Der Lautenbach-Plan 1931 – Teil 6: Die Borchardt-Kontroverse und die angeblich zu hohen Löhne in Weimar

Seit ich mich nach der Finanzkrise von 2007 intensiv begonnen habe mit Ökonomie und Wirtschafts-politik zu befassen, ging es mir auch immer wieder darum, anhand historischer Beispiele Parallelen zur nachfolgenden Weltwirtschaftskrise zu ziehen und über mögliche Lehren aus der Geschichte nachzudenken.

Kaufhaus Wertheim, Berlin Leipziger Platz, 1920er Jahre
Kaufhaus Wertheim, Berlin Leipziger Platz in den 1920er Jahren

Aus vielerlei Gründen rückten da vor allem die Auswirkungen der ersten Weltwirtschaftskrise 1929 in den Fokus, insbesondere das Ende der Weimarer Republik. Natürlich ging es dabei dann auch um die umstrittene Frage nach der Auslotung der wirtschaftspolitischen Handlungsspielräume der Regierung Brüning.

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Der Lautenbach-Plan 1931 – Teil 5: Beispiel eines Bau- und Beschaffungsprogrammes durch die Reichsbahn

Zum leichteren Verständnis seines in Teil 3 und 4 erläuterten Programmes zur Konjunturankurbelung mittels Arbeitsbeschaffung, Investition und Kreditausweitung skizzierte Wilhelm Lautenbach die Wirkung einer solchen Maßnahme anhand eines Beispiels:
eines Bau- und Beschäftigungsprogrammes durch die damalige Deutsche Reichsbahn.

Bundesarchiv Bild 102-16693, Stromlinienlokomotive 05 001

Zur besseren Illustrierung dieses Beispiels setzte Lautenbach folgende Parameter:
Er nahm an, dass die Reichsbahn in einem halben Jahr ein zusätzliches Bau- und Beschaffungsprogramm im Ausmaße von 1.200 Millionen Reichsmark (RM) ausführe und darüber hinaus im gleichen Zeitraum noch 300 Millionen RM für den Straßenbau aufgewendet würden.

Gleichzeitig sollte im Zuge einer solchen Aktion das Lohn- und Gehaltsniveau der Volkswirtschaft insgesamt um etwa 5 % gesenkt werden, was einer Nachfragedrosselung von etwa 500 Millionen RM entsprechen würde.

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Der Lautenbach-Plan 1931 – Teil 4: Möglichkeiten einer Konjunkturbelebung durch Investition und Kreditausweitung

Schon bei der Vorlage seines Plans zur Bekämpfung der Auswirkungen der Weltwirtsschaftskrise im Deutschen Reich im September 1931 ahnte Wilhelm Lautenbach bereits, dass er es gegen die üblichen Bedenkenträger nicht leicht haben würde.

Preisbereinigtes Bruttosozialprodukt im Deutschen Reich um die Weltwirtschaftkrise

So ergänzte er seinen Vorschlag zur Konjunturankurbelung mittels Arbeitsbeschaffung, Investitionen und Ausweitung der Kredite mit einem Kapitel über mögliche Einwände gegen seine Ideen.

Damit wappnete er sich vor allem gegen zwei Einwände, die seiner Ansicht nach hauptsächlich gegen sein Konzept vorgebracht werden würden:

1. Wäre eine solche Politik nicht ein Rückfall zu den falschen Entscheidungen der Vergangenheit, mit denen ja offensichtlich die grassierende Krise mitverursacht wurde? Schließlich war es doch der übermäßige öffentliche Aktivismus, der mit unnötigen und zu hohen Ausgaben die schwierige Situation der öffentlichen Finanzen mit geschaffen und damit auch zur Abhängigkeit des Reichs von ausländischem Kapital geführt hatte?

2. Und schließlich stelle sich die Frage, wie solche Vorhaben finanziert werden könnten, da ja über einen längeren Zeitraum Kapital weder im In- noch im Ausland zur Disposition ständen.

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Der Lautenbach-Plan 1931 – Teil 3: Produktive Kreditschöpfung als Notmaßnahme gegen die Depression

Auf dem Gipfel der Weltwirtschaftskrise fand am 16./17. September 1931 eine Geheimkonferenz der Friedrich List-Gesellschaft in Berlin statt, bei der über die Machbarkeit und eventuelle Durchführung des sogenannten „Lautenbach-Plans“ (Möglichkeiten einer aktiven Konjunkturbelebung durch Investition und Kreditausweitung) diskutiert wurde.

