Sparparadoxon: Wer mehr Tore schießt, wird Weltmeister; wenn alle mehr Tore schießen, werden alle Weltmeister

Einfacher Versuch einer Erklärung des Sparparadoxons als Rationalitätenfalle:

Auf der Mikroebene richtig: Wenn Deutschland in seinen WM-Spielen mehr Tore schießt als der jeweilige Gegner, wird Deutschland am Ende Weltmeister.

Auf der Makroebene falsch: Wenn alle Mannschaften im Turnier mehr Tore erzielen als ihre Gegner, sind alle Mannschaften am Ende Weltmeister.

Götze kicks the match winning goal
Mario Götze erzielt das Siegtor im WM-Finale 2014

Dieses wenn auch zugegebenerweise nicht gänzlich passende Beispiel ging mir durch den Kopf, als ich den Beitrag von Steve Keen zur Austeritätspolitik der belgischen Regierung als Trugschluss der Kompo-sition las.

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Der Lautenbach-Plan 1931 – Teil 6: Die Borchardt-Kontroverse und die angeblich zu hohen Löhne in Weimar

Seit ich mich nach der Finanzkrise von 2007 intensiv begonnen habe mit Ökonomie und Wirtschafts-politik zu befassen, ging es mir auch immer wieder darum, anhand historischer Beispiele Parallelen zur nachfolgenden Weltwirtschaftskrise zu ziehen und über mögliche Lehren aus der Geschichte nachzudenken.

Kaufhaus Wertheim, Berlin Leipziger Platz, 1920er Jahre
Kaufhaus Wertheim, Berlin Leipziger Platz in den 1920er Jahren

Aus vielerlei Gründen rückten da vor allem die Auswirkungen der ersten Weltwirtschaftskrise 1929 in den Fokus, insbesondere das Ende der Weimarer Republik. Natürlich ging es dabei dann auch um die umstrittene Frage nach der Auslotung der wirtschaftspolitischen Handlungsspielräume der Regierung Brüning.

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Der Lautenbach-Plan 1931 – Teil 5: Beispiel eines Bau- und Beschaffungsprogrammes durch die Reichsbahn

Zum leichteren Verständnis seines in Teil 3 und 4 erläuterten Programmes zur Konjunturankurbelung mittels Arbeitsbeschaffung, Investition und Kreditausweitung skizzierte Wilhelm Lautenbach die Wirkung einer solchen Maßnahme anhand eines Beispiels:
eines Bau- und Beschäftigungsprogrammes durch die damalige Deutsche Reichsbahn.

Bundesarchiv Bild 102-16693, Stromlinienlokomotive 05 001

Zur besseren Illustrierung dieses Beispiels setzte Lautenbach folgende Parameter:
Er nahm an, dass die Reichsbahn in einem halben Jahr ein zusätzliches Bau- und Beschaffungsprogramm im Ausmaße von 1.200 Millionen Reichsmark (RM) ausführe und darüber hinaus im gleichen Zeitraum noch 300 Millionen RM für den Straßenbau aufgewendet würden.

Gleichzeitig sollte im Zuge einer solchen Aktion das Lohn- und Gehaltsniveau der Volkswirtschaft insgesamt um etwa 5 % gesenkt werden, was einer Nachfragedrosselung von etwa 500 Millionen RM entsprechen würde.

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Der Lautenbach-Plan 1931 – Teil 4: Möglichkeiten einer Konjunkturbelebung durch Investition und Kreditausweitung

Schon bei der Vorlage seines Plans zur Bekämpfung der Auswirkungen der Weltwirtsschaftskrise im Deutschen Reich im September 1931 ahnte Wilhelm Lautenbach bereits, dass er es gegen die üblichen Bedenkenträger nicht leicht haben würde.

Preisbereinigtes Bruttosozialprodukt im Deutschen Reich um die Weltwirtschaftkrise

So ergänzte er seinen Vorschlag zur Konjunturankurbelung mittels Arbeitsbeschaffung, Investitionen und Ausweitung der Kredite mit einem Kapitel über mögliche Einwände gegen seine Ideen.

