Die Märkte funktionieren nicht überall

Wenn wir bei allem was wir tun über den Preis dieser Transaktion feilschen müssten, würde wahrscheinlich vieles nicht gemacht werden.

Walk under the cherry tree Muko-River サクラの木下の散歩(武庫川上流) DSCF0228☆
Wie würden Sie es finden, über das Recht auf einen Spaziergang verhandeln zu müssen?

Der amerikanische Ökonom Tyler Cowen hat auf seinem Blog eine laufende Serie von Posts mit dem Titel „Markets in Everything“. Auch andere Wirtschaftswissenschaftler und Journalisten haben diese Phrase übernommen, mit gutem Grund – handelt es sich dabei doch um eine eindrucksvolle und kraftvolle Idee, die als eine der Grundlagen der westlichen politischen Ökonomie im späten 20. Jahrhundert angesehen wird.

Der Gedanke dahinter ist der, dass Märkte – als Systeme von Eigentumsrechten mit freiem Kauf und Verkauf – den besten Weg darstellen, eine Vielzahl von menschlichen Interaktionen zu organisieren. Jahrzehnte nachdem die Beatles “Can’t Buy Me Love” sangen, sinniert heute eine ganze Generation von libertären Denkern darüber nach, um wie viel besser die Welt wäre, wenn die Menschen alles kaufen und verkaufen könnten.

Einige, wie etwa die beiden Autoren Jason Brennan und Peter Jaworski, führten diese Idee weiter aus bis hin zu extrem radikalen Ideen und argumentierten, dass man alles von Körperteilen bis zu Schulnoten zum Verkauf stellen sollte. Obwohl nur wenige wohl tatsächlich so weit gehen würden, schien diese Idee gut in eine politische Ära der Privatisierung und Deregulierung zu passen. Ökonomen tendierten aber auch dazu, diese Gedanken aus einem alltäglicheren Grund zu mögen – mathematische Modelle mit so genannten kompletten Märkten lassen sich viel einfacher berechnen.

In den USA ist der Glaube an die Macht der freien Märkte immer noch aktuell. Die Trump-Regierung erwägt beispielweise ein Vorhaben, mit dem viele militärische Aufgaben durch private Vertragspartner übernommen werden sollen. Donald Trump kassierte zudem auch einen Vorschlag aus der Obama-Ära für ein Gesetz gegen die Bezahlung von Knochenmarkspenden wieder ein. Bei den Linken unterstützen viele Denker dagegen die Legalisierung der Prostitution. Die US-Bundessteuerbehörde Internal Revenue Service experimentiert zur Zeit mit privaten Steuerschuld-Eintreibern. Bemühungen zur Verringerung von privaten Gefängnis-Firmen sind zudem ins Stocken geraten.

Zum größten Teil ist diese Entwicklung nicht wirklich gut so. Wie jede Ideologie hat auch die der grenzenlosen freien Märkte ihre Grenzen, und wie jede Bewegung erreicht sie irgendwann diese Limits. Es gibt viele Gründe, warum eine Vielzahl von menschlichen Interaktionen ohne Geld oder irgendeine Art von Quid pro quo durchgeführt werden sollte. Und überraschenderweise tauchen diese Probleme in vielen Bereichen des menschlichen Lebens auf, in denen jetzt versucht wird, sie für die Märkte zu erschließen.

Die Schwierigkeiten mit den Märkten fallen vor allem in eine umfassende Kategorie, die Ökonomen gerne „Transaktionskosten“ nennen. Dieser Begriff bezieht sich auf alle Kosten, die Menschen zahlen, wenn sie sich direkt in Markttransaktionen engagieren. Dabei handelt es sich nicht nur um die Umsatzsteuer oder Nutzungsgebühren für Kreditkarten. Der Handel auf Märkten erfordert Zeit und Mühe, um einen Käufer mit einem Verkäufer zusammenzubringen, um die Vertrauenswürdigkeit der Beteiligten zu prüfen, um Preise zu verhandeln und festzustellen, ob die Gegenpartei die gewünschten Güter oder Ergebnisse geliefert hat.

