Mythos New Deal – Teil 2: Das Scheitern des ersten Versuchs

Das Ergebnis der Präsidentschaftswahl in den Vereinigten Staaten 1932 veränderte die Vorgehensweise der amerikanischen Regierung gegen die Auswirkungen der Weltwirtschaftskrise drastisch.

FDR Inauguration 1933
Herbert Hoover (links) und Franklin D. Roosevelt (rechts) auf dem Weg zum Kapitol
zur Amtseinführung Roosevelts am 4. März 1933

Mit dem Sieg von Franklin D. Roosevelt wurde der bisherigen abwartenden Haltung seines Vorgängers Herbert Hoover eine klare Absage erteilt.

Roosevelt wählte mit seinem New Deal eine andere, viel aktivere Politik, um die gesellschaftliche Depression und die katastrophale wirtschaftliche Lage zu bekämpfen. Dies kam auch in seiner Inaugurationsrede vom 4. März 1933 klar zum Ausdruck:


So lassen Sie mich denn als Allererstes meine feste Überzeugung bekunden, dass das Einzige, was wir zu fürchten haben, die Furcht selbst ist – die namenlose, blinde, sinnlose Angst, die die Anstrengungen lähmt, deren es bedarf, um den Rückzug in einen Vormarsch umzuwandeln.

Und so kündigte der neue Präsident ein rasches und entschlossenes Handeln an, um neben einem veränderten Denken mit zügigen Wirtschafts- und Sozialreformen in bis dahin nicht gekanntem Ausmaß die allgemeine Lage zu verbessern:


Zu dieser Erneuerung bedarf es jedoch nicht nur einer ethischen Wandlung. Unsere Nation verlangt Taten, und zwar sofortige Taten.
Unsere größte und vordringlichste Aufgabe besteht darin, den Menschen Arbeit zu verschaffen.

Dieser Ankündigung ließ Roosevelt zügig Tatsachen folgen. Mit seinem 100-Tage-Programm ab dem 9. März 1933 brachte er den First New Deal auf den Weg, der 1933/34 die dringlichsten wirtschaftlichen und sozialen Probleme der krisengeschüttelten US-Ökonomie beseitigen sollte.

Dabei ging es vor allem um Maßnahmen, die in den Bankensektor, den Industriellen Sektor und die Landwirtschaft eingriffen.

Regulierung des Finanzsektors
Nach Roosevelts Ansicht war die Finanzspekulation eine der Hauptursachen für die Nachfrage-schwäche, und so galten seine ersten Schritte der Stabilisierung des finanziellen Sektors, um so weitere große volkswirtschaftliche Schäden durch die Wetten der „Finanzalchemisten“ und Zocker zu verhindern.

Schließlich bedürfen wir, um Fortschritte in der Arbeitsbeschaffung zu erzielen, zweier Schutzvorrichtungen gegen das Wiederauftreten alter Missstände: Es muss eine strenge Überwachung aller Bankgeschäfte, Kredite und Investitionen eingerichtet werden, um den Spekulationsgeschäften mit anderer Leute Geld ein Ende zu machen, und es muss Vorsorge für eine angemessene und gesunde Währung getroffen werden.

Da viele Bankkunden monatelang Gelder von ihren Konten bei den Finanzinstituten abgezogen hatten, ordnete der Präsident vier sogenannte Bankfeiertage an, um mittels zwangsweiser Offenlegung ihrer Bilanzen die Bonität aller Banken zu überprüfen.

Vor der Wiedereröffnung nach vier Tagen richtete Roosevelt erstmals eine seiner legendären Radioansprachen (die sogenannten „firesite Chats“) an die Amerikaner. Er erläuterte seine Beweggründe für die Notwendigkeit der Bankferien und konnte so das Vertrauen der Menschen in das System verstärken. Als nahezu 70 Prozent der Banken wieder öffneten, flossen fast 1 Milliarde Dollar zurück in die Tresore der Institute.

Raymond Moley, einer von Roosevelts Beratern, prägte diese dramatische Phase später mit dem Ausspruch: „In acht Tagen wurde der Kapitalismus gerettet“.

