Geschichte: Der spektakuläre Aufstieg und Fall von Salomon Brothers

Nach den aufsehenerregenden Nachrichten aus der Finanzwelt der letzten Wochen rund um die Pleite der Silicon Valley Bank und die Probleme der Credit Suisse musste ich mal wieder an Michael Lewis‘ ausgezeichnetes Buch „Wall Street Poker“ und einen der „Hauptdarsteller“ denken: die Investmentbank Salomon Brothers.

Sign Brodway crossing Wall Street
Straßenschild an der berühmt-berüchtigten Wall-Street

Die Bank war einer der Finanz-Giganten des vergangenen Jahrhunderts, als sie sich auf dem Höhepunkt ihres Ruhms in den 90ern in eine Reihe von Skandalen verhedderte, die eine Rettungsmaßnahme durch Warren Buffett und schließlich die Übernahme durch die Citigroup notwendig machten.

Heute ist das berüchtigt rücksichtslose Verhalten von Salomon, so wie es Lewis in seinem Werk beschreibt, Geschichte, doch es bleibt das mahnende Beispiel für die Zukunft der Finanzbranche ebenso wie der in den USA noch weithin gepflegte Kult um diese Firma.

Salomon Brothers wurde 1910 von den drei Brüdern Arthur, Herbert und Percy Salomon sowie einem Büroangestellten mit einem Kapital von 5.000 Dollar gegründet. Mit der Hilfe ihres Vaters, der selbst als Broker arbeitete, eröffneten sie ihr erstes Maklerbüro am Broadway nahe der Wall Street. Bis zum Ende des Ersten Weltkriegs beherrschten die Brüder den Markt für Staatsanleihen.

Dank des Notfallkreditgesetzes (Emergency Loan Act) von 1917 profitierten sie vom neu geschaffenen Handel mit sogenannten Liberty Bonds, amerikanischen Staatsanleihen, mit denen die USA ihre Kriegsführung finanzierten. In den 1930er Jahren besaßen die Salomon-Brüder bereits sechs Zweigstellen im Nordosten und mittleren Westen der Vereinigten Staaten.

Auf fallende Kurse setzend konnte die Firma den Börsencrash 1929 und die folgende Weltwirtschaftskrise überstehen, auch der Name Salomon blieb erhalten, nachdem man sich familienintern über die Weiterführung der Geschäfte geeinigt hatte.

In den folgenden Dekaden wuchs die Firma dann weiter, in den 1960ern erweiterte sie ihre Operationen unter der Führung des Erben Billy Salomon, dem „Golden Boy“ der Familie, um eine Forschungsabteilung mit dem später als „Dr. Doom“ bekannten Ökonomen Henry Kaufman.

Damals beherrschte Salomon Brothers den Bonds-Markt so vollständig, dass Anleihen nur dann als verkaufbar galten, wenn sie über ihre Handelsabteilung gingen. Bis zum Ende der 60er bildete die Bank gemeinsam mit Lehman Brothers, Blyth Eastman und Merrill Lynch die „Fearsome Foursome“.

Und dann kam die Ära von John Gutfreund
Gutfreund fing bei Salomon Mitte der 1950er Jahre als Trainee in der Statistik-Abteilung an, auf Einladung seines Golfpartners Billy Salomon. Er stieg schnell auf und wurde mit nur 34 Jahren Partner, mit 49 CEO. Unter seiner Leitung entwickelte sich Salomon Brothers besonders innovativ auf den Anleihe-Märkten.

In der Folge der Zweiten Ölkrise Anfang der 1980er Jahre bekämpfte der damalige FED-Vorsitzende Paul Volcker die herrschende Stagflation, eine volkswirtschaftliche Stagnation begleitet von hoher Inflation, mit außergewöhnlich drakonischen Leitzinserhöhungen (zeitweilig bis über 20 Prozent).

Die Ölpreisexplosion, ein klassischer Angebotsschock, hatte zu einer allgemeinen abrupten Preissteigerung geführt, die die Gewerkschaften bei Vollbeschäftigung dazu veranlasste, höhere Lohnforderungen zu stellen, um die Kaufkraftverluste auszugleichen. Erst durch diese Effekte bei den Löhnen kam es zu einer allgemeinen Inflationsbeschleunigung, weil es den Unternehmen gelang, diese Kostensteigerung in den Preisen weiterzugeben.

Hier schlug dann die Stunde der monetaristisch inspirierten Notenbanken. Die Zinsen stiegen überall auf Rekordwerte, die Investitionen und mit ihr die Konjunktur brachen ein, die Arbeitslosigkeit explodierte förmlich. Erst diese hohen Zinsen aber, die in der Folge auch noch zu starken Schwankungen neigten, machten das Anleihengeschäft für Salomon richtig lukrativ.

Denn die Kurse der dort gehandelten Bonds bewegten sich nun genauso stark auf und ab wie die Zinsen. Anleihen wurden so zu echten Spekulationsobjekten und damit zu einem riesigen Umsatzbringer für Salomon Brothers, jenes Unternehmen, das aufgrund seiner Geschichte die meiste Erfahrung und Sachkenntnis im Handel mit Anleihen vorweisen konnte. Die durch die Wirtschaftskrise ebenfalls stark steigende Verschuldung der Konsumenten, Unternehmen und des amerikanischen Staates weitete die Geschäfts-tätigkeit der Bank zudem noch zusätzlich gewaltig aus.