Damit wappnete er sich vor allem gegen zwei Einwände, die seiner Ansicht nach hauptsächlich gegen sein Konzept vorgebracht werden würden:

1. Wäre eine solche Politik nicht ein Rückfall zu den falschen Entscheidungen der Vergangenheit, mit denen ja offensichtlich die grassierende Krise mitverursacht wurde? Schließlich war es doch der übermäßige öffentliche Aktivismus, der mit unnötigen und zu hohen Ausgaben die schwierige Situation der öffentlichen Finanzen mit geschaffen und damit auch zur Abhängigkeit des Reichs von ausländischem Kapital geführt hatte?

2. Und schließlich stelle sich die Frage, wie solche Vorhaben finanziert werden könnten, da ja über einen längeren Zeitraum Kapital weder im In- noch im Ausland zur Disposition ständen.

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Der Lautenbach-Plan 1931 – Teil 3: Produktive Kreditschöpfung als Notmaßnahme gegen die Depression

Auf dem Gipfel der Weltwirtschaftskrise fand am 16./17. September 1931 eine Geheimkonferenz der Friedrich List-Gesellschaft in Berlin statt, bei der über die Machbarkeit und eventuelle Durchführung des sogenannten „Lautenbach-Plans“ (Möglichkeiten einer aktiven Konjunkturbelebung durch Investition und Kreditausweitung) diskutiert wurde.

Bundesarchiv Bild 183-R96268, Berlin, Fröbelstraße, Speisesaal im Obdachlosenasyl 1932

Mit diesem Beitrag will ich mich nun etwas näher mit der Arbeit von Wilhelm Lautenbach beschäftigen, da sie auch im Lichte der heutigen Wirtschaftspolitik, gerade in Bezug auf die sogenannte „Spar“(-absichts)-Politik gegenüber den EU-Krisenländern, noch immer eminent wichtige Erkenntnisse liefern kann.

Defizitpolitik? Reichsbankzusage als Katalysator? Der Verzweiflungsweg – ohne Auslandskapital!
Unter dieser Überschrift analysierte Lautenbach, dass die deutsche Wirtschaftspolitik nach der Bankenkrise vor allem zwei besonders wichtige Herausforderungen zu bewältigen habe: die Stabilität der Währung sicherzustellen sowie die Verhinderung weiter steigender Erwerbslosigkeit.

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Der Lautenbach-Plan 1931 – Teil 2: Die Konferenz der Friedrich-List-Gesellschaft

Als im Sommer 1931 die Auswirkungen der Weltwirtschaftskrise der bis dahin erfolglosen und kontraproduktiven Geld- und Kreditpolitik der Weimarer Republik die Grenzen aufzeigten, begannen Ökonomen und Wirtschaftswissenschaftler mit der fieberhaften Suche nach Alternativen.

Der Staatssekretär des Reichsfinanzministeriums Hans Schäffer überzeugte anhand der zuvor veröffentlichten Schriften von Wilhelm Lautenbach („Defizitpolitik? Reichsbankzusage als Katalysator? Der Verzweiflungsweg – ohne Auslandskapital!“) und des Ökonomen Heinrich Rittershausen („Am Tage nach dem Zusammenbruch“) den Reichsbankpräsidenten Hans Luther, diese Konzepte in einem breiteren Rahmen zu erörtern.

Anteile von Faktorkosten, Abschreibungen und Unternehmergewinn an den abgesetzten Verbrauchsgütern
Schaubild nach Wilhelm Lautenbach: Unternehmergewinn & Nachfragebedarf (Abbildung selbst erstellt)

Zusammen mit dem Präsidenten des Reichsrechnungshofes Friedrich Saemisch, der ebenso wie Luther dem Vorstand der Friedrich-List-Gesellschaft angehörte, lud der Reichsbankpräsident Lautenbach, Rittershausen und andere bedeutende Nationalökonomen der damaligen Zeit zu einer vertraulich gehaltenen Konferenz ein.