Während dieser Zeit trat der Banking Emergency Act in Kraft, der neben der Offenlegung der Bankbilanzen auch die Loslösung des Dollars vom Goldstandard regelte. Im Juni 1933 folgte der zweite Glass-Steagall Act, mit dem erstmals eine klare Trennung von Investmentbanken und Depositen- (Einlagen- und Kredit-)banken vorgenommen wurde. Durch ihn wurde auch eine allgemeine Einlagensicherung für Spareinlagen bis 2.500 $ eingeführt.

1934 schuf man dann mit dem Securities and Exchange Act eine allgemeine Börsenaufsicht, die SEC. Sie sollte exzessive Spekulation und Preismanipulationen an der Börse unterbinden und als Aufsichtsbehörde für die Einhaltung börsenrechtlicher Vorschriften sorgen.

Diese Maßnahmen bewirkten zusammen mit der beharrlichen Aufklärungsarbeit des früheren New Yorker Staatsanwalts Ferdinand Pecora eine erhebliche Schwächung des Einflusses der Wall Street auf die amerikanische Politik. Ihre Wirkung hielt über Jahrzehnte an und verhinderte so lange Zeit weitere Bankenskandale.

Doch auch diese Gesetze wiesen noch Unzulänglichkeiten auf, so waren Holdings, mit denen Investmentbanken weiterhin Anteile an Geschäftsbanken halten konnten, zunächst nicht verboten.

Maßnahmen zur Wiederbelebung der Wirtschaft
Wie in der Rede zu seiner Amtseinführung angekündigt sollte die rasche Absenkung der Arbeitslosigkeit eines der wichtigsten Anliegen Roosevelts werden, um eine Veränderung der gesellschaftlichen Befindlichkeiten und einen anhaltenden Konjunkturaufschwung herbeizuführen.

Weiterhin strebte er eine bessere Zusammenarbeit und Kooperation von Unternehmen und Gewerkschaften an und forcierte öffentliche Investitionen für Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen und die Verbesserung der Lage der überschuldeten Farmer und sonstigen Haushalte.

So wurde Ende März 1933 das Civilian Conservation Corps (CCC) gegründet, mit dem jungen Arbeitslosen bis zu 6 Monaten Beschäftigung an Projekten der öffentlichen Infrastruktur vermittelt werden konnte. Bis zum Beginn des Zweiten Weltkrieges durchliefen mehr als 3 Millionen junge Erwachsene die verschiedenen Programme des CCC, die zwar nur gering bezahlt wurden aber für eine erhebliche Verbesserung der gesellschaftlichen Grundstimmung in den USA sorgten.

Von Anfang an heftig umstritten war der im Juni 1933 erlassene National Industrial Recovery Act (NIRA), der maßgeblich von den Interessenverbänden von Handel und Industrie beeinflusst und entwickelt worden war. Damit sollte die Zulässigkeit von Kartellen und Monopolen dem Unternehmenssektor einen „fairen“ und nicht „destruktiven“ Wettbewerb garantieren. Weiterhin wurden Ausnahmen von den gefürchteten Anti-Trust-Regelungen und die Bildung von Betriebsgewerkschaften vereinbart.

Roosevelts eigene Berater konnten immerhin auch Mindeststandards für Arbeitnehmer wie Mindestlöhne und das Verbot von Kinderarbeit mit in dieses Gesetz einbringen.

Aufgrund der erheblichen Anzahl an planwirtschaftlichen und zentralistischen Elementen erklärte der oberste Gerichtshof der USA den NIRA noch vor Ablauf seiner zweijährigen Gültigkeitsfrist im Mai 1935 für verfassungswidrig.

Erhalten blieb allerdings die mit diesem Gesetz geschaffene Public Works Administration (PWA), die öffentliche Investitionen insbesondere in den unterentwickelten Regionen der Vereinigten Staaten finanzierte. Bekannte Beispiele solcher Infrastrukturmaßnahmen waren der Bau des Bonneville Dams in Oregon und die Tennessee Valley Authority, die bis zum heutigen Tage als einer der größten Energieversorger der USA zahlreiche Kraftwerke und Talsperren des Tennessee Rivers betreibt.

Ihre Nachfolgerin, die Works Progress Administration (WPA), führte 1935 die Aufgabe als Förderin öffentlicher Beschäftigungs- und Infrastrukturprojekte fort. Schulen, Krankenhäuser und Straßen sowie Großprojekte wie der New Yorker La-Guardia-Flughafen, die Lincoln-Bridge, das Griffith-Observatorium in Los Angeles und der Overseas Highway nach Key West wurden unter der Regie der WPA fertiggestellt.

