Schalke 04 nach der Trainerentlassung: die Null muss wieder stehen?

Das war ja klar, dass das so kommen musste: Kaum hatte ich mich dazu entschlossen, mir in den Oktober-Ferien eine Auszeit von meinem Blog zu nehmen, feuerte Schalke 04 nach der Niederlage in Hoffenheim (endlich) Trainer Jens Keller.

Roberto Di Matteo, Stamford Bridge, Chelsea September 2012

Da hoffte ich also vergebens darauf, dass es in Hoffenheim schon irgendwie laufen würde und man aufgrund der größeren individuellen Fähigkeiten die Punkte mitnehmen könnte, und ich damit tatsächlich nicht allzu viel verpassen würde.

Und dann das: Wie in den Auswärtsspielen seit Saisonbeginn zeigte die Mannschaft keinerlei Lerneffekt und leistete sich die alten Fehler, während Markus Gisdol und die TSG durch geschickte Spielweise gerade davon profitieren konnten.

Schalkes Trainer Jens Keller dagegen wirkte ein weiteres Mal völlig hilflos und überfordert, während seine Mannen dank der schlechten Hoffenheimer Chancenauswertung (und einem wie gewohnt hervorragenden Keeper Ralf Fährmann) mit dem 1:2 noch gut davon kamen.

Danach war eigentlich klar, dass etwas passieren musste. Der Nimbus des Derby-Sieges in kürzester Zeit verspielt, nach der Länderspielpause die englischen Wochen mit den beiden Champions-League-Duellen gegen Sporting Lissabon vor der Brust: Konnte das mit Keller noch gut gehen?

Der Vorstand um Clemens Tönnies und Manager Horst Heldt entschied sich schließlich gegen den bisherigen Coach. Das Vertrauen darauf, dass Keller sich auch jetzt wieder irgendwie aus der sich immer enger zuziehenden Schlinge würde befreien können, war wohl endgültig aufgebraucht.

Heldt zauberte den Italo-Schweizer Roberto Di Matteo aus dem Hut, immerhin schon Königsklassen-Gewinner mit Chelsea. Wirklich überraschend war daran allerdings nur, dass nicht der Name Thomas Tuchel fiel, während Di Matteo bereits vor zwei Jahren schon einmal kurzfristig als neuer Schalker Trainer im Gespräch war.

Warum und weshalb nun Tuchel nicht in Schalke anheuern wollte, konnte oder durfte, soll hier nicht weiter Thema sein. Jetzt also Di Matteo, der personifizierte Bayern-Schreck, der ihnen 2012 das Finale „Dahoam“ gehörig vermieste.

Der Schweizer versprach nach der ersten Video-Analyse denn auch eine Verstärkung der Defensive, bevor er sich weiter um das kultivierte Spiel nach vorn kümmern könne. Die erste Woche auf Schalke zeigte dann auch einen engagierten Coach, der im Gegensatz zu seinem Vorgänger bei den Trainingseinheiten stets im Mittelpunkt des Geschehens stand.

Ob und was er allerdings nun wirklich besser oder anders macht als Jens Keller, darüber sollte man aber erst in ein paar Wochen urteilen. Sicherlich ist ein solcher Trainerwechsel meist eine Art Initialzündung für den entsprechenden Verein, alte eingefahrene Seilschaften in der Kabine lösen sich möglicherweise auf, längst abgeschriebene Spieler wittern wieder Morgenluft, ja selbst der Busfahrer muss beim Training mit ran.

Der frische Wind sorgte denn auch gleich für den ersten Erfolg in der Nach-Keller-Ära, wenn er auch noch etwas muffelig daherkam. Mit einer seinem Ruf entsprechenden Defensivausrichtung überließ Di Matteos S04 der Berliner Hertha weitestgehend die Initiative und suchte in eigenem Stadion nach Konterchancen.

Und da beide Viererketten der Blauen (Uchida-Ayhan-Höwedes-Fuchs und Choupo-Moting-Aogo-Neustädter-Draxler) sehr tief standen, entwickelte sich ein eher unspektakuläres Fußballspiel, weil auch die Hauptstadt-Mannschaft von Trainer Jos Luhukay mit ihrem Ballbesitz nur bis zum gegnerischen Strafraum etwas Sinnvolles anfangen konnte.

