History: Unternehmenskonzentration und stagnierende Löhne

Aus dem NBER Digest von 2018: „Zwei Studien deuten darauf hin, dass ein Anstieg der Monopson-Macht der Arbeitgeber mit niedrigeren Löhnen verbunden ist.“

W24307
Unternehmenskonzentration in den USA von 1977-2009

Stagnierende Löhne und ein rückläufiger Anteil des Arbeitseinkommens am BIP in den letzten Jahr-zehnten haben eine Reihe von möglichen Erklärungen hervorgebracht. Dazu gehören Outsourcing, ausländische Konkurrenz, Automatisierung und der Niedergang der Gewerkschaften.

Zwei neue Studien konzentrierten sich damals auf einen weiteren Faktor, der die relative Verhandlungs-position von Arbeitnehmern und Unternehmen beeinflusst haben könnte: die Dominanz der Arbeitgeber auf den lokalen Arbeitsmärkten.

Eine Arbeit zeigte, dass sich das Lohnwachstum verlangsamt hatte, als die industrielle Konsolidierung in den letzten 40 Jahren zunahm; die andere wies nach, dass auf vielen Arbeitsmärkten im ganzen Land kaum Konkurrenz um die Beschäftigten in bestimmten Tätigkeitsbereichen herrschte.

In „Starke Arbeitgeber und schwachen Arbeitnehmer: Wie wirkt sich die Konzentration der Unternehmen auf die Löhne aus?“ (NBER Working Paper Nr. 24307) analysierten Efraim Benmelech, Nittai Bergman und Hyunseob Kim für die Zeit von 1977 bis 2009 landesweite Volkszählungsdaten über Industrie-unternehmen, um die Auswirkungen der Konzentration der Arbeitgeber auf die Löhne in den lokalen Arbeitsmärkten zu untersuchen. Durch die Konzentration auf Betriebe in der Produktion waren sie in der Lage, die Produktivität der Mitarbeiter direkt zu ermitteln.

Die Forscher stellten fest, dass trotz der erheblichen Unterschiede in verschiedenen Sektionen und Zeitreihen die durchschnittliche Unternehmenskonzentration zwischen 1977-81 und 2002-09 auf der Grundlage des vierstelligen Codes der Standard Industrial Classification für Industriebranchen anstieg.

Ihr Konzentrationsmaß war dabei der Herfindahl-Hirschman-Index (HHI), der als die Summe aller quadrierten Marktanteile der Wettbewerber eines Marktes bzw. eines bestimmten Wirtschaftszweigs definiert ist. Der beschäftigungsgewichtete Mittelwert dieses Indexes stieg im Untersuchungszeitraum von 0,698 auf 0,756, ein Plus von 5,8 Prozent. Vierzig Prozent der Beobachtungen bezogen sich auf Produktionsstätten in Landkreisen, die nur von wenigen Firmen beherrscht wurden.

Die Forscher fanden eine negative Beziehung zwischen Unternehmenskonzentration und Löhnen; sie war in der zweiten Hälfte der Datenerhebung doppelt so stark wie in der ersten Hälfte; Ein Anstieg des HHI um eine Standardabweichung war mit einer Lohnsenkung von 1 bis 2 Prozent verbunden.

Sie schätzten, dass ein Unternehmen, welches auf einem Arbeitsmarkt tätig war, in dem es den einzigen Arbeitgeber darstellte, die Löhne um 3,1 Prozent niedriger drücken konnte als eine Firma, die auf einem weniger konzentrierten Markt tätig war. Der größte Teil des Lohnrück-gangs trat auf, als sich die Arbeitsmärkte dem reinen Monopson-Fall näherten, nämlich der Situation, in der nur ein Unternehmen Arbeitnehmer anstellte.

Neben der Suche nach niedrigeren Löhnen in den Monopson-Märkten stellten die Forscher auch fest, dass Unternehmen, die ihre Arbeitsmärkte dominieren, im Lauf der Zeit seltener Produktivitätsgewinne mit ihren Mitarbeitern teilten. Ein Rückgang der Standardabweichung im HHI führte zu einer Erhöhung der Lohnelastizität um rund 25 Prozent von 0,38 auf 0,47. Im Verlauf des Untersuchungszeitraums stiegen dabei die US-Importe aus China.

Die Forscher fanden heraus, dass die Importkonkurrenz aus China, die mit der Schließung oder Verlagerung von Fabriken in einer Reihe von Branchen verbunden war, den Trend zu einer stärkeren Konzentration der Arbeitgeber auf einigen lokalen Arbeitsmärkten beschleunigte.

Dieses Ergebnis deutete darauf hin, dass der Importwettbewerb nicht nur die Nachfrage nach Arbeitern, die zuvor die jetzt importierten Produkte produziert haben, verringert hatte, sondern auch die Löhne für Arbeitnehmer in anderen Branchen auf den betroffenen Arbeitsmärkten aufgrund der erhöhten Arbeitsmarktkonzentration gedrückt haben könnte.

