Vorspiel zur Krise auch in Deutschland: „Bad Bank“ sorgt 2003 für Aufregung

Es ist nun schon zehn Jahre her, da erschien folgender Artikel im Handelsblatt:

24.02.2003 | Aktualisiert 23.10.2008, 12:14 Uhr
Indiskretion nach Spitzentreffen
„Bad Bank“ sorgt für Aufregung

Diskussionen um eine Auffanggesellschaft für notleidende Kredite deutscher Institute schrecken die gesamte Finanzbranche auf. Der hochbrisante Vorschlag wurde bei der jüngsten Kanzlerrunde mit Spitzenkräften aus der Banken- und der Versicherungsbranche gemacht.
von H.-J. Knipper, R. Langraf, M. Maisch, Handesblatt

Indiskretion nach Spitzentreffen: „Bad Bank“ sorgt für Aufregung – Handelsblatt

Es ging dabei um ein Treffen hochrangiger Bankenfunktionäre mit den wichtigsten Politikern der damaligen Regierung, immerhin also der höchsten Ebene staatlicher Entscheidungsbefugnis.

Bundeskanzler Gerhard Schröder, Wirtschaftsminister Wolfgang Clement und Finanzminister Hans Eichel sollten der Gründung einer Auffanggesellschaft für „notleidende“ Kredite deutscher Banken und Versicherungen zustimmen, so lautete der Vorschlag von Josef Ackermann, damals noch Vorstandschef der Deutschen Bank.

Konkret handelte es sich dabei um die mögliche Schaffung einer sogenannten Bad Bank, die „faule“ Kredite in Wertpapiere gebündelt weiterverkaufen sollte.

Diese Kreditwerkstatt wird auch als Bad Bank bezeichnet und soll dazu dienen, die Kredite Not leidender Banken zu bündeln, als Wertpapier zu verpacken und wieder zu verkaufen.

Skyline des Frankfurter Bankenviertels by Heptagon (Own work) [GFDL (http://www.gnu.org/copyleft/fdl.html) or CC-BY-SA-3.0 (http://creativecommons.org/licenses/by-sa/3.0)], via Wikimedia Commons

Für die Risiken, die bei solchen zweifelhaften Darlehen natürlich besonders hoch wären, sollten der Staat und damit die Steuerzahler in Haftung genommen werden.

Zur Entlastung solle der Staat für die Risiken einstehen und eine Garantie abgeben, hieß es weiter.

So waren also bereits 2003 die damals führenden Politiker enschließlich des Finanz- und des Wirtschaftsministeriums über die Absicht deutscher Banken informiert, die höchst umstrittene Praxis der Bündelung fragwürdiger Kredite in neue, möglicherweise schwer durchschaubare Finanzinnovationen aus den USA zu übernehmen.
Die immer wieder angeführte Ausrede, solche „Verbriefungen“ habe es vor der Finanzkrise doch nur in Amerika gegeben, gerät mit diesem Artikel nachträglich gehörig ins Wanken.

Die Großbanken und Berlin sind über die Veröffentlichung massiv verärgert.

Erstaunlich ist auch, dass dieser Vorgang wohl nicht wirklich für die Öffentlichkeit bestimmt war, weder von den Banken noch von der Bundesregierung. Auch die Formulierung, das Bekanntwerden habe für „helle Aufregung“ gesorgt, läßt da tief blicken. Es muss also triftige Gründe für diese Art der (versuchten) Geheimhaltung gegeben haben.

Die gab es allerdings auch:

Die “Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung” hatte berichtet, dass in der Bad Bank zunächst die Kreditrisiken von Dresdner Bank, Commerzbank und Hypo-Vereinsbank in deren Mittelstandsgeschäft gebündelt werden sollen. Es kämen leicht 7 Mrd. zusammen.

Das bedeutet nichts anderes, als das auch damals schon private Banken von enormen Verlusten durch „notleidende“ Kredite bedroht waren, wohlgemerkt handelte es sich dabei um Deutschlands prominenteste Institute, lediglich die Deutsche Bank fehlt in dieser Aufstellung.
Interessant ist dabei auch, dass es offenbar nicht um öffentliche Banken ging, sondern ausschließlich um private.
Das aber widerspricht ganz klar der immer wieder gern publizierten Mär, es hätten sich vor allem die staatlichen Institute vor der Finanzkrise leichtfertig verzockt.

Nun gut, aber die Bundesregierung ließ durch den damaligen Sprecher der Kreditanstalt für Wiederaufbau (KfW), Matthias Fritton, doch mitteilen, dies sei allein Sache der Banken.

“Die KfW ist an derartigen Überlegungen nicht beteiligt.” Aus Berlin war zu hören, dass die Kreditinstitute ihre Probleme selbst schultern müssten. Sie könnten nicht beim Staat abgeladen werden.

Westarkade der KfW Bankengruppe in Frankfurt am Main von Thomas Wolf, www.foto-tw.de (Der Wolf im Wald) (Eigenes Werk) [CC-BY-3.0 (http://creativecommons.org/licenses/by/3.0)], via Wikimedia Commons

Also, alles halb so wild?
Mitnichten:

[es wurde]…darüber gesprochen, wie die Verbriefung von Bankkrediten über die KfW rasch weiterentwickelt werden kann. Durch die Verbriefung können Kredite an Großanleger verkauft und gleichzeitig die Bankbilanzen entlastet werden. Künftig sollen offenbar mehr Banken in größeren Volumina die KfW-Verbriefungen in Anspruch nehmen.

Die KfW hat in den vergangenen drei Jahren für diverse Privatbanken Kredit-Verbriefungen im Gesamtwert von 28,7 Mrd. Euro vorgenommen.

