Warum man niemals ein Angebots- und Nachfrage-Diagramm auf die Arbeitsmärkte anwenden sollte

Ein Standard-Angebots(Supply=S)- und Nachfrage(Demand=D)-Diagramm für einen beliebigen Arbeitsmarkt könnte so aussehen:

Gleichgewichtspreis
Ein in der Volkswirtschaftslehre übliches Marktdiagramm

Es ist dabei üblich, W (= die Lohnhöhe) auf der Preisachse und N (= Anzahl der Arbeiter) auf der Mengenachse zu verwenden. Das Gleichgewicht soll an dem Punkt auf der Achse W auftreten, wo die gelieferte Menge gleich der geforderten Menge ist.

Von da aus könnte man dann gesetzliche Mindestlöhne einführen oder Arbeitsplätze analysieren, die mit unterschiedlichen nicht-finanziellen Vorteilen oder Kosten verbunden sind usw. Die Standard-Schlussfolgerung ist aber eigentlich immer die, dass freie Märkte am besten seien.

Doch halten wir hier mal einen Moment inne. S und D sagen nichts darüber aus, wie viele Arbeitnehmer tatsächlich eine Anstellung haben oder wie viele Arbeitsplätze wirklich besetzt sind – es handelt sich dabei lediglich um reine Angebots-Kurven. Die S-Kurve gibt an, wie viele Arbeiter bereit wären, einen Job zu verschiedenen Löhnen zu akzeptieren, und die D-Kurve gibt an, wie viele Arbeitsplätze ihnen zur Verfügung gestellt würden. Das ist nicht das gleiche wie bestehende Beschäftigungsverhältnisse.

Man befände sich stattdessen in einer theoretischen Welt, in der die Arbeitsmärkte nach einem beidseitig unmittelbar übereinstimmenden Algorithmus funktionieren würden, ähnlich wie dem von Google, der auch ohne menschliche Eingriffe in jedem Stadium des Prozesses auskommt. In einer solchen Welt würden alle Angebote in einen digitalen Trichter geworfen, und alle, die durch den von Dritten designten Algorithmus als akzeptabel betrachtet werden, würden sofort angenommen. Vielleicht nicht direkt so wie bei Google, sondern eher wie bei Priceline oder Check24.

Aber das ist nicht die Welt, in der wir tatsächlich leben. Das Finden von Stellenangeboten und Bewerbern ist vor allem zufällig und zeitraubend. Bewerber und Arbeitsplätze unterscheiden sich in vielen verschiedenen, teils obskuren, subtilen, jedoch möglicherweise entscheidenden Details.

Niemand würde es wirklich wollen, dass ein Algorithmus diese Entscheidungen allein trifft. Und so würden dann auch nur einige wenige Jobsuchende, die ihre Arbeit sogar zu so etwas wie einem Gleichgewichtslohn anbieten, auch tatsächlich eingestellt, und nur einige offene Stellen, auf die sich Arbeitnehmer freiwillig bewerben, werden auch wirklich ausgefüllt.

Bei der Messung von Arbeitslosigkeit und Stellenvakanzen wie etwa durch JOLTS (US-Umfrage zu Stellenangeboten und Arbeitsplatzfluktuationen) sehen wir keine Angebote, sondern nur Veränderungen in der tatsächlichen Beschäftigung und Arbeitslosigkeit.

Lassen Sie uns daher das Diagramm neu zeichnen.

Links von N*, dem Gleichgewicht von Beschäftigungsangeboten und Lohnforderungen, finden wir jetzt N**, die Anzahl der Arbeiter, deren Angebote tatsächlich angenommen wurden und die nun auch tatsächlich „im Job“ sind. Diese kleine Reflexion sollte ausreichen, um zu zeigen, dass S & D eine miserable Methode darstellt, um diese Differenzierung zu veranschaulichen.

Zunächst einmal, was bestimmt diese Lücke zwischen dem Wunsch zu arbeiten (oder einen Job auszufüllen) und der tatsächlichen Arbeitsaufnahme? Was sagt Ihnen dieses Instrumentarium über N*-N**? Nichts. Es ist nicht dazu gemacht, um diese Frage zu beantworten, und das tut es dann auch logischerweise nicht.

Doch es kommt noch schlimmer. Dieses Diagramm zeigt an, dass N*-N** auf beiden Seiten des Marktes gleich ist: Die Zahl der Arbeitnehmer, die nach Arbeit Ausschau halten, entspricht genau der Anzahl der Jobs, die Arbeitswillige suchen.

Aber warum sollten wir das so erwarten? Welchen Grund gibt es anzunehmen, dass es für Arbeiter gleichermaßen leicht sein soll, Jobs zu finden, wie Arbeitsplätze von Arbeitnehmern besetzt werden? Im Gegenteil, das Verhältnis der Erwerbslosen zu den Stellenangeboten ist noch nie auf 1:1 gefallen, zumindest seit wir JOLTS haben, um uns darüber zu informieren.

S & D stellt schlicht und einfach das falsche Modell dar, da es nicht zwischen Angeboten und Transaktionen unterscheiden kann. Glücklicherweise gibt es ein besseres Modell da draußen, die Suchtheorie, mit recht einfachen Impulsen und jede Menge verfügbarer Daten.

Jeder, der mit einem S & D-Modell Forderungen an die Arbeitsmärkte stellt, zeigt damit lediglich nur, dass er weniger von Ökonomie versteht als er meint.

(eigene Übersetzung eines Blogbeitrages des amerikanischen Ökonomen Peter Dorman)

PS: Es ist ja schön und gut, dass Peter Dorman hier die Verwendung eines Angebots- und Nachfrage-Diagramms kritisiert, doch er stellt es nicht generell in Frage und verbleibt damit letztlich immer noch auf der neoliberalen Mikro-Ebene. Fundamentalere Kritik an der fehlerhaften Anwendung solch einzelwirtschaftlicher Instrumente in der Makro-ökonomie gab es schon Jahrzehnte vor ihm beispielsweise von Wilhelm Lautenbach oder John Maynard Keynes.