So wurde innerhalb eines Jahrzehnts aus dem wenig prestigeträchtigen und auch nicht besonders ertragreichen Geschäft des Anleihen-Tradings eine wahre „Gelddruck-Maschine“, die die Umsätze und Gewinne der Broker in ungeahnte Höhen schießen ließ.

In den späten 80ern „erfand“ dann Salomon Brothers die ersten Mortgage Backed Securities, die später in der Finanzkrise ab 2007 als strukturierte Finanzprodukte (Derivate) traurige Berühmtheit erlangen sollten. Zuvor war die Pfandbrief-Abteilung so etwas wie ein Stiefkind bei Salomon gewesen, da sich der Handel mit einzelnen Hypotheken als äußerst unpraktisch und unrentabel erwiesen hatte.

Obwohl die Gesetzgeber seit den dreißiger Jahren eine ganze Reihe von Anreizen geschaffen hatten, damit die Amerikaner für den Bau ihrer Eigenheime Kredite aufnähmen, und diese davon auch in hoher Zahl Gebrauch machten, blieb die Hypothekenfinanzierung lange ein Geschäft der Spar- und Darlehenskassen.

Diese Art der Schuldverschreibungen waren keine Papiere, mit denen man Handel im Stil der Wall Street betreiben wollte und konnte. Um eine Anleihe werden zu können, musste die Hypothek entpersonalisiert werden. Dafür war es notwendig, sie mit anderen Krediten von anderen Hausbesitzern zusammenzulegen.

Lewie Ranieri, einer der Hauptdarsteller in Michael Lewis‘ Buch, übernahm 1979 die Leitung des Hypotheken- und Pfandbriefbereiches von Salomon. Mit seinem Namen ist die organisierte Verschmelzung von tausenden Hypotheken in Pools verbunden.

Von diesen Krediten könnte dann nach den Gesetzen der Wahrscheinlichkeit nur ein kleiner Bruchteil ausfallen. Damit war man in der Lage, Papiere auszugeben, die dem Halter einen bestimmten Anteil der durch den Pool generierten Erträge garantierten. So genormt und standardisiert ließ sich mit diesen Pfandbriefen auch handeln.

Zudem profitierte die Pfandbriefabteilung zu Beginn der 90er von den Auswirkungen der amerikanischen Sparkassenkrise, indem sie unzählige mit hohen Zinsen belastete Hypotheken, die die Sparkassen zuvor günstig aufgrund gesetzlicher Regelungen abstoßen mussten, im Aufschwung des boomenden Anleihenmarktes teuer weiterverkaufen konnten.

Doch unter der Ägide John Gutfreunds begann auch der Abstieg von Salomon Brothers. Der erste Skandal fand im August 1990 statt: Der Trader Paul Mozer gab über Monate illegale Gebote bei der Versteigerung von US-Staatsanleihen ab, obwohl die vom Gesetz maximal erlaubte Quote von 35 Prozent der Anteile für Salomon Brothers damit überschritten wurde. Mozers Vorgesetzter, John Meriwether maßregelte ihn zwar, als er von diesen Aktionen erfuhr, ließ ihn aber ansonsten gewähren.

Bei einem zweiten Versuch folgten dann Konsequenzen: die amerikanische Börsenaufsicht SEC reagierte und belegte Salomon Brothers mit einer Rekordstrafe von 290 Millionen Dollar. Mozer wurde suspendiert und Meriwether und Gutfreund mussten die Firma 1991 verlassen. Salomon aber stand gleichzeitig am Rande des Bankrotts.

Neben Meriwether war auch Myron Scholes, damals stellvertretender Leiter der Abteilung für festverzinsliche Derivate, zum Rücktritt gezwungen worden. Er gründete übrigens später mit Meriwether Long-Term Capital Management. Wie diese Geschichte ausging, wissen wir ja bereits.

Warren Buffett als Retter
Der Chef der Holdinggesellschaft Berkshire Hathaway hatte 1987 bereits 700 Millionen Dollar in Salomon Brothers investiert, als er nach dem Ausscheiden von Gutfreund den Vorsitz der Bank übernahm. 1997 verkaufte Buffett das Unternehmen mit einem Gewinn von 1,7 Milliarden $ an den Versicherungskonzern Travelers, der später selbst von der Citigroup geschluckt wurde.

Nachdem Warren Buffett Salomon verlassen hatte, änderten sich die Verhältnisse in der Bank grundlegend. Das Finanzunternehmen Travelers hatte eine ganz andere Geschäfts-auffassung und so wurde kurz nach der Übernahme ein Großteil der berühmt-berüchtigten volatilen Handelsaktivitäten von Salomon Brothers eingestellt.

Doch der Name des früheren Wall-Street-Giganten lebt selbst nach der Integration in den Citi-Konzern noch weiter. Gerüchten zufolge sollen auch heute noch Investoren bei der Citigroup anrufen und nach „Salomon“ verlangen.

Vergessen wird dabei allerdings oft, dass gerade diese Bank vor allem durch das skrupellose Ausnutzen der Folgen von Wirtschafts- und Finanzkrisen zu Größe und zweifelhaftem Ruhm gelang.

So steht denn auch der Name Salomon heute ebenfalls symptomatisch für sämtliche Fehlentwicklungen eines alle Regeln und Grenzen sprengenden Finanzsystems. Die Silicon Valley Bank und die Credit Suisse lassen dabei auch Jahrzehnte später noch herzlich grüßen.