Wilhelm Lautenbach: Kapitalbildung und Sparen – Teil 3

Fortsetzung von Teil 2:

Unter welchen Bedingungen wird nun das in einer Periode hergestellte Verbrauchsgut zu Preisen abgesetzt werden können, die den Grenzkosten entsprechen?

Anteile von Faktorkosten, Abschreibungen und Unternehmergewinn an den abgesetzten Verbrauchsgütern
Zusammenhang zwischen Investition und Produktionsvolumen

Wann wird also, indem wir das vorhin [in Teil 2] gebrauchte Zahlenbeispiel wieder aufgreifen und ein Unternehmereinkommen von 21 als „normal“ postulieren, eine Verbrauchsgutmenge, deren Produktionswert 120 ist (nämlich F + A + U = 84 + 15 + 21) tatsächlich auch zu 120 abgesetzt werden?

Wir wissen, dass der größte Teil der bei der Produktion aufgewendeten Kosten Einkommen der an der Produktion direkt oder indirekt Beteiligten ist, und weiter, dass wiederum der größte Teil des Einkommens für den Verbrauch ausgegeben wird, während nur ein verhältnismäßig geringer Teil gespart wird.

Wir wissen auch, dass von dem Einkommen aus unselbständiger Arbeit verhältnismäßig wenig gespart wird, weil der größte Teil des Einkommens zur Deckung des Lebensbedarfs erforderlich ist, während von dem Unternehmereinkommen ein verhältnismäßig geringer Teil für den Verbrauch ausgegeben wird.

Wie es sich auch immer im einzelnen verhalten mag, gewiß ist folgendes: Die Nachfrage nach Verbrauchsgütern, die durch die Produktion von Verbrauchsgütern unmittelbar selbst ins Leben gerufen wird, ist unter Umständen geringer, und zwar nicht unerheblich geringer als der Gesamtkostenaufwand.

In dem [obigen] Diagramm ist das Verbrauchseinkommen, das bei der Herstellung von Verbrauchsgütern selbst erzeugt wird und als Nachfrage von Verbrauchsgütern an den Markt kommt, in der zweiten Säule schwarz ausgefüllt und schematisch mit etwa drei Vierteln des Kostenwertes der hergestellten Verbrauchsgüter angesetzt worden, also mit 90, wobei wir annehmen können, dass etwa 80 jenem Einkommen entstammen, das durch Faktorkosten gebildet wird, und 10 aus Unternehmereinkommen.

Von dem den Faktorkosten entsprechenden Einkommen, das schematisch mit 84 angenommen wurde, wären also 4 gespart worden (Nettoersparnis der Nichtunternehmer), und von dem Unternehmereinkommen würden 11 gespart werden, vorausgesetzt, dass das Produkt zu den kalkulierten Preisen von 120 abgesetzt wird. Damit aber dieser Gesamterlös erzielt wird, fehlt uns noch eine Nachfrage von 30, da durch die Verbrauchsgüterproduktion selbst nur eine Nachfrage von 90 entsteht.

Diese Nachfrage von 30 wäre dann zu erwarten, wenn außer den an die Verbraucher abgesetzten Gütern noch andere Güter hergestellt würden, die nicht für den Verbrauch bestimmt sind, also Investitionsgüter, und zwar in einem ganz bestimmten Quantum. Wenn die Investitionsgüter hergestellt werden, entsteht natürlich genau in der gleichen Weise Einkommen, wie wenn Verbrauchsgüter hergestellt werden.

Freilich ist an sich nicht notwendig, dass sich dabei die Kosten genau in der gleichen Weise aufgliedern wie bei der Herstellung von Verbrauchsgütern und ebensowenig, dass das bei der Erzeugung von Investitionsgütern erzeugte Verbrauchseinkommen genau die gleiche Quote ausmacht wie bei der Herstellung von Verbrauchsgütern.

Auf der anderen Seite liegt aber auch kein Grund vor, mit starken Abweichungen zu rechnen, und da es im Augenblick nur darauf ankommt, den Sachverhalt schematisch dazustellen und das Grundprinzip herauszuarbeiten, so dürfen wir zur Vereinfachung annehmen, dass bei der Herstellung von Investitionsgütern im Grunde genommen die Verhältnisse in jeder Beziehung denen der Verbrauchsgütererzeugung ähnlich seien, dass wenigstens die Verbrauchsquote (q), d. h. das Verhältnis von Verbrauchseinkommen zu Gesamtkostenaufwand, die gleiche sei wie in der Verbrauchsgüterproduktion.

Dann aber wäre eine Investition im Kostenaufwand von 40 notwendig, um jenes Verbrauchseinkommen im Betrage von 30 zu erzeugen, das die Nachfragelücke schließt, die Gesamtnachfrage nach Verbrauchsgütern also auf 120 bringt. Im Diagramm ist dies durch das kleine Säulenpaar dargestellt: Die rechte kleine Säule (J) entspricht der linken großen Säule (V): Sie zeigt die Menge der hergestellten Investitionsgüter, gemessen und aufgegliedert nach den aufgewendeten ursprünglichen Kosten; das dabei gebildete Verbrauchseinkommen ist in der anderen kleinen Säule schwarz ausgefüllt und füllt, wie zu sehen ist, genau die Lücke von 30 aus, die in der großen Säule daneben noch geblieben ist.

Würde weniger investiert werden, nehmen wir an 20, dann entstünde hierbei, gleichbleibende Verbrauchsquote vorausgesetzt, ein Verbrauchseinkommen von 15, und die Gesamtnachfrage nach Verbrauchsgütern wäre 90 + 15 =105. Unter diesen Umständen würden die Preise der Verbrauchsgüter scharf zurückgehen, und die Produktion würde infolgedessen stark gedrosselt werden.

Umgekehrt würde, wenn beispielsweise Investitionen mit einem Kostenaufwand von 60 vorgenommen würden, das hieraus resultierende Verbrauchseinkommen 45 betragen, die Nachfrage nach Verbrauchsgütern demzufolge 90 + 45 = 135, d. h. die Preise würden steigen und die Produktion mächtig angeregt und ausgedehnt werden.

Das Zahlenbeispiel soll selbstverständlich nur den Sachverhalt verdeutlichen, die Beziehungen greifbar machen. Wenn dabei eine Verbrauchsquote von drei Vierteln angenommen wird, so ist das willkürlich. Um die Bedingungen des wirtschaftlichen Gleichgewichts zu verstehen – denn um nichts anderes handelt es sich hier –, braucht man aber auch nicht zu wissen, wie hoch denn nun tatsächlich die Verbrauchsquote sei.

Es genügt vollständig zu wissen, dass sie ein wirksamer Faktor ist. Zu beobachten ist jedoch, dass die Verbrauchsquote sehr stark schwankt. Sie steigt, d. h. es wird verhältnismäßig weniger gespart, wenn Produktion und Beschäftigung zurückgehen, und nimmt ab, also es wird verhältnismäßig mehr gespart, wenn Produktion und Beschäftigung steigen.

Weiter hier demnächst mit Teil 4.

Auszug aus einem Vortrag von Wilhelm Lautenbach vom 28. Oktober 1937, gehalten im „Verein zur Beförderung des Gewerbefleißes von 1821“ – aus altdeutscher Schrift übertragen durch C.G.BRANDSTETTER.