Fortsetzung von Teil 1:
Volkswirtschaftlich wird Kapital gebildet, wenn die technische Ausstattung einer Volkswirtschaft in irgendeiner Weise vergrößert oder verbessert wird, also wenn über den Ersatz des Verschleißes hinaus Produktionsanlagen irgendwelcher Art oder dauerhafte Nutzungsgüter, wie etwa Häuser, geschaffen werden, oder wenn die Vorräte größer werden.
Zusammenhang Investition und Produktionsvolumen
Ganz allgemein gesagt: Die volkswirtschaftliche Kapitalbildung setzt bestimmte Dispositionen in der Sphäre der Produktion voraus. Unter Sparen verstehen wir auf der anderen Seite ein bestimmtes Verhalten der Einkommensbezieher, nämlich den Verzicht auf den Verbrauch eines Teiles des Einkommens.
Die Ersparnis ist der nichtverbrauchte Teil des Einkommens. Nun ist offenbar insgesamt volkswirtschaftliche Kapitalbildung und Ersparnis gleich; denn die Kapitalbildung oder Investition ist der nichtverbrauchte Teil des Sozialeinkommens. Da aber Sozialprodukt und Sozialeinkommen nur verschiedene Aspekte desselben Sachverhalts sind – Sozialprodukt ist der Produktionsbegriff, Sozialeinkommen der Verteilungsbegriff –, so ist auch unvermeidlich, wenigstens in der geschlossenen Volkswirtschaft, die Investition gleich der Ersparnis.
In der Konstatierung dieses Faktums sind sich alle Nationalökonomen einig, und auch jedem volkswirtschaftlichen Laien leuchtet es unmittelbar ein. Um so mehr Streit gibt es um die Erklärung des Faktums.
Die orthodoxe Auffassung erklärt die Gleichheit von Kapitalbildung und Ersparnis durch einen Vorgang auf dem Kapitalmarkt, der den Vorgängen auf dem Warenmarkt entspricht, nämlich etwa so: „Das ersparte Einkommen wird als Geldkapital auf dem Kapitalmarkt angeboten. Der Zins sorgt dabei dafür, dass alles angebotene Kapital auch verwendet wird. Wenn viel Kapital angeboten wird, sinkt der Zins, und je mehr er sinkt, um so mehr wird die Investition angeregt, so dass schließlich so viel investiert wird, wie gespart wird.“
Die moderne Theorie bestreitet die Richtigkeit dieser Argumentation. Sparwille und Investitionswille sind nicht in dieser Weise miteinander verkoppelt. Das Sozialeinkommen, das ja die Quelle der Ersparnis ist, hängt selbst von der Höhe der Investition ab, so dass volkswirtschaftlich die Ersparnis durch die Investition und nicht umgekehrt die Investition durch die Ersparnis bestimmt wird.
Der Zusammenhang zwischen Investition und Produktionsvolumen lässt sich durch ein einfaches Diagramm veranschaulichen [siehe oben]; zugleich wird damit klar, weshalb und in welcher Weise das Einkommen von der Investition abhängig ist.
Wir wollen nun zunächst einmal nur den Teil des Sozialprodukts betrachten, der verbraucht wird. Wir nehmen an, dass in einem bestimmten Zeitraum, sagen wir in einem Jahr, eine bestimmte Menge von Verbrauchsgütern produziert und dass die gleiche Menge auch an Verbraucher abgesetzt wird.
Zwischen Produktion und Absatz an den Verbraucher ist immer die Lagerhaltung von Fabrikanten, Großhändlern und Kleinhändlern geschaltet. Nehmen wir an, dass die Lager auf jeder Stufe der Produktion im Laufe der Beobachtungsperiode gleich bleiben, die Zugänge also immer gleich den Abgängen seien.
Die Säule V soll das in einer geschlossenen Volkswirtschaft während eines Jahres hergestellte Verbrauchsgut darstellen, gemessen nach den Herstellungskosten und zugleich aufgegliedert nach den einzelnen Kostenbestandteilen. Soweit von den einzelnen Betrieben, die Verbrauchsgüter herstellen, Vorprodukte oder Hilfsstoffe verwendet werden, sind nur die bei der Herstellung dieser Vorprodukte oder Hilfsstoffe aufgewendeten ursprünglichen Kosten gerechnet.
Zu den ursprünglichen Kosten gehören erstens die im Diagramm mit F (Faktorkosten) bezeichneten Beträge, nämlich alle diejenigen Zahlungen, die die Unternehmer an die beteiligten Produktionsfaktoren zu zahlen haben. Es sind dies die bei der Produktion aufgewendeten Gehälter, Löhne, Steuern, Zinsen; ferner rechnet zu den ursprünglichen Kosten das Unternehmereinkommen selbst, im Diagramm mit U bezeichnet, und endlich die Amortisation der Produktionsanlagen, im Diagramm mit A bezeichnet.
