Mit dem Zusammenbruch des Börsenhandels am „Schwarzen Donnerstag“ im Oktober 1929 setzte in den USA auch ein massiver Rückgang der wirtschaftlichen Produktion ein. Geschäfte und Fabriken schlossen, Banken waren zahlungsunfähig, der gewaltige Anstieg der Arbeitslosigkeit verursachte soziales Elend unbekannten Ausmaßes.
Arbeitslosigkeit in den USA von 1910 bis 1960
So begann die Weltwirtschaftskrise von 1929. Es war das Ende der „New Era“, einer Phase ökonomischen Aufschwungs in den Jahren zwischen 1924 und 1929, die allerdings auch einige enorme Übertreibungen produzierte.
Die Umsätze an der Börse verdreifachten sich in dieser Zeit, während die reale Produktion weit dahinter zurückblieb. Es waren vor allem die Spekulanten, die mittels Kreditaufnahme enorme Aktienpakete kauften und so die Kurse gewaltig steigerten. Dabei entstand eine riesige Spekulationsblase, die noch dadurch befeuert wurde, dass Kleinanleger in völliger Verkennung der tatsächlichen Lage in der Hoffnung auf ewigen Wohlstand ebenfalls mit einstiegen.
Der Boom förderte unglaubliche Übertreibungen, es entwickelte sich ein Handel mit verbrieften Krediten äußerst unsicherer Herkunft und auch die Kurse angeblich renditeträchtiger Rohstoffpapiere und auf Immobilien wurden in enorme Höhen getrieben.
Korruption, Klientelismus und Machtmissbrauch standen zusammen mit persönlicher Bereicherung zudem ganz oben auf der Agenda der Banker und Trustmanager, Bilanzen wurden gefälscht, eine funktionierende Banken- oder Börsenaufsicht gab es damals noch nicht.
Es gab aber noch andere Ursachen für den Ausbruch der Depression. So hatte die amerikanische Landwirtschaft im ersten Weltkrieg erhebliche Überschüsse für die europäischen Alliierten produziert. Nach dem Krieg brach dieser Exportmarkt weg und in den 1920er Jahren kämpften die Farmer auf den großen Plains mit erheblichen Absatzproblemen. Höfe und Ländereien wurden verpfändet und Hypotheken aufgenommen.
Doch die Rückzahlungen stockten und auch die Hypothekenbanken litten nun unter der Krise.
Ebenso erwies sich der industrielle Sektor als nicht immun gegen den Abschwung. Die extensive Rationalisierung durch die aufkommende Massenproduktion begünstigte die Unternehmensgewinne gegenüber den Löhnen und Gehältern. Die aufkommende Depression führte zu Nachfrageausfällen und sinkenden Absatzzahlen, die vorher sprudelnden Investitionen trockneten aus und Preissenkungen aufgrund verschärfter Konkurrenz und nachlassendem Konsum führten in die Abwärtsspirale der Deflation.
1933 war die gesellschaftliche Lage in den USA nur noch katastrophal zu nennen: das reale BIP war um 26 % geschrumpft, die Arbeitslosenquote auf 25 % angewachsen, das Preisniveau ebenfalls um 26 % zurückgegangen. Die reale Schuldenlast stieg dadurch enorm und trieb wiederum Unternehmen, Banken und Farmer in den Bankrott.
Der amtierende Präsident Herbert Hoover reagierte hilflos auf die Krise. Obwohl die Schlangen vor den Suppenküchen immer länger wurden und die Arbeitslosigkeit nicht zurückging, blieb Hoover bei seiner Ablehnung staatlicher Hilfen und setzte auf die Selbsterholung der Wirtschaft. Für die Erwerbslosen hatte er nur die Unterstützung öffentlicher Arbeiten ähnlich dem englischen Almosensystem des 16. Jahrhunderts übrig.
Demgegenüber glaubte sein Konkurrent, der Demokrat Franklin D. Roosevelt an die Autorität der Zentralregierung in Washington, und wollte mit ihrer Hilfe staatliche Programme zur Bekämpfung der Krise aufstellen. Ein grundlegender Kurswechsel in der Wirtschafts- und Sozialpolitik sollte den wirtschaftlichen Aufschwung wiederherstellen und den sozialen Zusammenhalt stärken.