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Der Lautenbach-Plan 1931 – Teil 1: Geld- und Kreditpolitik der Weimarer Republik in der Weltwirtschaftskrise

Die Auswirkungen des Ersten Weltkriegs sowie die Erfahrungen mit der Einführung der Rentenmark nach dem Desaster der Hyperinflation des Jahres 1923 hatten eigentlich bewiesen, dass Gold als bevorzugtes Mittel zur Stabilisierung einer Währung schlicht überflüssig bzw. durchaus schädlich sein könne.

Bundesarchiv Bild 102-12023, Berlin 1931, Bankenkrach, Andrang bei einer Sparkasse

Die Ankopplung der eigenen Währung an ein von der wirtschaftlichen Entwicklung völlig unbeeinflußbares Medium hatte sich in Zeiten moderner Ökonomie schlicht als zu unflexibel erwiesen. Veränderungen in den Handels- und Leistungsbilanzen, wie sie nach dem Ersten Weltkrieg durch den wachsenden internationalen Warenverkehr immer häufiger entstanden, sorgten in vielen Ländern unter dem Goldstandard für erhebliche Schwankungen in den Devisenbilanzen, durch die geldmarktpolitische Eingriffe zur Stabilisierung der Wirtschaft erschwert oder nahezu unmöglich gemacht wurden.

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Alternative Wirtschaftstheorie – letzter Teil: Die Kollision der verschiedenen Aufgaben des Zinses

Als Abschluss unserer Reihe über die alternative Wirtschaftstheorie von Wilhelm Lautenbach geht es in diesem Beitrag um eine abschließende Betrachtung aller bisher behandelten Komponenten seiner bestechenden makroökonomischen Diagnose.

Berlin - Gebäude der Reichsbank und die Jungfernbrücke, Ende der 1930er Jahre, Bundesarchiv B 145 Bild-P018383

Dies erscheint notwendig, um den Zusammenhang zwischen Kreditbedarf und Investitionen sowie die ausschlaggebenden Elemente, welche die Liquidität der Kreditwirtschaft und demzufolge auch den Zins bestimmen, klar erkennen zu können.

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Alternative Wirtschaftstheorie – Teil 13: Zins, Devisenbilanz und das Lohn-/Preisniveau

Neben der im letzten Beitrag beschriebenen Möglichkeit, durch Kapitalexport ein Defizit der Devisenbilanz und damit ein erhebliches Problem für die Zinssteuerung der Zentralbanken hervorzurufen, kann auch eine passive Handels- (Leistungsbilanz) aufgrund überhöhter Preise und Löhne einen ähnlichen Effekt haben.

Änderung der Brutto- und Reallöhne und des Preisindex in Deutschland

Dabei ist es unerheblich, ob die Investition im Inland überzogen ist oder nicht. Ganz im Gegenteil kann ein Leistungsbilanzdefizit auch entstehen, wenn die Investitionen völlig unzureichend und die Beschäftigungssituation infolgedessen ebenso unbefriedigend ist.

Die Begründung für das Devisendefizit liegt in einem solchen Falle allein in einer übertriebenen Steigerung des inländischen Kosten- und Preisniveaus gegenüber dem Ausland. Dies ist immer die Folge einer nicht richtigen Anpassung von Wechselkurs und Nominallöhnen.

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Sinn vs. Piketty: neoklassische Theorie trifft auf empirische Wirklichkeit

In einem Gastbeitrag für die Frankfurter Allgemeine Zeitung kritisiert der Ökonom Hans-Werner Sinn Anfang dieser Woche das neue Buch von Thomas Piketty: Capital in the Twenty-First Century.

Dabei geht es ihm vor allem um eine neue „Weltformel“, mit der Piketty die wachsende Einkommens- und Vermögensungleichheit in den westlichen Staaten, insbesondere aber in den USA, darstellt.

Hans-Werner Sinn 17Jan2008

Sinn schreibt zu dieser Formel in der FAZ, sie besage, dass der Zins als durchschnittliche Kapitalrendite r auf Dauer größer sei als die Wachstumsrate g einer Volkswirtschaft. Nach Piketty sei dann die Folge, dass das Vermögen fortlaufend schneller wachse als die Wirtschaftsleistung.

Sinn aber bestreitet diese Entwicklung und zieht zur Erklärung seiner ablehnenden Haltung die neoklassische Wachstumstheorie zu Rate.

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