Dass die Schalker dann letztlich doch noch als Sieger vom Platz gehen konnten, hatten sie einer alten Stärke zu verdanken, die auch schon Jens Keller des Öfteren vor größerem Ungemach bewahrt hatte: den individuellen Fähigkeiten ihrer Offensivspieler. Diesmal waren es Torjäger Klaas-Jan Huntelaar und Nationalspieler Julian Draxler, die sich durchsetzen konnten und so den ersten Erfolg des neuen Trainers sicherstellten.

Angesichts von nur knapp 10 Tagen Einarbeitungszeit für den neuen Trainer sollte man aber nicht voreilig den Stab über Di Matteo brechen. Der Schweizer hat immerhin die größte Schalker Schwäche (Ballbesitzfußball mit starkem Offensivdrang ohne die nötige Absicherung) schon kurzfristig erkannt und entsprechend reagiert.

Durch das Zurücknehmen der beiden Viererketten wurde die Konteranfälligkeit wesentlich verringert, das Zentrum massiert und insgesamt mehr Sicherheit in den Abwehraktionen erreicht. Was gegen Hertha noch fehlte war eine entsprechende Absicherung auf den Außenbahnen, durch die Länderspielreisen von Uchida und Fuchs ließ sich dies aber auch nicht kurzfristig einstudieren.

Drei Tage später trübte sich das Bild gegen Sporting Lissabon in der Champions League allerdings gewaltig ein, zumindest was die defensive Ausrichtung anging. Anders als in der Finanzpolitik geriet die „schwarze Null“ nicht nur gehörig ins Wanken, sondern sie krachte ziemlich geräuschvoll vom Sockel.

Eine Unachtsamkeit von Huntelaar und Fährmann, dem der Mittelstürmer die Sicht auf den von Nani eher verstolperten denn geschossenen Ball nahm, sorgte nach einer Viertelstunde bereits für die etwas überraschende Führung der Portugiesen.

Und auch der beim Stande von 3:1 von Kaan Ayhan verursachte Elfmeter fiel in die Kategorie völlig unnötig, beendete er doch eine beeindruckende Aufholjagd, mit der die Schalker erstmals in dieser Saison einen Rückstand drehen konnten und eigentlich auf dem besten Weg zu einem ungefährdeten Erfolg schienen.

Wenig zu meckern gab es dagegen bei der offensiven Ausrichtung. Die Mannschaft zeigte eine eindeutige Reaktion auf das frühe Tor der Lissabonner und belegte damit, dass ein Trainerwechsel in der Regel tatsächlich positive Auswirkungen auf ein verunsichertes Team haben kann.

Das es dann doch hier und da mal nicht zusammenpasste, einige Spieler nicht ganz auf der Höhe waren und man zeitweilig meinte, es säße doch noch Jens Keller auf der Trainerbank, kann man wohl getrost als Übergangseffekte abhaken. Es wird wohl noch ein wenig dauern, bis die Mannschaft das Konzept des Italo-Schweizers ganz verinnerlicht haben wird.

Zudem bewies Roberto Di Matteo ein glückliches Händchen, als er Chinedu Obasi überraschend von Anfang an für Choupo-Moting brachte, und ihm dieser das gewährte Vertrauen mit einem Tor und einer glänzenden Vorarbeit beim Huntelaar-Treffer zurückzahlte. Zudem holte der Nigerianer auch noch den Freistoß heraus, durch den Benedikt Höwedes zum dritten Schalker Torerfolg einnetzte.

Am Ende half dann Fortuna noch einmal kräftig mit, die Strafstoß-Entscheidung des russischen Schiedsrichters wegen angeblichen Handspiels war dann doch ziemlich fragwürdig.

Aber was soll’s, mit zwei Siegen kann Di Matteo einen durchaus gelungenen Einstand auf Schalke feiern, ohne allerdings dabei nicht zu vergessen, auf die diversen Schwächen der Blau-Weißen hinzuweisen. Doch wer von einem neuen Trainer verlangt, innerhalb von zwei Wochen alle Unzulänglichkeiten abzustellen, was seinem Vorgänger in fast zwei Jahren nicht gelungen war, dem ist eh nicht mehr zu helfen.

Geben wir Roberto Di Matteo also die nötige Zeit, um seine Handschrift gegenüber der Mannschaft zu entwickeln und sein System aufzubauen. In Leverkusen können die Schalker dann zeigen, ob auch kurzfristig schon Verbesserungen möglich sind.