Der Unternehmer muss dem Verschleiß seiner Produktionsanlagen durch Abschreibung Rechnung tragen, weil die Gegenstände des Anlagekapitals regelmäßig erst im Laufe mehrerer Jahre völlig aufgebraucht und alsdann durch neue ersetzt werden.
Betriebswirtschaftlich ist jedes Jahr ein entsprechender Bruchteil des Anschaffungswertes als Betriebsaufwand zu verrechnen. Ist die Amortisation, wenigstens wenn man auf haarscharfe Genauigkeit verzichtet, verhältnismäßig einfach zu definieren und in ihrer Größe zu bestimmen, so stoßen wir bei der Definition und Größenbestimmung des Kostenanteils Unternehmereinkommen auf gewisse Schwierigkeiten.
Während die Faktorkosten immer, wenn produziert wird, fest bestimmt sind, da sie ja die Form einer tatsächlichen Ausgabe des Unternehmers haben, und die Amortisation auch noch ziemlich eindeutig durch das technische Moment des Verschleißens bestimmt ist, hängt das Einkommen, das die Unternehmer erzielen, von der Marktgestaltung und den Preisen ab.
In dem Diagramm ist als Unternehmereinkommen nun nicht das Ist-Einkommen gemeint, sondern das Soll-Einkommen, d. h. jener Betrag, der insgesamt als Unternehmereinkommen erzielt werden muss, wenn die Produktion in dem gedachten Umfang aufrechterhalten werden soll.
Ein Zahlenbeispiel mag den Sinn verdeutlichen: Nehmen wir einmal an, das in einer bestimmten Periode hergestellte Verbrauchsgut würde voll an die Verbraucher abgesetzt und die Unternehmer erzielten hierbei einen Erlös von 120. In Faktorkosten seien 84 aufgewendet, die Amortisation erfordere 15, zusammen also 99, und der Rest, also 21, wäre Unternehmereinkommen.
Hätten die Hersteller der Verbrauchsgüter dieses Produkt nicht zu 120, sondern zu 110 abgesetzt, so wäre der Gesamtgewinn statt 21 nur 11 gewesen. Wenn insgesamt ein Gewinn von 11 erzielt wäre, so hieße das natürlich nicht, dass jeder einzelne Unternehmer etwa 12 % über die aufgewendeten eigentlichen Kosten hinaus verdient hätte; viele Unternehmungen würden mehr und viele andere würden erheblich weniger, ja eine Reihe von ihnen vielleicht überhaupt nichts verdient oder gar Verluste erlitten haben.
Die Folge davon wäre, dass solche Unternehmungen früher oder später den Betrieb einstellen müssten. Die Produktion im ganzen würde dann zurückgehen. Als Soll-Einkommen der Unternehmer wollen wir auf Grund dieser Überlegung jenes Gesamteinkommen verstehen, bei dem die Produktion von Verbrauchsgütern in einem gewissen Beharrungszustand sein würde. Wäre aber das Einkommen kleiner als dieser Betrag, so würde es zu Produktionseinschränkungen kommen, weil bei den gegebenen Preisen viele Unternehmungen nicht auf die Kosten kämen.
Umgekehrt würde, wenn das Einkommen höher wäre als jener Betrag, die Produktion kräftig angeregt und ausgedehnt werden. Die nationalökonomische Theorie hat eine sehr griffige Formel, um das „Normal“einkommen = Solleinkommen = Gleichgewichtseinkommen zu definieren: es ist das Unternehmereinkommen, das entsteht, wenn die Preise gleich den „Grenzkosten“ sind.
Das wären Preise, bei denen die „Grenzbetriebe“, d. h. die am schlechtesten arbeitenden Betriebe gerade noch etwas mehr als die Faktorkosten beim Verkauf erlösen. Weniger genau, aber wirklichkeitsnäher würde man definieren: die Preise entsprechen den Grenzkosten, wenn in der Wirtschaft Ausdehnungs- und Drosselungstendenzen sich gerade kompensieren, so dass die Beschäftigung konstant bleiben kann.
Weiter hier mit Teil 3.
Auszug aus einem Vortrag von Wilhelm Lautenbach vom 28. Oktober 1937, gehalten im „Verein zur Beförderung des Gewerbefleißes von 1821“ – aus altdeutscher Schrift übertragen durch C.G.BRANDSTETTER.