Hilfen für die Landwirtschaft
Auch die meisten Farmer in den USA waren von den Auswirkungen der Weltwirtschaftskrise schwer mitgenommen worden und konnten häufig ihre Kreditzinsen nicht mehr bezahlen. Zusätzlich wurden die Great Plains bis 1938 auch noch von verheerenden Staubstürmen (Dust Bowl) heimgesucht, die für jahrelange Dürren sorgten und etlichen Landwirten die Existenz raubten.

Die Regierung kam den Bauern am 12. Mai 1933 mit dem Agricultural Adjustment Act (AAA) zur Hilfe, mit dem vor allem die Produktion gedrosselt werden sollte, um den Preisverfall für Agrargüter zu stoppen.

Die Schuldenkrise der Farmer wurde mit dem Emergency Farm Mortgage Act bekämpft, durch den die Umschuldung in längere und zinsgünstigere Kredite erheblich erleichtert werden konnte.

Das Scheitern des ersten New Deal
Nach anfänglichen Erfolgen, die Produktion insgesamt konnte etwas gesteigert werden, die Agrarpreise stiegen ebenso wie die Industriepreise, die Löhne und die Beschäftigung, ging dieser kleine Aufschwung im Mai 1934 schon wieder zu Ende.

Die Arbeitslosigkeit kehrte wieder zurück, während die Preise in der Industrie weiter expandierten, die Löhne und Gehälter dagegen sanken. Es stellte sich heraus, dass der kurze Boom lediglich auf Spekulation beruhte, während die Kaufkraft der breiten Massen immer noch weit hinter der Produktion zurücklag.

Viele Maßnahmen des New Deals, wie etwa die bevorzugte Behandlung der Unternehmen durch den NIRA, hatten zu höheren Preisen bei gleichzeitiger Begrenzung der Erzeugung geführt, während die Löhne und Gehälter dagegen weiterhin stagnierten.

In dieser ersten Phase des New Deal hatten sich vor allem die Konzerne und großen Firmen mit ihren Interessen durchsetzen können, kleine Geschäftsleute und die Beschäftigten blieben weitestgehend ungehört.

Unabhängige Gewerkschaften wurden von den Unternehmen als Verhandlungspartner abgelehnt und durch eigene Betriebsgewerkschaften ersetzt. Die Arbeiter antworteten mit einer Welle von Streiks, als bekannt wurde, dass die Löhne 1934 weit unter das Niveau von 1926 gefallen waren, während die Gewinne und Dividenden um 150 % zugenommen hatten.

Roosevelts Politik, beeinflusst von den Interessenverbänden der Großindustriellen und der Finanzwirtschaft, hatte zwar die akuten Gefahren der Wirtschaftskrise beseitigen können, doch ohne eine entscheidende Verbesserung der Nachfrage besonders durch die sogenannten „kleinen Leute“ blieb sie auf reine Angebotspolitik beschränkt, die aber allein keinen Konjunkturaufschwung herbeiführen konnte.

Daraufhin begann der Präsident die Unternehmen zu Einstellungen und zur Zahlung höherer Löhne zu drängen, um die allgemeine Kaufkraft anzuheben. Die großen Konzerne aber reagierten darauf mit großangelegten Propagandaaktionen, in denen sie die Politik Roosevelts als „sozialistisch“ brandmarkten und ihm „Radikalismus“ vorwarfen.

Nach den Kongresswahlen im November 1934, bei denen die Arbeitnehmer und Landwirte dem demokratischen Staatsoberhaupt und seiner Partei treu blieben, während die von den Wirtschaftskapitänen dominierten Republikaner eine schwere Niederlage hinnehmen mussten, begann Roosevelt umzudenken.

Ohne mehr soziale Gerechtigkeit und einer entscheidenden Stärkung der Massenkaufkraft vor allem durch die Erweiterung der Rechte unabhängiger Gewerkschaften würden die USA das „Tal der Tränen“ der andauernden wirtschaftlichen Depression wohl nicht verlassen können.

So startete Roosevelt im Januar 1935 den Second New Deal, der die Verwirrungen der bisherigen Politik beenden und durch die Einführung eines Sozialstaats und die Stärkung der Arbeitnehmerrechte endgültig die wirtschaftliche Erholung einläuten sollte.