Kollision der verschiedenen Aufgaben des Zinses

Als Abschluss unserer Reihe über die alternative Wirtschaftstheorie von Wilhelm Lautenbach geht es in diesem Beitrag um eine abschließende Betrachtung aller bisher behandelten Komponenten seiner bestechenden makroökonomischen Diagnose.

Berlin - Gebäude der Reichsbank und die Jungfernbrücke, Ende der 1930er Jahre, Bundesarchiv B 145 Bild-P018383

Dies erscheint notwendig, um den Zusammenhang zwischen Kreditbedarf und Investitionen sowie die ausschlaggebenden Elemente, welche die Liquidität der Kreditwirtschaft und demzufolge auch den Zins bestimmen, klar erkennen zu können.

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Alternative Wirtschaftstheorie – Teil 13: Zins, Devisenbilanz und das Lohn-/Preisniveau

Neben der im letzten Beitrag beschriebenen Möglichkeit, durch Kapitalexport ein Defizit der Devisenbilanz und damit ein erhebliches Problem für die Zinssteuerung der Zentralbanken hervorzurufen, kann auch eine passive Handels- (Leistungsbilanz) aufgrund überhöhter Preise und Löhne einen ähnlichen Effekt haben.

Änderung der Brutto- und Reallöhne und des Preisindex in Deutschland

Dabei ist es unerheblich, ob die Investition im Inland überzogen ist oder nicht. Ganz im Gegenteil kann ein Leistungsbilanzdefizit auch entstehen, wenn die Investitionen völlig unzureichend und die Beschäftigungssituation infolgedessen ebenso unbefriedigend ist.

Die Begründung für das Devisendefizit liegt in einem solchen Falle allein in einer übertriebenen Steigerung des inländischen Kosten- und Preisniveaus gegenüber dem Ausland. Dies ist immer die Folge einer nicht richtigen Anpassung von Wechselkurs und Nominallöhnen.

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Sinn vs. Piketty: neoklassische Theorie trifft auf empirische Wirklichkeit

In einem Gastbeitrag für die Frankfurter Allgemeine Zeitung kritisiert der Ökonom Hans-Werner Sinn Anfang dieser Woche das neue Buch von Thomas Piketty: Capital in the Twenty-First Century.

Dabei geht es ihm vor allem um eine neue „Weltformel“, mit der Piketty die wachsende Einkommens- und Vermögensungleichheit in den westlichen Staaten, insbesondere aber in den USA, darstellt.

Hans-Werner Sinn 17Jan2008

Sinn schreibt zu dieser Formel in der FAZ, sie besage, dass der Zins als durchschnittliche Kapitalrendite r auf Dauer größer sei als die Wachstumsrate g einer Volkswirtschaft. Nach Piketty sei dann die Folge, dass das Vermögen fortlaufend schneller wachse als die Wirtschaftsleistung.

Sinn aber bestreitet diese Entwicklung und zieht zur Erklärung seiner ablehnenden Haltung die neoklassische Wachstumstheorie zu Rate.

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Alternative Wirtschaftstheorie – Teil 12: Zentralbankzins und Devisenbilanz

In den bisherigen Beiträgen dieser Reihe waren wir zu dem Schluß gekommen, dass in einem modernen Bankensystem die Politik der Zentralbank den Kreditinstituten die Richtung für ihr Handeln vorgibt.

Ist die Zentralbank „mit dem Markt in Fühlung“ (so formulierte es Wilhelm Lautenbach in seinem Werk “Zins, Kredit und Produktion” (1952)), so bedeutet die Festlegung des Zinssatzes ein eindeutiges Signal, das auch dementsprechend von der Kreditwirtschaft beachtet wird.

Hauptverwaltung Frankfurt der Deutschen Bundesbank

In den Zeiten des Goldstandards hatte die Notenbank diese Nähe zum Markt in der Regel fast automatisch, die Zentralbanker konnten ruhigen Gewissens bei der Festlegung des Zinssatzes behaupten, sie würden nur dem Markt gehorchen.

Bei Gold- und Devisenabfluß erhöhten sie den Zinssatz und die Banken hatten keine andere Wahl, als sich dieser Maßnahme sofort anzupassen, weil sie unter den gegebenen Umständen selber die Notenbank stärker beanspruchen mussten.
Dies bedeutete nichts anderes, als dass sie, um die von ihren Kunden angeforderten Devisen bezahlen zu können, gezwungen waren, sich selbst bei der Zentralbank höher zu verschulden.