Bundesarchiv Bild 183-R96268, Berlin, Fröbelstraße, Speisesaal im Obdachlosenasyl 1932

Mit diesem Beitrag will ich mich nun etwas näher mit der Arbeit von Wilhelm Lautenbach beschäftigen, da sie auch im Lichte der heutigen Wirtschaftspolitik, gerade in Bezug auf die sogenannte „Spar“(-absichts)-Politik gegenüber den EU-Krisenländern, noch immer eminent wichtige Erkenntnisse liefern kann.

Defizitpolitik? Reichsbankzusage als Katalysator? Der Verzweiflungsweg – ohne Auslandskapital!
Unter dieser Überschrift analysierte Lautenbach, dass die deutsche Wirtschaftspolitik nach der Bankenkrise vor allem zwei besonders wichtige Herausforderungen zu bewältigen habe: die Stabilität der Währung sicherzustellen sowie die Verhinderung weiter steigender Erwerbslosigkeit.

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Die Lehren aus der Weltwirtschaftskrise für die Eurozone

Meine Übersetzung eines Beitrags von Simon Wren-Lewis aus seinem Blog mainly macro, der die momentanen wirtschaftspolitischen Fehler in der Eurozone kurz aber sehr treffend darlegt:

Es erscheint mir einfacher, die Probleme der Eurozone zuerst durch die Vorstellung der EU als eine Einheit zu erfassen, ehe man über die Verteilung zwischen den Ländern nachdenkt. In beiden Fällen allerdings macht die Eurozone heute genau die gleichen Fehler, die auch in der Großen Depression der 1920er/30er Jahre gemacht wurden.

Die Eurozone leidet derzeit unter einem chronischen Mangel bei der Gesamtnachfrage. Nach einer Schätzung der OECD existierte 2013 in der Eurozone eine Produktionslücke von fast 3,5%. Da die Geldpolitik entweder nicht in der Lage oder nicht willens ist, dagegen viel zu unternehmen, ist eine staatliche Konjunkturankurbelung notwendig. Dies ist die erste Lehre aus der Weltwirtschaftskrise, die strikt ignoriert wird. Stattdessen wurde den Ländern der EU mit dem Stabilitäts- und Wachstumspakt (SWP) striktes Sparen und Austerität auferlegt.

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Der Lautenbach-Plan 1931 – Teil 2: Die Konferenz der Friedrich-List-Gesellschaft

Als im Sommer 1931 die Auswirkungen der Weltwirtschaftskrise der bis dahin erfolglosen und kontraproduktiven Geld- und Kreditpolitik der Weimarer Republik die Grenzen aufzeigten, begannen Ökonomen und Wirtschaftswissenschaftler mit der fieberhaften Suche nach Alternativen.

Der Staatssekretär des Reichsfinanzministeriums Hans Schäffer überzeugte anhand der zuvor veröffentlichten Schriften von Wilhelm Lautenbach („Defizitpolitik? Reichsbankzusage als Katalysator? Der Verzweiflungsweg – ohne Auslandskapital!“) und des Ökonomen Heinrich Rittershausen („Am Tage nach dem Zusammenbruch“) den Reichsbankpräsidenten Hans Luther, diese Konzepte in einem breiteren Rahmen zu erörtern.

Anteile von Faktorkosten, Abschreibungen und Unternehmergewinn an den abgesetzten Verbrauchsgütern
Schaubild nach Wilhelm Lautenbach: Unternehmergewinn & Nachfragebedarf (Abbildung selbst erstellt)

Zusammen mit dem Präsidenten des Reichsrechnungshofes Friedrich Saemisch, der ebenso wie Luther dem Vorstand der Friedrich-List-Gesellschaft angehörte, lud der Reichsbankpräsident Lautenbach, Rittershausen und andere bedeutende Nationalökonomen der damaligen Zeit zu einer vertraulich gehaltenen Konferenz ein.

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Der Lautenbach-Plan 1931 – Teil 1: Geld- und Kreditpolitik der Weimarer Republik in der Weltwirtschaftskrise

Die Auswirkungen des Ersten Weltkriegs sowie die Erfahrungen mit der Einführung der Rentenmark nach dem Desaster der Hyperinflation des Jahres 1923 hatten eigentlich bewiesen, dass Gold als bevorzugtes Mittel zur Stabilisierung einer Währung schlicht überflüssig bzw. durchaus schädlich sein könne.

Bundesarchiv Bild 102-12023, Berlin 1931, Bankenkrach, Andrang bei einer Sparkasse

Die Ankopplung der eigenen Währung an ein von der wirtschaftlichen Entwicklung völlig unbeeinflußbares Medium hatte sich in Zeiten moderner Ökonomie schlicht als zu unflexibel erwiesen. Veränderungen in den Handels- und Leistungsbilanzen, wie sie nach dem Ersten Weltkrieg durch den wachsenden internationalen Warenverkehr immer häufiger entstanden, sorgten in vielen Ländern unter dem Goldstandard für erhebliche Schwankungen in den Devisenbilanzen, durch die geldmarktpolitische Eingriffe zur Stabilisierung der Wirtschaft erschwert oder nahezu unmöglich gemacht wurden.

