War es nur ein Versäumnis in der Kommunikation? Oder warum waren die Bush-Administration und die im Jahr darauf eingesetzte Regierung Obama so ungenügend darauf vorbereitet, sich 2008 zur Finanzkrise zu erklären?
Eingangsbereich des Hauptgebäudes des Federal Reserve Systems (FED)
in Washington, D.C.
Es ist die eine Sache zu behaupten, dass niemand diese Panik kommen sah. Es ist aber ein anderer Sachverhalt, dass nachdem der Wirbelwind gekommen und wieder gegangen war, die politischen Führer und die Regulierungsbehörden so dürftig verdeutlichten, was sie selbst alles getan hatten, um der Wirtschaft den Tag zu retten.
Was tatsächlich passierte, war einfach zu verstehen: Nachdem die Behörden Lehman Brothers jegliche staatliche Unterstützung im September 2008 versagten, folgte eine mörderische Bankenpanik, die erste mit einer solchen Intensität, seit die Erfahrungen der Panik von 1907 zur Schaffung des FED geführt hatte.
Der damalige Vorfall verbreitete sich weit über die Grenzen des traditionellen Bankensystems wie es von Gesetz und Regulierung definiert worden war hinaus und bedrohte alle Arten von damit verbundenen Institutionen wie den Versicherungsriesen AIG International, aber auch Konzerne wie General Electric und General Motors, die ebenfalls in Bereichen tätig waren, die als so genannte „Schattenbanken“ bekannt wurden.
Die Panik dauerte fünf Wochen, bis mittels koordinierter Kreditgewährung durch die Zentralbanken, angeführt von der US-Notenbank, die Krise Mitte Oktober eingedämmt werden konnte. Eine tiefe Rezession folgte, doch sie fiel wesentlich weniger schwer-wiegend aus als das, was geschehen wäre, wenn die Zentralbanken der Industriestaaten nicht mit großem Eifer und der Unterstützung der Führer aller Parteien gehandelt hätten.
Es sind vor allem zwei plausible Gründe vorgebracht worden, um das Versagen der Behörden bei der besseren Erklärung ihrer Maßnahmen zu begründen:
Erstens wurde angeführt, dass Zentralbanken und nationale Finanzministerien gewohnheitsmäßig ihre Rolle als Kreditgeber der letzten Instanz herunterspielen aus Angst, dass ihre Bereitschaft, im Notfall als Feuerwehrmänner mit den tiefen Taschen aufzutreten eine übermäßige Risikobereitschaft unter den Marktteilnehmern fördern könnte. Und in der Tat lässt sich nicht ausschließen, dass solche Hintergedanken bei der Entwicklung von „Free-Market“-Finanzinnovationen 2008 zu einem Vogel-Strauß-ähnlichem Verhalten geführt hatten.
Die andere Möglichkeit besteht darin, dass die Finanzmärkte durch die nach der Großen Depression unternommenen Bankenreformen so geschützt erschienen – während die Ökonomen gleichzeitig in jenen Jahren mit der Entwicklung einer neuen zentralen Theorie abgelenkt schienen – so dass die politischen Führer einfach nie die Hauptaufgabe der Zentralbanken lernten, für die sie in erster Linie geschaffen worden waren. Sie existieren vor allem darum, um durch Notkredite gegen gute Sicherheiten an alle bedrohten Unternehmen zu verhindern, dass Banken-Paniken zu verheerenden Kernschmelzen des Finanzsystems führen.
Das bekannte duale Mandat – die Aufrechterhaltung stabiler Preise und nachhaltiger Beschäftigung – steht tatsächlich nach dem Krisenmanagement nur an zweiter und dritter Stelle auf der Liste der Verantwortlichkeiten des FED.
Die Unwilligkeit der politischen Parteien, vor und nach einer heiß umkämpften Präsidentschaftswahl das anzuerkennen, was die jeweils andere Partei erreicht hatte, kann dabei natürlich auch eine Rolle gespielt haben. Was auch immer die Gründe für das Versagen einer effektiven Kommunikation nach 2008 waren, sie haben die US-Politik seitdem erheblich erodieren lassen.
Ein wichtiger Schritt zur Verbesserung dieser Situation wurde dagegen im Mai diesen Jahres unternommen, als das Yale-Programm zur Finanzstabilität die Schaffung seines Krisen-Reaktions-Projekts angekündigt hatte, einer Online-Plattform, die als Ressource für politische Entscheidungsträger bei der Bewältigung von Krisensituationen dienen soll.
Organisiert vom Professor der Yale School of Management Andrew Metrick in 2013, wurde das Programm zur finanziellen Stabilität seit seiner Gründung durch die Alfred P. Sloan Stiftung unterstützt – vor allem um ein intensives Sommerschulprogramm für hochkarätige Zentralbanker und Angehörige von Regulierungsbehörden zusammenzustellen. Ein einjähriger Masterstudiengang im Systemic Risk Management wird seine ersten Schüler im Herbst bekommen. Der Beirat des Programms unter dem Vorsitz des ehemaligen Finanzministeriums Timothy Geithner ist eine illustre Gesellschaft.
