Alternative Wirtschaftstheorie – Teil 11: Wertpapierkäufe und Bankenliquidität

In diesem Beitrag geht es um die Auswirkungen, die bestimmte Umdispositionen der Sparer auf die Bestände an Bankeinlagen haben. Legen nämlich diese Sparer ihre Vermögen, die als Scheck- oder Sparguthaben bei den Banken hinterlegt sind, in Wertpapieren an oder geben sie als Kredite heraus, so reduziert sich damit das Kreditvolumen der Banken.

Frankfurt Am Main-Neue Boerse von Suedosten-20120222

Bemerkenswert ist es nach Wilhelm Lautenbach dabei, dass durch solche Vorgänge keinerlei Veränderungen bei den laufenden Ersparnissen eintreten, stattdessen sich aber die Liquidität der Banken verbessert.

Dies geschieht dadurch, dass es zumeist die Bankendebitoren, also die Schuldner der Banken sind, die Wertpapiere verkaufen. Damit nimmt logischerweise das Bankenkreditvolumen ab, die Banken werden also weniger herangezogen, wenn die Bankeinlagen sinken.

Lautenbach zufolge werden die Verfügungen der Sparer hinsichtlich der Effektenkäufe und -verkäufe hauptsächlich von drei Erwägungen bestimmt.

1. Durch den Abstand des Zinsatzes, welcher auf Spareinlagen bewilligt wird zu der effektiven Verzinsung der Wertpapiere,
2. Durch die Annahmen bezüglich der zukünftigen Entwicklung.

Geht man davon aus, dass der Zins in Zukunft weiter ansteigt, demzufolge also die Kurse der Wertpapiere sinken, so wird man sich beim Kauf weiterer Papiere zurückhalten. Besteht aber die Hoffnung auf weitere Kursanstiege, ist eine weiter wachsende Nachfrage durch diese Annahmen sehr wahrscheinlich, da ja neben dem Unterschied zwischen dem Zins auf Spareinlagen und der Verzinsung der Wertpapiere auch noch der Kursgewinn winkt.

3. Durch das Liquiditätsbedürfnis der Sparer bzw. der Bankengläubiger. Bemerkenswert ist dabei allerdings, dass dieses Liquiditätsbedürfnis bei einer stabilen Entwicklung des Wertpapiermarktes nahezu vollständig zurücktritt, da in solchen Fällen die Wertpapiere selbst quasi hochliquide und jederzeit handelbare Anlagen darstellen.

Über die unmittelbaren Zusammenhänge zwischen diesen Dispositionen schrieb Lautenbach weiter:

Es leuchtet ein, daß infolge der Wechselbeziehungen zwischen 2. und 3. jeder Tendenzumbruch oder leichter Stimmungswechsel mit einer gewissen Selbstinduktion ausgestattet ist. Beginnen die Wertpapiere erst einmal zu steigen, so übt das einen mächtigen Reiz auf die aus, die über anlegbare Mittel verfügen.

Lautenbach: Zins, Kredit und Produktion (1952), S. 68

Weiterhin befeuern diese durch ihre Käufe die Aufwärtsbewegungen der Kurse, die wiederum durch die Spekulation noch weiter beschleunigt werden. Dieser Automatismus laufe dann weiter über die Bankenkredite der Spekulanten, die ihrerseits damit die Bankenschuldner ablösen, die nun entweder selbst Wertpapiere verkaufen oder neu emittieren. Ebenso könnten sie aber auch Wertpapiere erwerben, die nun ihrerseits von den Banken verkauft werden.

Dreht sich die Tendenz, so wird der Sturz wiederum gebremst durch die Unwilligkeit vieler Anleger, Kursverluste zu realisieren. Hiervon betroffen sind in der Regel diejenigen, die bei hohen Kursen eingestiegen sind sowie vor allem die Aktionäre, die auch eine längere Flaute durchstehen können, weil sie keine Schulden haben.

Nach der Betrachtung dieser automatischen Zusammenhänge der Zins- und Wertpapierentwicklungen ist es erforderlich, nun auch die Einflüsse der volkswirtschaftlichen Produktionsprozesse und der Einkommensbildung mit zu berücksichtigen.

In früheren Beiträgen haben wir bereits erfahren, dass der Gesamtgewinn der Unternehmer umso höher ist, je mehr investiert wird. Gleichzeitig steigen auch der Durchschnittsgewinn sowie ebenso das Gesamteinkommen, da neben dem Gewinn der Unternehmer auch das Einkommen der Nichtunternehmer zunimmt, wenn die Gesamtproduktion insgesamt wächst.

Weiterhin dehnt sich durch die Investitionen auch die Verbrauchsgüterproduktion aus. Es ist daher keineswegs verwunderlich, wenn in einem solchen wirtschaftlichen Klima der Optimismus auch zu einer Hausse an den Kapitalmärkten führen kann.

Eine wichtige Bedingung für eine solche Entwicklung sind allerdings hohe Bestände an früheren Ersparnissen in Form von Bankguthaben (Depositen) und Spareinlagen, während laufende Ersparnisse wenig oder auch gar nicht ins Gewicht fallen.

Dies liegt vor allem daran, dass Hausse-Situationen an der Börse wesentlich mehr als nur die Anlage der momentanen Ersparnisse in Aktien vorraussetzen. Hierbei handelt es sich stattdessen jeweils um eine gewaltige Umschichtung durch die Verwendung von früheren Spareinlagen und Spekulationskrediten zum Wertpapierkauf. Dabei fällt auch auf, dass es gerade die Kreditpolitik der Banken ist, die durch die übermäßige Gewährung von Spekulationskrediten am stärksten zu den Übertreibungen beiträgt.

Auch hierbei entdeckte Lautenbach eine erhebliche Neigung zu systematischer Fehlentwicklung:

Wenn eine solche Tendenz zur Umschichtung erst einmal einsetzt, kann sie sich kraft ihrer Selbstinduktion und Selbstbeschleunigung sehr ausdehnen und intensivieren und dies kann leicht geschehen, wenn die klimatischen Bedingungen einigermaßen günstig sind, d. h. wenn die Erträgnisse der Unternehmungen sich günstig gestalten und eine weitere Besserung erwartet wird.

Die bankmäßige Bereitstellung von Ersparnissen funktioniert unter solchen Umständen außerordentlich gut und automatisch so wundervoll, daß selbst Diskonterhöhungen oder die spezielle Verteuerung der Börsenkredite wenig oder gar nichts dagegen ausrichten.

Hier handelt es sich wiederum um eine ausgesprochene Fehlleistung der Automatik.

Lautenbach: Zins, Kredit und Produktion (1952), S. 70

Es sei eigentlich logisch, dass die Grundbedingung eines Wirtschaftsaufschwungs eine relativ hohe Investition sei, die nach und nach durch die „Zinsbremse“ auf das notwendige Maß beschränkt werden müßte, um eine Überhitzung der Konjunktur zu vermeiden.

Stattdessen kommt es während einer Aktienhausse zu einer solch gewaltigen Entwicklung des Wertpapiermarktes, durch die auch die Zinssteuerung praktisch wirkungslos wird.

Inwieweit die Zentralbanken durch Manipulationen der Zinssätze gerade solchen widersinnigen automatischen Entwicklungen begegnen können oder eine gewünschte Konjunkturbewegung selbst induzieren können, wird Thema des nächsten Beitrags sein.