Die Geschichte wiederholt sich doch, nur die Ökonomen lernen offenbar nichts daraus

Es lief alles ganz hervorragend für die Reichen, die jeden Kredit bekamen, den sie dazu benötigten, um das Wirtschaftssystem nach den napoleonischen Kriegen zwischen rigider Deflation und monetärer Orthodoxie einzuklemmen: es war dagegen stets der kleine Mann, der weiterhin litt, und der in allen Ländern und zu allen Zeiten des neunzehnten Jahrhunderts leichteren Zugang zu Krediten und eine andere Finanzpolitik forderte.

E. J. Hobsbawm, in seinem Buch „The Age of Revolution 1789 – 1848“, S. 39

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Die schwersten Konsequenzen [der ersten kapitalistischen Wirtschaftskrisen] waren sozialer Art: die Umstellung auf die neue Ökonomie schuf Elend und Unzufriedenheit, und damit die Materialien für eine soziale Revolution. Und in der Tat, die soziale Revolution in Form von spontanen Aufständen der städtischen und industriellen Armen brach aus und gebar die Revolutionen von 1848 auf dem Kontinent sowie die gewaltige Chartisten-Bewegung in Großbritannien.

Doch die Unzufriedenheit beschränkte sich nicht nur auf die arbeitenden Armen. Einfache und eher unflexible Geschäftsleute, kleinbürgerliche und andere spezielle Teile der Wirtschaft waren ebenso Opfer der industriellen Revolution und ihrer Auswirkungen.

Eher unbedarfte Arbeiter reagierten auf das neue System, indem sie wie die Ludditen die Maschinen „erstürmten“, die sie für ihre Probleme verantwortlich machten; aber eine überraschend große Menge an lokalen Geschäftsleuten und Bauern sympathisierte heftig mit diesen stürmischen Aktivitäten ihrer Arbeiter, da sie sich ebenso als Opfer einer teuflischen Minderheit von selbstsüchtigen Erneuerern sahen.

Die Ausbeutung der Arbeitskräfte, deren Einkommen am Existenzminimum gehalten wurden, ermöglichte es den Reichen, die Gewinne aus der finanziellen Industrialisierung massiv auszuweiten und rief damit den Widerstand des Proletariats hervor. Aber ein anderer Aspekt dieser Umverteilung des Nationaleinkommens von den Armen zu den Reichen, vom Konsum zur Spekulation, verärgerte auch die kleinen Unternehmer.

Die großen Finanziers, die enge Gemeinschaft von einheimischen und ausländischen „Fondsinhabern“, die all das erhielten, was die Allgemeinheit an Steuern bezahlte – in etwa um die 8 Prozent des gesamten nationalen Einkommens – waren bei den kleinen Geschäftsleuten, Bauern und dergleichen wohl noch unbeliebter als unter den Arbeitern, denn diese wussten ihrerseits genug über Geld und Kredit, um eine persönliche Wut über ihre Nachteile zu empfinden.

So weit die Stimme von Eric Hobsbawm in seinem bekanntesten Buch über das post-napoleonische Europa.

Doch wie aktuell ist diese Ansicht heute?

Wir befinden uns derzeit in einer ähnlichen Situation. Unsere Elite, sowohl in den USA als auch in Europa, verwaltet die Wirtschaft für ihre eigenen Zwecke. Die Abschottung zum alltäglichen Volk ist erstaunlich. Die Hybris und schlichte Niederträchtigkeit des Ganzen ist ebenso erstaunlich.

Schauen Sie sich Griechenland an: der Versuch, eine teutonische „Fiskaldisziplin“ über eine strenge Sparpolitik durchzusetzen hat schlichtweg die Schulden, deren Reduzierung eigentlich das Ziel dieser Politik darstellten sollte, zu einem noch größeren Problem gemacht. Es ist ein Beispiel für episches Politikversagen. Den Griechen, trotz all ihrer früheren Laxheit und fiskalen Unfähigkeit, ist für ihren Ruf nach einem Ende der Dummheit zu applaudieren.

