Und das ist die Berliner Luft, Luft, Luft – Schalker Höhenflug bereits wieder beendet

Tja, ich sollte vielleicht weniger unken: wie schon vermutet ließ sich die Berliner Hertha nicht so einfach wie erhofft die Butter vom Brot nehmen.

Cityscape Berlin

0:2 hieß es Freitag Abend im Olympiastadion Berlin, und nicht nur das kalte Klima in der Bundeshauptstadt war den Gelsenkirchenern an diesem trüben Tagesende schlecht bekommen. Bedröppelt standen Spieler und Offizielle da und suchten nach Erklärungen, warum ihnen die Berliner Luft erstmals seit zehn Jahren wieder den Atem geraubt hatte.

Damals (am 17.09.2006) stand Hertha-Trainer Pal Dardai noch höchstselbst auf dem Rasen, und ein gewisser Kevin-Prince Boateng trug das blau-weiß gestreifte Jersey des Hauptstadt-Clubs. Auf Schalker Seite lauteten die bekanntesten Namen Frank Rost, Rafinha, Marcelo Bordon, Lincoln und Kevin Kuranyi.

Und damit sind wir auch schon mittendrin im größten Dilemma der heutigen Schalker Mannschaft. Es sind die Namen, und damit vor allem die Spielerpersönlichkeiten, die fehlen. Johannes Geis, Pierre-Emile Hojbjerg, Max Meyer und Alessandro Schöpf, die gesamte Schaltzentrale im wichtigsten Mannschaftsteil, dem Mittelfeld, besteht aus Youngstern unter 22 Jahren.

Wie bereits mehrfach von mir angemahnt, fehlt es daher an der nötigen Balance im Schalker Kader. Erfahrene Spieler wie die oben Genannten aus der 2006er Mannschaft stehen nur in der Abwehr und im Sturm zur Verfügung, doch sind diese momentan entweder verletzt oder Formschwankungen unterworfen oder haben sonstwie genug mit sich selbst zu tun.

Die Hauptlast des kreativen Spielaufbaus und auch die wichtige Funktion der Verbindung der einzelnen Mannschaftsteile bleibt somit hauptsächlich jungen, zwar durchaus talentierten, in wichtigen Spielen aber auch mal überforderten Akteuren vorbehalten. Und so fällt immer wieder auf, dass in einer Bundesliga, in der die Vereine zwischen Rang 3 und 17 je nach Tagesform jeden schlagen können, einfach nicht genug Substanz im Kader vorhanden ist, um sich aus diesem breiten Mittelfeld entscheidend absetzen zu können.

Auch in Berlin war dieses Manko im Verlauf des Spiels immer stärker spürbar. Erschienen die Schalker anfangs nur optisch unterlegen, so blieb wenigstens die Anzahl der Chancen noch halbwegs in der Waage. Klaas-Jan Huntelaars Kopfball parierte Hertha-Keeper Rune Jarstein nach gut 20 Minuten mit einer Glanzparade, bei anderen Angriffen der Blauen musste der Norweger nicht einmal eingreifen.

Drei Minuten vor dem Pausentee nutzte dagegen Vedad Ibisevic eine Unaufmerksamkeit der Schalker Hintermannschaft und traf nach selbstloser Vorarbeit von Genki Haraguchi unhaltbar für Ralf Fährmann zur nicht ganz unverdienten Berliner Führung.

Nach der Unterbrechung folgte die stärkste Phase der Gelsenkirchener. Nun konnte man ihnen ansehen, dass sie hier durchaus etwas erreichen wollten. Doch dieser Zeitraum, in dem die Schalker Fans noch einmal Hoffnung schöpfen konnten, brachte als Höhepunkt nur die riesige Torchance von Dennis Aogo, die dieser in der 55. Minute allerdings in den kalten Berliner Abendhimmel verballerte.

Zehn Minuten später machte sich dann die Überlegenheit, die sich die Hertha danach wieder erspielt hatte, bezahlt: nach einer Ecke fühlte sich niemand in der Schalker Hintermannschaft für den aufgerückten Berliner Innenverteidiger Niklas Stark zuständig, der unbedrängt zum Kopfball aufsteigen konnte und das 2:0 für seine Mannschaft markierte.

Trainer Andrè Breitenreiter verstärkte danach mit der Hereinnahme von Franco di Santo und Leroy Sanè für Geis und Schöpf sowie später Sidney Sam für Max Meyer die Offensive, doch fast wäre diese Maßnahme nach hinten losgegangen. Nun der Abstimmung zwischen Angriff und Abwehr fast völlig verlustig gehend, kamen die Berliner zu einigen großen Torchancen, die vor allem der ansonsten überragende Tolga Cigerci schon fast fahrlässig liegen ließ.

In dieser Phase konnten sich die Schalker nur noch beim Unvermögen der Hertha bedanken, dass dieser Abend nicht in einem Desaster endete. Genügend Möglichkeiten für ein 3:0 oder gar 4:0 hatten die Berliner durchaus, und es fehlte nicht viel, um den leichten Schalker Kopfschmerz in einen weitaus schlimmeren Kater zu verwandeln. Zwei Mal noch trafen die Hauptstädter sogar ins Netz der Königsblauen, doch beiden Toren wurde wegen Abseits zurecht die Gültigkeit aberkannt.

Eine Packung blieb somit aus, und trotzdem war man im Gelsenkirchener Lager ziemlich „bedient“ nach dieser Niederlage. Hatte man doch gehofft, die beinahe zehnjährige Erfolgsserie im Berliner Olympia-Stadion fortsetzen und mit dem dritten Tabellenrang sich auch ein wenig „Luft“ nach unten zu den anderen Konkurrenten um den internationalen Fußball schaffen zu können. Und der Traum von der Champions League sollte ebenfalls fortgesetzt werden.

Doch wie so oft in dieser Saison kam es anders als gedacht. Die ungastlich kalte Berliner Luft brachte die Schalker wieder auf den Boden der Tatsachen zurück, die Borussen aus Gladbach zogen vorbei und bis Rang 8 zum VfL Wolfsburg sind es nun nur vier anstatt sieben Punkte. Und natürlich muss man nicht darauf hinweisen, das die richtig schweren Spiele jetzt erst noch kommen: das Derby gegen den BVB, Bayern München und Bayer Leverkusen.

Vorher geht es zudem Freitag noch gegen Borussia Mönchengladbach, einen der direkten Konkurrenten um einen Platz in der Europa League, womöglich auch noch für die Königsklasse. Ein Team auf Augenhöhe, trotz der beiden Niederlagen in Liga und Pokal während der Hinrunde. Was allerdings die Aufgabe an sich nicht leichter macht. Da hilft nur Fehlerminimierung, viel Geduld und das Besinnen auf eigene Stärken, denn nur mit einer möglichst geschlossenen Mannschaftsleistung wird dieser Gegner zu bezwingen sein.