Die Erhöhung des Mindestlohns in Seattle: ein Desaster?

Dunkle Warnungen wurden im Zuge der Verabschiedung der Mindestlohn-Verordnung in Seattle geäußert. „Minimum-Lohn-Erhöhung von Seattle endet sicher in einem Desaster“ und „Seattle erlebt Ausnahmen vom $ 15 Mindestlohn“.


Mindestlohn pro Stunde in Seattle (blau), als Ansatz 1 (dunkelblau ) und als Ansatz 2 (hellblau) sowie auf Bundesebene (rot). Quelle: BLS und City of Seattle

In einer frühen und inzwischen längst entzauberten Einschätzung schrieb der Ökonom Mark J. Perry: „Neuere Untersuchungen legen nahe, dass Seattles ‚radikales Experiment‘ ein Modell für den Rest der Nation sein könnte, dem man nicht folgen sollte“.

Zunächst wäre es eine gute Idee, den „15 $ Mindestlohn“ in einen entsprechenden Kontext zu setzen. Er wird im Laufe der Zeit nur schrittweise eingeführt und gilt nicht in gleicher Weise für alle Unternehmen. Abbildung 1 zeigt den Mindestlohn in Seattle über eine lange Zeitspanne, differenziert als Ansatz 1 (für Unternehmen über 500 Mitarbeiter) und Ansatz 2 (mit weniger als 500).

Es scheint da tatsächlich einen alarmierend steilen Anstieg des Mindestlohns zu geben, vor allem, wenn man sich auf die Rate für große Unternehmen konzentriert. Freilich handelt es sich dabei um die nominalen Raten. Die realen Lohnsätze zeichnen dagegen ein etwas anderes Bild.


Realer Mindestlohn pro Stunde in Seattle (blau), und für Ansatz 1 (dunkelblau ) und Ansatz 2 (hellblau ), sowie aktuell auf Bundesebene (rot) und projiziert auf Bundesebene (dunkelrot), auf einer Log-Skala. Deflationiert mit dem Consumer Price Index (CPI) für die USA, und dem nicht preisbereinigten CPI für Seattle…Quelle: BLS und City of Seattle, BLS via FRED, City of Seattle, Forbes und eigene Berechnungen des Autors.

Dabei muss man feststellen, dass inflationsbereinigt der reale Mindestlohn in Seattle nur geringfügig höher ausfällt als der in den späten 1960er Jahren aufgezeichnete Lohnuntergrenze. Zudem ist auch der Mindestlohn gemäß Ansatz 2 (kleine Firmen mit weniger als 500 Beschäftigten) nach der – zugegebenermaßen in einer etwas simplen Art und Weise – erfolgten Anpassung an die höheren Lebenskosten in Seattle in einem nationalen Kontext nicht besonders hoch.

Was sagen wissenschaftliche Arbeiten über die Auswirkungen des Mindestlohns von Seattle? Ein Papier von Heather Hill, Jennifer J. Otten, Emma van Inwegen und Jacob Vigdor mit dem Titel „Frühe Erkenntnisse über die Auswirkungen von Seattles Mindestlohn-Verordnung“ hat das so zusammengefasst:

Dieser Beitrag gibt einen Überblick über die 2014 in Seattle erlassene Verordnung über einen allmählichen Anstieg des Mindestlohns auf 15 $. Er beschreibt dazu auch eine Forschungsagenda für eine umfassende Bewertung der Auswirkungen dieser Verordnung, die gleichzeitig mit der Einführungsphase vollzogen wurde. Die Auswertung erfolgt mit Originaldaten über Preise aus verschiedenen Bereichen und den Perspektiven von Arbeitgebern und Arbeitnehmern sowie der sekundären Datenerhebung und aus staatlichen Verwaltungsdaten.

Dieser Beitrag stellt die Ergebnisse einer Reihe von Untersuchungen über Verbraucherpreise, einschließlich einer intensiven Feld-Sammlung in Lebensmittelgeschäften und anderen kleinen Unternehmen. Die meisten Untersuchungen verwenden die Difference-in-difference Methode, um Trends in Seattle mit den umliegenden Bezirken zu vergleichen.

Die Ergebnisse zeigen keinen statistisch signifikanten Einfluss des anfänglichen Anstiegs auf einen Mindestlohn von 11 $ auf die Verbraucherpreise in Seattle, obwohl die Schätzungen ungenau genug sind, um sie mit den geringen positiven Effekten aus anderen Studien sowie dem suggestiv konzentrierteren Einfluss in der Gastronomie in Einklang zu bringen.

Also doch noch kein Armageddon.

(Eigene Übersetzung eines Blogbeitrages des amerikanischen Ökonomen Menzie Chinn)