Frank-Walter Steinmeier biedert sich bei den Arbeitgebern an und redet die Agenda 2010 schön

Ein Beitrag zu den Gründen, weshalb es keine rot-rot-grüne Koalition auf Bundesebene gibt und auch so schnell wohl nicht geben wird:
Schließlich sind in der SPD noch einige „Seeheimer“ und „Netzwerker“ mehr, die (leider) immer noch so oder ähnlich denken und reden…


Ab der 17. Minute:

…wir sind auch Dank einer mutigen Reformpolitik, die in diesem Lande stattgefunden hat, ganz gut aufgestellt – auch im Wettbewerb mit den anderen. Wir haben jetzt fünf Wachstumsjahre in Folge. Wir haben Rekordniveaus bei Beschäftigung, bei Exporten und bei Staatseinnahmen. Das ist alles wahr. Und ich weiß, daß die meisten hier im Saal trotz der anstrengenden, gefährlichen, risikobehafteten Umsteuerungsarbeit, die wir damals zu machen hatten, ihre Zuneigung zur Sozialdemokratie immer noch unterkühlt handhaben.
(…)
Deshalb sage ich jetzt ohne Larmoyanz, und die Entscheidungen liegen ja zehn Jahre hinter uns, wenn Sie sich in gerechter Weise zurückerinnern, dann hat es aber die entscheidenden Steuersenkungen und zwar in einem Volumen von mehr als 60 Milliarden Euro unter einer sozialdemokratischen Regierung gegeben:

■Mit der Senkung des Spitzensteuersatzes,
■mit der Senkung des Eingangssteuersatzes,
■mit der Senkung der Unternehmenssteuern.

Sie haben bis dahin Ihre Kapitalzinsen nach dem Einkommensteuergesetz bezahlt, und seit der Zeit nur noch für die Hälfte ungefähr versteuert nach dem Abgeltungssteuergesetz.
Das war damals immerhin sozialdemokratische Steuerpolitik und ich finde bis heute ist das nicht so ganz schlecht. (Beifall)

Ich habe mir das selbst noch einmal in Erinnerung gerufen, weil (…) ich den Eindruck hatte, Sie fühlen sich alle bei dem Unionsteil einer möglichen Großen Koalition besser aufgehoben als beim sozialdemokratischen Teil einer Großen Koalition. Deswegen erinnere ich natürlich nicht nur an die Steuerpolitik, für die wir Verantwortung getragen haben, sondern ich sage mal dabei, daß auch die Reform der Arbeitsverwaltung, die Flexibilisierung der Arbeitszeiten, die Aufhebung der Spaltung am Arbeitsmarkt, die Halbierung der Beiträge zur Arbeitslosenversicherung – auch das waren Entscheidungen, die wir damals getroffen und durchgesetzt haben, mit denen wir miteinander – nicht Sie alleine – unter ökonomischen Gesichtspunkten ganz gut leben – miteinander. Und deshalb sage ich Ihnen auch entgegen manchem Verdacht, von dem ich auch in Zeitungen dieser Tage lese: Nachdem wir das alles durchgerungen haben, uns haben beschimpfen lassen, auch Wahlen verloren haben dafür, müssen Sie sich jetzt nicht vorstellen, dass wir das, was ökonomischen Erfolg in dieser Republik begründet hat, nachträglich auf irrsinnige Weise in Frage stellen, sondern wir wissen, was das für Mühe gekostet hat, dieses Land aus mancher Unbeweglichkeit zu befreien. Und deshalb kann ich mir auch nicht vorstellen, dass die Rückabwicklung sinnvoll und gut wäre.

Ich will Ihnen nur sagen, wenn man an der einen oder anderen Stelle trotzdem … versucht etwas zu korrigieren, was im Blick auf die letzten zehn Jahre trotz Reform aus dem Ruder gelaufen ist, etwa bei der Leiharbeit oder bei der Entwicklung der Aufstockerei für den Niedrigstlöhner, wenn man das versucht zu korrigieren, dann sollte das auch in Ihrem Interesse, im Interesse von Arbeitgebern, liegen, weil eigentlich doch keiner ein Interesse daran haben kann – wie ich unterstelle mal, Sie auch nicht – dass Zustimmung und Akzeptanz zur Marktwirtschaft aufgrund solcher Fehlentwicklungen, die wir einfach laufen lassen, dass Akzeptanz der Marktwirtschaft auf diese Weise erodiert.

Rede-Text dankenswerterweise dokumentiert von Albrecht Müller (NachDenkseiten)

Kein Wort darüber, dass der „Beschäftigungsboom“ nur auf tönernen Füßen steht, weil seit über zehn Jahren die Anzahl der tatsächlich geleisteten Arbeitsstunden stagniert und daher die vorhandene Arbeit nur zu geringeren Löhnen auf mehr Schultern verteilt wurde.

Kein Wort darüber, dass die Arbeitslosigkeit zudem im Vergleich zum Vorjahr seit 14 Monaten unnunterbrochen wächst.

Kein Wort darüber, dass es seit fast zwanzig Jahren keine Reallohnsteigerungen mehr für die Arbeitnehmer gegeben hat.

Kein Wort darüber, dass inzwischen fast jeder vierte Arbeitsplatz zum Niedriglohnbereich gerechnet werden muss.

Kein Wort darüber, dass inzwischen fast jeder Fünfte in Deutschland von Armut und sozialer Ausgrenzung betroffen ist.

Kein Wort darüber, dass es gerade diese deutschen Dumpinglöhne waren, die die südeuropäischen Staaten in die Leistungsbilanzdefizite und damit in die Verschuldung und Arbeitslosigkeit getrieben haben.

Kein Wort darüber, dass die „Wachstums-Rekorde“ im Schnitt nicht einmal 1% pro Jahr betragen haben.

Kein Wort darüber, dass die Investitionen weiter sinken, obwohl die Unternehmereinkommen kräftig steigen.

Kein Wort darüber, dass die Einzelhandelsumsätze in Deutschland noch immer unter dem Niveau Anfang der 90er Jahre liegen.

Kein Wort darüber, dass die Binnenkonjunktur weiter stagniert.

Kein Wort darüber, dass diese ganzen Reformen und Einsparungen nichts dazu beigtragen haben, den Anteil der Sozialstaatskosten am Bruttoinlandsprodukt nennenswert zu verringern.

Das alles wird verharmlosend in einem einzigen Satz als Nebensächlichkeit abgehandelt.

Stattdessen der Versuch einer Einschmeichelei bei den Arbeitgebern, wie es wohl kaum ein Konservativer oder Liberaler besser machen könnte. Da ist kein Rest sozialdemokratischer Ansichten mehr zu erkennen, nur noch reine Angebotspolitik im Sinne der Unternehmer.

Solange es solche und ähnliche extrem einseitige Ansichten in der SPD noch gibt, bzw. diese noch mehrheitsfähig sind, wird es so schnell keine alternative Wirtschaftspolitik mit und bei den Sozialdemokraten geben.

Stattdessen ist anzunehmen, dass sie sich wieder als Steigbügelhalter neoliberaler „Reformen“ verdingen werden…