Die einzigen Beschäftigten, die auf Märkten mit hoher Unternehmenskonzentration keine Lohn-stagnation erlebten, waren diejenigen, die Gewerkschaften angehörten. Etwa ein Viertel der untersuchten Fabriken galt als gewerkschaftlich organisiert; dieser Anteil war später niedriger als in den früheren Jahren.

Da sich diese Studie auf Arbeitnehmer konzentrierte, die in Industrieunternehmen beschäftigt wurden, war der Anteil der Gewerkschaftsmitglieder höher als auf dem gesamten amerikanischen Arbeitsmarkt.

Um die Robustheit ihrer Ergebnisse zu beurteilen, verglichen die Forscher Betriebe der gleichen Branche, die demselben Unternehmen gehörten, aber an verschiedenen Standorten operierten; sie fanden heraus, dass „diejenigen, die sich in einem konzentrierteren lokalen Arbeitsmarkt befanden, wesentlich niedrigere Löhne zahlten“.

In „Konzentration auf den amerikanischen Arbeitsmärkten: Erkenntnisse aus Online-Stellenangebots-daten (NBER Working Paper Nr. 24395) fanden José A. Azar, Ioana Marinescu, Marshall I. Steinbaum und Bledi Taska heraus, dass Arbeitgeber in den meisten Standorten über beträchtliche Monopson-Macht verfügten. Die Forscher untersuchten freie Stellen in den 709 föderativ abgegrenzten Bezirken, die die Grenzen der lokalen Wirtschaft abbildeten.

Anhand einer Datenbank, die von Burning Glass Technologies aus 40.000 Stellenbörsen erstellt wurde, berechneten sie das Niveau der Arbeitsmarktzentrierung nach Bezirken, Berufen und Quartalen für das Jahr 2016. Sie wählten die beliebtesten 200 Berufe nach dem sechsstelligen Klassifizierungscode der Bureau of Labor Statistics aus, mit dem 90 Prozent der Stellenausschreibungen in der Datenbank erfasst wurden.

Als Maßstab für die Arbeitsmarktkonzentration kalkulierte die Studie den Herfindahl-Hirschman-Index, ähnlich der Vorgehensweise im vorher besprochenen Paper Nr. 24307. Die Ergebnisse legten nahe, dass je höher die Marktkonzentration ausfällt, desto stärker auch die Verhandlungsposition des Arbeitgebers war. Der durchschnittliche Markt hatte dabei den Gegenwert von nur 2,5 rekrutierenden Unternehmen.

Gemäß den Standards, die die Bundeskartellbehörden zur Feststellung von übermäßig konzentrierten Produktmärkten anwenden, waren 54 Prozent der Märkte hoch konzentriert, was bedeutet, dass in ihnen weniger als vier Unternehmen Mitarbeiter rekrutierten.

Elf Prozent der Märkte waren mäßig konzentriert, und nur 35 Prozent hatten eine geringe Konzentration. Landesweit unter den 30 größten Berufsgruppen waren Marketingmanager, Webentwickler und Finanzanalysten mit den am wenigsten günstigen Arbeitsmärkten konfrontiert, während die Märkte für registrierte Krankenschwestern, Sattelzugfahrer und Kundendienstmitarbeiter am besten ausfielen.

Das tatsächliche Bild für Arbeitssuchende war jedoch heller als es diese Zahlen aussagen Könnten, da die Beschäftigungsniveaus in den einzelnen Bezirken stark variierten. Zonen, die große Städte umfassten, wiesen eine geringere Konzentration auf dem Arbeitsmarkt auf als jene in kleinen Städten oder in ländlichen Gebieten. Unter Berücksichtigung dieser ungleichen Verteilung der Beschäftigung stellten die Forscher fest, dass 23 Prozent der nationalen Arbeitskräfte in stark oder mäßig konzentrierten Arbeitsmärkten tätig waren.

Sie begründeten diese Ergebnisse damit, dass traditionelle Marktkonzentrationsschwellen den Verlust der Verhandlungsmacht der Arbeitnehmer im Zeitverlauf unterschätzten. Sie wiesen darauf hin, dass diese Schwellenwerte darauf abzielten, die Auswirkungen von Fusionen auf den Verbrauchermarkt abzuschätzen, und dass Verbraucher zwar Produkte kaufen könnten, ohne dass die Hersteller ausdrücklich zustimmen müssten, Arbeitnehmer jedoch Arbeitgeber finden müssen, die sich dazu verpflichten sie einzustellen.

(Eigene Übersetzung eines schon älteren Blogbeitrages des amerikanischen Ökonomen Mark Thoma, der aber immer noch aktuell sein dürfte)