Der Präsidentschaftswahlkampf von 1932 war daher hauptsächlich eine Debatte über die Ursachen der Wirtschaftskrise und die verschiedenen Konzepte zur Schaffung möglicher Abhilfen. Roosevelt wurde schließlich mit seinen Ideen für mehr soziale Gerechtigkeit und größerer Marktregulierung, die er „New Deal“ nannte, gewählt.
Dieser Begriff ging auf den Titel eines damals sehr erfolgreichen Buches von Stuart Chase zurück, das erstmals 1931 erschien. Darin wurde die Krise als eine Distributionskrise erklärt, weil es nicht genug Kaufkraft gäbe, um die Überschussproduktion sinnvoll anwenden zu können. Nach Chase hielten die Einkommen der Massen nicht mit der industriellen Erzeugung Schritt, so dass es zu immer wiederkehrenden Konjunktureinbrüchen kommen müsse.
Die Maßnahmen des New Deal sollten vor allem das Vertrauen in Politik und Wirtschaft wiederherstellen und so mithelfen, die verheerenden Folgen der Weltwirtschaftskrise zu überwinden. Roosevelt war der Überzeugung, dass der Staat immer dann eingreifen sollte, wenn es im öffentlichen Interesse als notwendig angesehen wurde. Deutlich höhere Steuern, aber auch eine Umverteilung der Kaufkraft zugunsten von Arbeit und Industrie hielt er dabei für vorrangig:
Was auch immer wir tun, um unserer maroden Wirtschaftsordnung Leben einzuhauchen, wir können dies nicht längerfristig erreichen, solange wir nicht eine sinnvollere, weniger ungleiche Verteilung des Nationaleinkommens erreichen…
die Entlohnung für die Arbeit eines Tages muss – im Durchschnitt – höher sein als jetzt, und der Gewinn aus Vermögen, insbesondere spekulativ angelegtem Vermögen, muss niedriger sein.
– Franklin D. RooseveltThe New Deal: America’s Response to the Great Depression (Problems in American History), John Wiley & Sons, 2000, S. 55
Bis heute umstritten ist dabei die Frage, ob der New Deal eher als eine Abfolge von ökonomischen Experimenten oder aber als ein von vornherein festgelegter Ablaufplan bestimmter Maßnahmen angesehen werden kann. Wenn Roosevelt einer klaren Linie folgte, so muss man annehmen, dass es sich dabei um die Verfolgung eines bestimmten Ziels über einen längeren Zeitraum unter besonderer Berücksichtigung des politisch Machbaren handelte.
Denn nur so wird die Zweiteilung der Maßnahmen, die man heute als „First“ und „Second New Deal“ bezeichnet, verständlich. Widerstände aus Politik und Wirtschaft machten Nachjustierungen und Verfeinerungen notwendig und führten zu unterschiedlichen Handlungen der Regierung gegenüber Geschäftsleuten und Gewerkschaften, aber auch zu einem Wandel in der Außenpolitik.
Der New Deal hatte also zunächst nicht viel mit einer Erhöhung der Staatsausgaben zu tun. Wie schon sein Vorgänger Hoover wollte auch Roosevelt das Ziel eines ausgeglichenen Haushaltes vorerst nicht aufgeben. Es ging immer zuerst um eine Lösung der Krise, also um einen dritten Weg, der weder sozialistisch noch faschistisch ausfallen sollte, sondern ein demokratischer amerikanischer Weg werden sollte.
In der ersten Phase (New Deal One 1933/34) konzentrierte sich Roosevelt auf drei Aktivitätsfelder:
Erstens, die sozial-psychologischen Aspekte der Depression, also die Bekämpfung von Mutlosigkeit und Verzweiflung. Zweitens, die strikte Regulierung des Finanzsektors und damit der konsequente Kampf gegen die „Praktiken der skrupellosen Geldwechsler“.
Drittens, die Belebung der Wirtschaft, insbesondere durch Schaffung von Jobs sowie durch Bekämpfung von Deflation, Zwangsvollstreckungen in der Landwirtschaft, weiteren Kündigungen und zunehmender Wohnungslosigkeit.
Roosevelt war damals klar, dass in allen drei Bereichen gleichzeitig und energisch gehandelt werden musste, damit sich die Maßnahmen wechselseitig verstärken konnten und so gemeinsam zum Erreichen der drei Teilziele beitragen sollten.
Warum der erste New Deal scheiterte und es 1934 erneut zu einem Einbruch bei Produktion, Beschäftigung und Löhnen kam, ist Thema von Teil 2 dieser Serie.