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Alternative Wirtschaftstheorie – Teil 11: Wertpapierkäufe und Bankenliquidität

In diesem Beitrag geht es um die Auswirkungen, die bestimmte Umdispositionen der Sparer auf die Bestände an Bankeinlagen haben. Legen nämlich diese Sparer ihre Vermögen, die als Scheck- oder Sparguthaben bei den Banken hinterlegt sind, in Wertpapieren an oder geben sie als Kredite heraus, so reduziert sich damit das Kreditvolumen der Banken.

Frankfurt Am Main-Neue Boerse von Suedosten-20120222

Bemerkenswert ist es nach Wilhelm Lautenbach dabei, dass durch solche Vorgänge keinerlei Veränderungen bei den laufenden Ersparnissen eintreten, stattdessen sich aber die Liquidität der Banken verbessert.

Dies geschieht dadurch, dass es zumeist die Bankendebitoren, also die Schuldner der Banken sind, die Wertpapiere verkaufen. Damit nimmt logischerweise das Bankenkreditvolumen ab, die Banken werden also weniger herangezogen, wenn die Bankeinlagen sinken.

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Alternative Wirtschaftstheorie – Teil 10: Bargeldbedarf, Bankenliquidität und der Zentralbankzins

Nachdem wir im letzten Beitrag die Prinzipien der freien Zinsbildung kennengelernt haben, soll es nun um die Auswirkungen einer Veränderung des Bedarfs an baren Zahlungsmitteln auf die Inanspruchnahme des Bankensystems und demnach auch der Notenbank gehen.

Euro coins and banknotes

Nach Wilhelm Lautenbach hat die Veränderung der Beanspruchung sowohl der Banken als auch der Zentralbank durch die Zunahme oder Abnahme der Bargeldnachfrage hauptsächlich nur technische Bedeutung, wenn sie auf folgenden Gründen basiert:

1. Änderungen in der Kassenhaltung
Diese treten immer dann auf, wenn Private oder Unternehmer mehr Bargeld bei gleichbleibenden Umsätzen und Einnahmen/Einkommen in ihren „Kassen“ zurückhalten. Dazu zählt auch das Geld „im Strumpf“ oder auch „unter dem Kopfkissen“. Eine solche Veränderung kann wirtschaftlich rational und damit durchaus gerechtfertigt erscheinen, wenn man Nachteile und Unbequemlichkeiten einer „knappen“ Kasse vermeiden will.

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Alternative Wirtschaftstheorie – Teil 9: Die freie Zinsbildung

In diesem Beitrag soll es nun um die Bildung des Zinssatzes ohne Manipulationen gehen, also darum wie das Steigen oder Sinken des Zinses entsteht. Dazu wenden wir uns den Bankzinsen zu, und da besonders dem Kontokorrentkredit als Beispiel für die Art und Weise, wie der Zins in der praktischen Wirtschaft ermittelt und berechnet wird.

LeitzinsenDE

Die naheliegende Antwort, dass er von dem Diskontsatz der Zentralbank abhängig sei, ist zwar grundsätzlich richtig, soll uns aber hier nicht ausreichen. Es geht mehr um das allgemeine Prinzip, mit dem die Zinsen der Bank vom Diskontsatz der Notenbank abhängen und wie wiederum der Diskontsatz selbst bestimmt wird.

Oder wie es Wilhelm Lautenbach recht treffend formulierte:

Und irgendein solches regulierendes Prinzip muß es ja geben, weil sonst die Willkür herrschte, die das Chaos gebiert.

Lautenbach: Zins, Kredit und Produktion (1952), S. 59

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Alternative Wirtschaftstheorie – Teil 8: Lautenbachs Kritik an der klassischen Zinstheorie

Mit den getätigten Schlussfolgerungen aus den ersten sieben Teilen dieser Serie stellte Wilhelm Lautenbach die klassische Zinstheorie fundamental in Frage.

Money crunch (3209512811)

Die Grundlage seiner Kritik war dabei die Klärung der Behauptung, die klassische Theorie der Bildung und Leistung des Zinses könne für die geschlossene Wirtschaft irgendwelchen Erklärungswert haben.

Nach Lautenbach erklärt die klassische Zinstheorie den Begriff Kapital als sogenannte „vorgetane“ Arbeit, damit sind im weitesten Sinne die durch Arbeit entstandenen Produktionsmittel (Gebäude, Maschinen und Anlagen) gemeint.
Das Kapitalangebot soll dabei von der Gesamtmenge der Ersparnisse bestimmt werden, die auch als ein Vorrat an Mitteln zum Lebensunterhalt (Subsistenzmittel) verstanden werden, die von den Sparern nicht unmittelbar konsumiert wurden.

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