Ein 10-Millionen-Dollar-Zuschuss von Bill Gates, den Bloomberg Philanthropies, von Jeff Bezos und der Peter G. Peterson Foundation soll es dem Crisis Response Center ermöglichen, sich auf die Analyse der sich in regelmäßigen Abständen entwickelnden „Kriegszeiten“ zu konzentrieren, im Gegensatz zu der Aufgabe der Abfassung und Durchsetzung von Vorschriften für Finanzinstitute. „Das erste Mal, dass Sie eine mögliche Lösung für eine Krise betrachten, sollte nicht unbedingt dann sein, wenn Sie sich gerade mitten in einer befinden“, so Metrick.
Zu jenem Zeitpunkt waren die besten Erklärungen der Krisenmuster und ihrer Heilmittel historischer Art, wie etwa Lombard Street: Eine Beschreibung des Geldmarktes von Walter Bagehot aus dem Jahre 1873; oder Manien, Panik und Crashs: Eine Geschichte der Finanzkrisen, von Charles P. Kindleberger, 1978; und neueren Datums Von der unsichtbaren Hand geschlagen: Die Panik von 2007 von Gary Gorton im Jahr 2010. Die beabsichtigte „Online-Plattform“ stellt somit einen bedeutenden Fortschritt dar.
Doch die Finanzinstitutionen entwickeln sich sehr schnell weiter – „mit der Geschwindigkeit des Denkens“, wie es Andrew Lo von der Sloan School of Management des Massachusetts Institute of Technology in Adaptive Markets ausdrückte – daher ist eher eine theoretische Perspektive wünschenswert. Diese Rolle wurde bei der Interpretation der jüngsten Krise, zumeist allerdings eher unbefriedigend, von Hyman Minsky von der Washington University in St. Louis und dem Levy Economics Institute des Bard College ausgefüllt, der skizzenhaft eine Krise interpretierte, die er oft vorhergesagt hatte, aber zu seinen Lebzeiten nicht mehr erleben konnte. Minsky, ein Schüler von Joseph Schumpeter, starb bereits 1996.
Nehmen wir stattdessen Martin Shubik, einen 91-jährigen Theoretiker mit einem besonders breiten wissenschaftlichen Hintergrund, und vielleicht der weltweit erste institutionelle mathematische Ökonom. Als Student von Oskar Morgenstern an der Princeton University in den Jahren kurz nach dem Zweiten Weltkrieg leistete Shubik wichtige Beiträge zum Einstieg in die Ökonomie der Spieltheorie. Er arbeitete viele Jahre bei der RAND Corporation, bei General Electric und IBM und ist seit 1963 Mitglied der Yale-Fakultät.
Minsky, den er gut kannte, „hatte intuitiv bei fast allem recht“, ist Shubik überzeugt. Aber es fehlte ihm das Temperament und die Werkzeuge, die notwendig waren um eine erfolgreiche Theorie zu entwickeln. Wie auch die Historiker und institutionellen Gelehrten der Gegenwart – etwa Morgan Ricks, der Autor von The Money Problem: Rethinking Financial Regulation oder eben der oben schon genannte Gorton – sie seien alle brillant bei den Details, „aber am Ende haben sie nur Worte“ um zu beschreiben, was als nächstes passieren könnte, so Shubik weiter.
Und in der Tat hatte Shubik selbst seit fast fünfzig Jahren versucht, die Geldtheorie mit der allgemeinen Gleichgewichtstheorie zu vereinbaren, zuletzt gemeinsam mit Eric Smith vom Earth-Life Science InstituteGeorge Mason University in ihrem Buch The Guidance of an Enterprise Economy. E. Roy Weintraub von der Duke University, ein angesehener Wirtschaftshistoriker, beschreibt diese Veröffentlichung als „den ersten modernen Versuch, einen intellektuellen Rahmen zu schaffen, in dem das Geld ganz natürlich in verschiedenen Marktinstitutionen erscheint“.
Und sicherlich wird der letzte Ansatz eine erfolgreiche Theorie zu schaffen besonders hervorgehoben, und nicht etwa der erste. Daher kann es natürlich passieren, dass Shubiks Arbeit einfach mit seinem Tod verschwindet, merkt er selbst an. Es besteht aber auch die Chance, so Shubik, „dass dies in zwanzig oder dreißig Jahren als ein Ausgangspunkt gesehen wird.“
Es wird offensichtlich ein sehr langer und beschwerlicher Weg sein, und die Arbeit von vielen Händen wird benötigt werden, um zu einer wirklich befriedigenden Theorie der spekulativen Manien, Paniken und Crashs zu kommen – und ihrer Prävention oder zumindest Abschwächung. Doch trotz der Gefahren durch Atomwaffen oder dem Klimawandel wird es am Ende eine Theorie der Finanzkrisen sein, die zeigt, wie man den größten Widrigkeiten entkommt.
(Eigene Übersetzung eines Blogbeitrages des Journalisten David Warsh)