Der Ökonom Ronald Coase erkannte, dass dies der Grund ist, warum Unternehmen in erster Linie überhaupt existieren. Denn Firmen erscheinen wie kleine Regierungen – anstatt jedes Mal über eine monetäre Zahlung neu zu verhandeln, wenn Sie einen Bericht schreiben oder einen Code entwickeln oder eine Stunde Arbeit erledigen, sagt Ihnen Ihr Chef einfach, dass Sie dies tun sollen und Sie machen es. Die langfristigen, impliziten, unstrukturierten wirtschaftlichen Beziehungen innerhalb eines Unternehmens reduzieren daher Zeit und Mühe. Es fällt damit auch nicht schwer sich vorzustellen, dass viele menschliche soziale Institutionen – Gemeinschaften, Regierungen, sogar Gruppen von Freunden – eine ähnliche Funktion erfüllen.

Transaktionskosten können auch aus natürlichen menschlichen Emotionen entstehen. Stellen Sie sich vor, wenn jemand Ihnen Geld anbieten würde, um Ihr Freund zu sein. Wenn Sie ein normaler Mensch sind, würde sich die Idee, eine Freundschaft auf eine kalten, selbstsüchtigen Austausch herunter zu brechen wahrscheinlich für Sie erledigt haben. Beim Sex, der oft noch eine wesentlich tiefere emotionale Bindung als eine Freundschaft schafft, verhält es sich ähnlich, was erklären würde, warum so viele Gesellschaften die Prostitution missbilligen. Und wer seine Organe für Geld verkauft, ist von Natur aus für viele besonders anstößig.

Innerhalb von Unternehmen werden Beschäftigte oft für Loyalität gegenüber Mitarbeitern oder einer Organisation ausgezeichnet. Dies lässt sich mit der überraschenden, aber durchaus häufigen Erkenntnis erklären, dass direkte monetäre Anreize oft die Arbeitsleistung eher reduzieren und nicht erhöhen. Die Privatisierung der Armee, der Zollbehörden und der Zuchthäuser wäre eine schlechte Idee, denn sie ignoriert die entscheidenden Funktionen, die Loyalität, Hingabe, Idealismus und Engagement bei den Streitkräften, Bürokraten und Gefängniswärtern spielen.

Transaktionskosten können auch aus den Marktentscheidungen anderer Personen resultieren. Dies nennt man dann externe Effekte. Wenn die Leute ihre Häuser verfallen lassen, treffen sie damit eine Marktentscheidung, indem sie nicht für die Unterhaltung bezahlen wollen, doch sie belegen auch ihre Nachbarn mit Kosten, weil diese jetzt in einem heruntergekommenen Viertel leben müssen. Regierungen versuchen oft, diese Externalitäten mit der Hilfe von Märkten zu bewältigen – beispielsweise bei Cap-and-Trade-Vereinbarungen über Verschmutzungsrechte. Doch wenn sie sich selbst überlassen wird, beschäftigt sich die Gesellschaft mit externen Institutionen oft durch Nicht-Markt-Mechanismen – wie Nachbarschaftsverbände beispielsweise.

Bis zum grotesken Extrem getrieben, würde die Ideologie der allwissenden freien Märkte viel zu viele Transaktionskosten verursachen. Stellen Sie sich vor, eine Gebühr für die Luft zu zahlen, die Sie atmen oder um die Straße hinunter zu gehen in der Sie leben. Ein solches Paradies der freien Märkte würde sich eher wie ein Gefängnis anfühlen.

Das Ende des 20. Jahrhunderts sah eine Ausweitung der menschlichen Beziehungen, die auf den Märkten stattfinden. Doch das frühe 21. Jahrhundert sollte eine Zeit sein, diesen Trend zu überdenken. Die Idee der Märkte für alles stößt nun an ihre natürlichen Grenzen.

(eigene Übersetzung eines Blogbeitrages des amerikanischen Ökonomen Noah Smith)