Außerdem ist es nicht nur dumm, sondern zudem auch unbarmherzig grausam.

Für die politischen Entscheidungsträger bedeutet das Ignorieren der menschlichen Folgen ihrer Initiativen eine monströse ethische Doppeldeutigkeit. Gerade Ökonomen neigen dazu, ihre Köpfe in den Sand zu stecken und vorzugeben, dass das, was sie vermuten nur eine Theorie sei und die realen Folgen nicht deren Konsequenzen sondern nur zufällige Unfälle wären.

Das bedeutet, dass die menschlichen Verwüstungen nicht das Ergebnis einer Theorie darstellen, die ein glückliches Ende, mehr Effizienz und das Nirvana der Optimierung versprochen hatte. Offenbar sind solche verheerenden Folgen für diejenigen, die eine Politik auf der Grundlage solcher Theorien vorschlagen, einfach nur notwendige Übel auf dem Weg zu diesem Happy End. Je heftiger die menschliche Katastrophe ausfällt, desto größer wird die Kluft zwischen Realität und Utopie. Und umso stärker wird auch das Argument für ihre Lösungsvorschläge, sagen dann die Anhänger einer solchen Glaubensrichtung.

Also das Dorf niederbrennen, um es zu retten?

Den Ökonomen, die utopische theoretische Konstrukte vorschlagen, muss die Verantwortung für die menschlichen Kosten ihres extremen Glaubens vorgehalten werden. Sie sind entweder unmoralisch, weil sie sich nicht um die Kosten für das, was sie vorschlagen kümmern; oder sie sind zusammen mit der Elite mitschuldig und wollen an der Unterdrückung teilnehmen. Oder beides.

Es ist entmutigend, dass die Ökonomie so engstirnig geworden ist, ihre eigene Geschichte zu ignorieren. Nicht nur die Wirtschaftsgeschichte, sondern die Geschichte der ökonomischen Lehre selbst.

Wie kann das sein?

Die Volkswirtschaftslehre sollte, trotz allem, einfach nur Volkswirtschaften erklären und beschreiben. Und Volkswirtschaften sind in einem ständigen Fluss. Und so müsste auch die ökonomische Lehre im Fluss und in der Lage sein, sich im Gleichschritt mit der Wirtschaft zu verändern.

Eine Theorie, die in einem primitiven industriellen Umfeld funktioniert, ist in unserem erweiterten und komplexeren, miteinander verbundenen und doch sehr bürokratischen Rahmen möglicherweise nicht mehr ganz so gut. Und große intellektuelle Energie für zeitlose Wahrheiten aufzuwenden, erscheint da eher als reine Verschwendung. Nicht, dass es keine Konstanten gäbe, doch diese Konstanten sind in der Regel unter einem Haufen von kurzlebigen und anderen kurzfristig wichtigen Auswirkungen begraben.

Und viele dieser anderen Effekte sind in ihren Ursprüngen politischer, kultureller, institutioneller, geografischer, erkenntnistheoretischer oder einfach nur menschlicher Natur.

Wie auch immer, eine allgemeingültige Konstante wird sein, dass sich die Reichen weiterhin in Bezug auf die Deflation irren. Sie werden dagegen immerfort die Tugenden der Kreditwürdigkeit preisen. Sie werden sich über den geringsten Anflug von Inflation beschweren. Und sie werden alles tun, um die Politik weiter für ihren eigenen Vorteil arbeiten zu lassen.

Eines der häufigsten Themen derjenigen, die die politische Agitation in der Zeit unmittelbar nach den Napoleonischen Kriegen betrieben, egal ob in Frankreich, Großbritannien oder den Vereinigten Staaten, war ihr Wunsch, heterodoxer Ökonomie zu folgen. Orthodoxie war und ist stets eine intellektuelle Verteidigung der Elite.

So wie jetzt. Richtig?

(eigene Übersetzung und Erweiterung eines sehr lesenswerten Blogbeitrages des amerikanischen Ökonomen Peter Radford)