Klartext:
bereits zu diesem Zeitpunkt, also 2003, war die Kreditanstalt für Wiederaufbau als öffentliche Bank schon seit drei Jahren damit beschäftigt, die Verluste aus diversen Casino-Geschäften der Privatinstitute zu übernehmen. Entgegen der Ankündigung in der Meldung, der Bund werde keine Lasten übernehmen, lief also die Zahlungsverpflichtung der Steuerzahler für die Banken in Wahrheit bereits seit längerem.

Und nicht nur das:

“Der deutsche Markt wird bald einen weiteren Schritt nach vorne machen können, weil die Bundesregierung die für diese Transaktionen nötigen Zweckgesellschaften von der Gewerbesteuer befreit.“

Diese Aussage des damaligen KfW-Vorstandsvorsitzenden Hans W. Reich läßt zudem klar erkennen, dass die damalige Bundesregierung solche Geschäfte ihrer Förderbank nicht nur passiv billigte, sondern selbst durch die Steuerbefreiung auch noch aktiv forcierte.

Fazit aus heutiger Sicht

Demnach lassen sich heute drei wichtige Schlüsse aus der näheren Beschäftigung mit diesem Artikel ziehen:

1. Die damalige Bundesregierung (und damit auch die entsprechenden Ministerien) waren weit mehr in den ganzen Prozess der zweifelhaften Bündelung und Weiterverschacherung „fauler“ Kredite einbezogen als es heute immer noch häufig behauptet wird.
Ebenso dürfte sie sehr viel detailliertere Kenntnisse über den Umfang der damit eingegangenen Risiken der privaten Banken gehabt haben.

2. Trotz dieses Wissens hat sie aktiv an der Verbreitung solcher möglichen Forderungsausfälle mitgewirkt und

3. damit kann dann wohl auch von einem massiven Versagen der Bankenregulierung und Aufsicht bereits weit im Vorfeld der Finanzkrise ausgegangen werden.
Oder besser gesagt: anstatt ihrem gesetzlichen Auftrag der Überwachung und Kontrolle der privaten Institute nachzukommen, haben die staatlichen Organe selber bei der Umgehung und weitgehenden Ausschaltung dieser Regularien tatkräftig geholfen.

Die vielen seltsamen Rollen des Herrn Asmussen

In diesem Zusammenhang ist es dann auch sehr interessant, sich die Karrieredaten des EZB-Direktoriums-Mitglieds Jörg Asmussen für diesen fraglichen Zeitraum noch einmal etwas genauer anzuschauen.
Quasi zeitgleich mit dem Erscheinen des fraglichen Handelsblatt-Artikels übernahm Asmussen am 01.03.2003 die Leitung der Abteilung für Nationale und Internationale Finanzmarkt- und Währungspolitik im Finanzministerium.

In der Folgezeit setzte er sich immer wieder für die Lockerung der Bankenregulierungen und den Ausbau des Verbriefungsmarktes ein. Zudem gehörte er dem Aufsichtsrat sowohl der IKB Deutsche Industriebank, die während der Krise 2007 mit Milliarden Euro der KfW gerettet werden mußßte, als auch dem eben genau dieser KfW an.

Pikanterweise saß Asmussen auch im Verwaltungsrat der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin), dem obersten Kontroll- und Aufsichtsorgan für das Banken- und Versicherungswesen.
Und nicht genug, hatte er auch noch eine führende Funktion als Mitbegründer der True Sale International GmbH inne, die als Finanz-Lobbyorganisation eine wichtige Rolle bei der Entwicklung des deutschen Asset Backed Securities-Marktes spielte.

Es ist wohl nicht übertrieben, anzunehmen, dass Asmussen als wichtiger Abteilungsleiter des Finanzministeriums von seinem damaligen Chef Hans Eichel genauestens über die Sitzung mit den Banken-Managern unterrichtet wurde.

Trotzdem wirkte er in seinen anderen Funktionen genau an den Vorgängen weiter mit, die der Grund für das damalige Treffen waren.

Nicht nur, dass er über die Fragwürdigkeit dieser Kredit-Verbriefungen hätte Bescheid wissen müssen, er befand sich durch seine gleichzeitige aktive Mitarbeit an der Bündelung fragwürdiger Darlehen sowie der Aufsichtsfunktion bei der BaFin natürlich auch in einem handfesten Interessenskonflikt, der die ordnungsgemäße Wahrnehmung gerade der Kontrollfunktion eigentlich unmöglich machte.

Geschadet hat ihm dieser fragwürdige Umgang mit seinen staatlichen Ämtern allerdings nicht, wurde er doch in das Direktorium der EZB berufen, um mitzuhelfen, die von ihm mit heraufbeschworene Krise zu bewältigen.

Aufgrund dieser Vergangenheit wird es auch interessant sein zu verfolgen, was Asmussen in seiner neuen Tätigkeit als beamteter Staatssekretär im Arbeitsministerium, in die er nach Ende der rot-schwarzen Koalitionsverhandlungen doch etwas überraschend berufen wurde, so bewegen wird.

Ich halte es daher auch heute noch für ungeheuer wichtig, sich solche Fälle öffentlicher und privater Interessensverquickungen inklusive äußerst fahrlässigem und oft auch vorsätzlichem Umgang mit milliardenschweren Risiken für die Steuerzahler immer wieder mal ins Gedächtnis zu rufen.

Vor fünf Jahren hatte dies bereits Albrecht Müller bei den NachDenkSeiten getan.
Mit meinem heutigen Beitrag möchte ich daher auch die seit zehn Jahren unermüdliche Aufklärungsarbeit der Macher dieser Seite in besonderer Form würdigen.