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Es war nicht Greenspans Geldpolitik – Teil 2: Sparen oder Investieren?

„Mit ihrer (gemeint sind die US-amerikanischen Privathaushalte) hohen Verschuldungsbereitschaft haben sie in den letzten Jahren massive Nachfrageimpulse für die Weltwirtschaft geleistet.

Dies bildete ein notwendiges Gegengewicht zur hohen Geldvermögensbildung in Ländern wie China, Japan, Deutschland, Russland und einer Reihe von Ölförderländern.

Die viel diskutierten globalen Ungleichgewichte … haben in der Vergangenheit letztlich dafür gesorgt, dass sich die Weltwirtschaft bei einem so unterschiedlichen Sparverhalten (der amerikanischen Verbraucher im Gegensatz zu denen der Überschussländer) dynamisch entwickeln konnte.“
(Jahresgutachten 2008/09 des Sachverständigenrates, Erstes Kapitel, Absatz II, Nummer 5)

Former Chairman of the Federal Reserve Alan Greenspan, receiving a Presidential Medal of Freedom in 2005

In seiner Expertise zum Jahresausblick der deutschen Wirtschaft 2008/2009 brachte der Sachverständigenrat wieder einmal seine Auffassung zum Ausdruck, dass das Investieren grundsätzlich erst als Folge des Sparens möglich sei und unterschiedliches Sparverhalten demnach die Leistungsbilanzdefizite und Handelsungleich- gewichte zwischen Überschuss- und Schuldenländern erklären könne. Folglich seien also größere Verzerrungen in der Wettbewerbsfähigkeit zwischen den Volkswirtschaften gar nicht möglich (siehe Teil 1).

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Es war nicht Greenspans Geldpolitik – Teil 1: Finanzkrise, Geldvermögensbeziehungen und Lohndumping

Beim Aufspüren der Ursachen der Finanzkrise ab 2007 halten immer noch viele Experten die expansive amerikanische Geldpolitik in den Jahren nach der Dotcom-Blase für einen der maßgeblichen Gründe für die Entstehung der Krise.

Cartoon - two children are going to see Alan Greenspan give a magic show - Greenspan can turn anything into a bubble... Even houses.

Auch die Bundeskanzlerin und der Sachverständigenrat waren sich sehr frühzeitig bereits 2008 weitgehend einig, dass es schlicht am „zu vielen Geld“ als eine der Hauptursachen für das Auftreten der Misere lag.

Sicherlich gab es zusätzlich auch noch erhebliche Regulierungmängel an den Finanzmärkten in den USA und Großbritannien, die durch schärfere Kontrollen und Reformen eigentlich schon vorher hätten beseitigt werden müssen.

Doch ohne die Politik des billigen Geldes, für die vor allem der damalige Vorsitzende der amerikanischen Notenbank FED Alan Greenspan geradezu sinnbildlich steht, wäre nach einhelliger Ansicht ein solches Desaster nicht möglich gewesen.

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Positive Erfahrungen Dänemarks mit negativen Zinsen

Da die Inflation in der Eurozone nicht wirklich steigt, grübeln die Medien weiter über die nächsten Maßnahmen der Europäischen Zentralbank in ihrem Kampf gegen sinkende Preise:
„Sparer zittern vor EZB-Strafgebühren“ und „Zinsen bleiben für Jahre negativ“ spekulierte n-tv vor einigen Tagen. Die zur Zeit stattfindende EZB-Konferenz in Sintra (Portugal) wirft also bereits ihre Schatten voraus. Da inzwischen auch bekannt wurde, dass die Netto-Investitionen der Euro-Staaten 2013 erstmals negativ waren, wird ein entsprechendes Eingreifen der EZB allgemein erwartet.

National Bank of Denmark, as seen from the Central Square in Copenhagen

Eine weitere Leitzinssenkung auf nur noch 0,15 Prozent sowie die Möglichkeit eines negativen Einlagezins- satzes sind die Maßnahmen, über die in der EZB offenbar am intensivsten nachgedacht werden. Die drohende oder bereits reale Gefahr einer Deflation in einigen Euro-Staaten lassen ein solches Verdikt des EZB-Rates unter seinem Chef Mario Draghi immer wahrscheinlicher werden.

Doch was wären die realen Auswirkungen solcher Entscheidungen?

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