Wilhelm Lautenbach über verstärktes „Sparen“ und seine fatalen Folgen

…Wir wollen einmal unterstellen, eine Wirtschaft befände sich auf mäßigem Beschäftigungsniveau im Gleichgewicht und nunmehr veranlasste irgendein äußerer Umstand die Angehörigen dieser Wirtschaft, sich im Verbrauch mehr zu beschränken, ohne daß sich im Warenangebot oder im Einkommen bis dahin schon etwas geändert habe.

Unterstellen wir, die Einkommenbezieher würden durch eine wirkungsvolle Propaganda veranlaßt, weniger auszugeben und mehr zu sparen! So etwas wäre zwar ein Schildbürgerstreich, aber durchaus nicht außer dem Bereich der Möglichkeit.

Denn schon oft hat man für eine depressive Lage Kapitalmangel verantwortlich gemacht und -ein fatales quid pro quo- verstärktes Sparen als Rezept zur Heilung dieses Mangels empfohlen.

Würde nun wirklich mehr gespart, so könnte auch der Beschäftigungsstand nur aufrechterhalten werden, wenn die Investition ausgedehnt würde; denn die Senkung der Verbrauchsquote bedingt eine höhere Investitionsquote und somit eine absolut höhere Investition, damit Produktion und Einkommen auf dem gleichen Stand erhalten bleiben.

Was wir hier so etwas umständlich ausdrücken, wird einfacher, und durchaus klar in diesem Falle, durch die altbekannte Formel zum Ausdruck gebracht, «wenn mehr gespart wird, kann mehr investiert werden und wird mehr investiert»; aber in dieser Form gilt sie nicht.

Die Formel drückt nur ein „Sollen“ aus, es müßte so sein, damit nicht ein höchst unerwünschter Erfolg, nämlich ein Rückgang der Produktion und der Beschäftigung eintritt.

Ob dies automatisch eintritt, hängt gerade davon ab, ob das Banksystem zweckentsprechend reagiert, billiger und mehr Kredit anbietet und zwar sehr prompt und sehr großzügig. Denn wenn die Investition nicht alsbald von der Kreditseite her etwas angeregt würde, würde sie statt zuzunehmen sogar zurückgehen:

Eine Verschlechterung der Geschäftslage der Verbrauchsgüterindustrie, die ja die erste Folge der freiwilligen Verbrauchsbeschränkung und des freiwilligen Sparens wäre, veranlaßt die Unternehmer a tempo selbst auf ihre Liquidität bedacht zu sein; das äußert sich darin, daß sie sich selbst bei allen nicht unbedingt technisch notwendigen Betriebsausgaben Reserve auferlegen, d. h. Neuinvestitionen nicht vornehmen und Ersatzinvestitionen möglichst verschieben, unter Umständen sogar die laufende Produktion einschränken.

Lautenbach: Zins, Kredit und Produktion (1952), S. 61/62