Verrichtet die Wall Street „Gottes Werk“? Oder überhaupt etwas Nützliches?

Im Sog der Krise 2007/2008 tätigte Goldman-Sachs-Chef Lloyd Blankfein gegenüber einem Reporter den berühmten Ausspruch, Banker würden „Gottes Werk“ tun.

Wall Street (3867767246)
One Wall Street, New York City

Dies ist natürlich ein wichtiger Teil des Mantras der Wall Street: es gehört zur Standardprozedur der Bankmanager, möglichst häufig und laut zu verkünden, dass die Wall Street für die Wirtschaft des Landes von entscheidender Bedeutung wäre.

Sie leiste schließlich so gesellschaftlich wertvolle Dienste wie etwa die Kapitalbeschaffung, die Bereitstellung von Liquidität für die Anleger sowie die Sicherstellung der richtigen Bewertung von Wertpapieren, damit das Geld genau dorthin fließt, wo es am produktivsten wäre.

Dieses Mantra ist von eminenter Bedeutung, da es den (nicht-psychopathischen) Bankern erlaubt, jeden Tag noch in den Spiegel schauen zu können, und es ihnen dabei hilft, alle ernsthaften Versuche staatlicher Regulierung abzuwehren. Es ermöglicht ihnen auch, schlicht zu behaupten, dass sie diese empörend großen Mengen an Geld zurecht verdienen.

Nach Angaben des Statistischen Handbuches der Vereinigten Staaten verdienten die Mitarbeiter der Finanzindustrie in den Jahren 2007 und 2008 insgesamt mehr als 500.000.000.000 $ jährlich, das ist eine Gehaltsabrechnung von einer satten halben Billion Dollar (Tabelle 1168).

Es gibt dabei nur ein Problem: dieses Wall-Street-Mantra ist schlicht nicht wahr.

Wie der berühmte Ökonom Jack Hirshleifer schon vor vielen Jahren anmerkte, ist ein Handel, der die Preise erst dann exakt präzisiert, wenn es eh schon zu spät ist noch etwas daran zu ändern zwar privat profitabel, aber gesellschaftlich nicht vorteilhaft.

Die meisten Wall-Street-Trades mit Aktien, Anleihen und Derivaten bewegen Informationen zu ihren Bewertungen nur um Tage, manchmal auch nur um Mikrosekunden früher, als sie sowieso eintreffen würden. In einer solchen kurzen Zeitspanne werden keine wirklichen Ressourcen mehr umverteilt.

Also, was macht die Wall Street tatsächlich, was auch der Gesellschaft zu Gute kommt?

Ärzte und Krankenschwestern machen Patienten gesünder. Feuerwehrleute und Sanitäter retten Leben. Telekommunikationsunternehmen und Smartphone-Hersteller erlauben es Menschen miteinander über große Distanzen zu kommunizieren. Führungskräfte in der Autoindustrie und Piloten helfen den Menschen dabei, diese Distanz zu schließen. Lehrer und Professoren helfen Schülern zu lernen.

Wall Street Banker helfen – meist nur sich selbst.

(eigene Übersetzung eines Blogbeitrages der amerikanischen Jura-Professorin Lynn Stout von der juristischen Fakultät der Cornell Universität in Ithaca, New York, USA)