In den bisherigen Beiträgen (Teil 1, Teil 2 und Teil 3) wurde folgende These von Wilhelm Lautenbach nachvollzogen:
Die bisherigen Ausführungen haben erwiesen, daß die Gesamtmasse des Unternehmergewinnes jeweils eindeutig bestimmt wird positiv durch den Aufwand für Investitionen und den Eigenverbrauch der Unternehmer, negativ durch die Ersparnisse der Nichtunternehmer. Diese Beziehung wird verwirklicht durch den Preismechanismus. Die Preise sind unter dem Einfluß dieser gegensätzlich wirkenden Faktoren so eingestellt, daß der Unternehmergewinn in der angegebenen Höhe als Differentialgewinn erzielt wird.
Lautenbach: Zins, Kredit und Produktion (1952), S. 32
Zur Verdeutlichung dieses Sachverhaltes ziehen wir wieder das Schaubild der Kostenaufteilung der Produktion der Verbrauchsgüterindustrie zu Rate:
(Abbildung selbst erstellt)
Dabei zeigt sich, dass die Gesamtmasse des Unternehmergewinns, der erzielt werden muss, damit die Grenzproduzenten gerade noch existieren können, abhängig ist von dem Verlauf der Gesamtangebotskurve. Je steiler diese ist, desto größer fällt dieser aus, je flacher, desto geringer muss der Unternehmergewinn sein.
Ist die Leistungsfähigkeit der Grenzproduzenten annähernd gleich, reicht schon ein entsprechend geringerer Gewinn aus, um die Aufrechterhaltung der Wirtschaft auf dem angenommenen Stand zu gewährleisten.
Im äußersten Fall genügt dann schon der Eigenverbrauch der Unternehmer, um den notwendigen Gesamtgewinn zu erzeugen.
Allerdings müßte dann auch die Neuinvestition so hoch sein wie die Ersparnisse der Nichtunternehmer.
Sollte mehr investiert werden als die Nichtunternehmer sparen, würden die Preise der Konsumgüter über die Grenzkosten steigen und die Unternehmer insgesamt einen größeren Gewinn erzielen, als er notwendig wäre um den Beschäftigungsgrad zu halten.
Gäbe es dann noch ungenutzte Produktionsfaktoren wie nicht ausgelastete Kapazitäten oder unbeschäftigte Arbeiter, so würde die Produktion entsprechend ausgedehnt werden.
Kurz gesagt bedarf es also immer eines bestimmten Aufwandes an Investitionen, um die Volkswirtschaft in den Bereich der Vollbeschäftigung zu bringen.
Dieser Bedarf ist, wie oben bereits ausgeführt, abhängig von der Neigung der Angebotskurve und dem Verbrauch der Unternehmer sowie den Ersparnissen der Nichtunternehmer.
Dabei dürfte klar sein, dass die Neigung der Kostenkurve von den Produktionsbedingungen bestimmt wird und damit als gegeben hingenommen werden muss.
So bleibt dann letztlich die Erkenntnis, dass das Investitions-Soll umso höher sein muss, je mehr die Nichtunternehmer sparen und je weniger die Unternehmer selbst verbrauchen.
Die Paradoxität des Begriffs „Sparen“ in Bezug auf die Unternehmer im einzelnen und als Gesamtheit hat Lautenbach dabei wie folgt dargestellt:
Wenn man will, kann man eine Haltung der Unternehmer, die sich dadurch charakterisiert, daß sie sich bemühen, wenig zu verbrauchen, als Sparsamkeit bezeichnen; aber es wäre nicht richtig von Sparen und Ersparnissen der Unternehmer zu sprechen, wenn man die Unternehmer insgesamt betrachtet.
Lautenbach: Zins, Kredit und Produktion (1952), S. 33
Für die Nichtunternehmer dagegen ergebe dieser Begriff Sinn:
Sparen bedeute, über ein entsprechendes Einkommen verfügen zu können und dabei so zu verfahren, dass ein Teil davon eben nicht ausgegeben sondern gespart wird.
Für die Gesamtheit der Unternehmer sehe das allerdings anders aus:
Wenn sie weniger verbrauchen, sind nicht ihre Ersparnisse höher, sondern ihre Einkommen um den Betrag geringer, den sie weniger ausgegeben haben.
Dabei muss man allerdings beachten, dass dies nur für die Unternehmer insgesamt gilt.
Für den einzelnen Produzenten verhält es sich so wie für die Nichtunternehmer, wenn er von dem Verhalten der anderen Unternehmer abweicht.
Verbraucht ein Unternehmer mehr, während alle anderen gerade dies nicht tun, so spart er tatsächlich weniger im Verhältnis zu den anderen.
Steigern sie aber alle gleichzeitig ihren Verbrauch, so würde das keineswegs für den einzelnen oder die Gesamtheit einen geringeren Vermögenszuwachs bedeuten, sondern ist dann davon auszugehen, dass sie insgesamt eine Erhöhung ihres Vermögens erreichen würden.
Aufgrund der allgemeinen Verbrauchssteigerung der Unternehmer käme es nämlich zu einer Preissteigerung, welche die Nichtunternehmer, deren Einkommen dadurch verringert würden, dazu veranlassen könnte, mehr für ihren Konsum auszugeben, um ihren Lebensstandard auf dem bisherigen Level zu halten.
Damit würde dann auch die Höhe ihrer Ersparnisse verringert.
Dieses Phänomen ist allgemein als das Konkurrenzparadoxon bekannt und wurde von mir bereits in der Serie über die Saldenmechanik behandelt.
Mit dieser Darstellung des Zusammenhanges zwischen Investieren und Sparen stellte sich Lautenbach bewußt gegen die Annahmen der klassischen Theorie.
Ging diese davon aus, dass Investitionen zwingend ein vorheriges Sparen notwendig machten, so bewies er das Gegenteil.
Seine Ansicht war, dass die Ersparnis durch die Investition bestimmt werde und erst mit dieser eintrete; sie entspreche ihr dabei genau in der gesamten Größe, ohne aber dasselbe zu sein.
Einfacher gesagt wird also die Ersparnis durch die Investitionen und nicht umgekehrt die Investitionen durch die Ersparnisse festgelegt.
So vertrat er dann auch folgerichtig die Meinung, dass es sich beim Sparen um einen reinen Verteilungsbegriff handele:
Das Sparen entscheidet nicht über die Gesamtgröße der Investitionen sondern nur über den Anteil der Wirtschaftssubjekte an dem Vermögenszuwachs den die Volkswirtschaft durch die Investition erfährt.
Lautenbach: Zins, Kredit und Produktion (1952), S. 34
Weiter geht es im nächsten Beitrag mit der Ausweitung des bisher verwendeten volkswirtschaftlichen Modells einer geschlossenen Ökonomie auf die Einflüsse eines unabhängig gegebenen Zinssatzes auf die Investitionen und damit auch auf das Beschäftigungsvolumen.