Greifen Sie nach den Sternen, aber nur wenn Sie reich sind…

Eine geringe soziale Mobilität nach oben beeinträchtigt unsere Fähigkeit, in einer fairen und meritokratischen Gesellschaft zu leben.

Jack Halliday wurde 1976 in eine Arbeiterfamilie in Texas geboren. Jack wuchs als eines von fünf Kindern auf, als Sohn eines Verkäufers, und besaß daher nicht viel. Als guter Junge half er aus und arbeitete als Gepäckträger in Teilzeit, um der Familie zu helfen über die Runden zu kommen.

Jack arbeitete hart in der Schule und als er es aufs College schaffte war er der ganze Stolz der Hallidays. Nach vier Jahren verließ Jack das College mit einem Abschluss in Rechts-wissenschaften und begann seine Arbeit als Großstadt-Anwalt mit Sitz in Houston.

Jack arbeitete weiter hart und setzte sich manchmal 60, 70 oder sogar 80 Stunden ein. Jacks Bemühungen wurden von seinen Arbeitgebern bemerkt und er durchschritt schnell die Hierarchie und wurde bereits vor seinem 30. Geburtstag Partner in der Kanzlei.

Diese Geschichte ist leider völlig erfunden. Sie wurde erdacht, um einen ganz bestimmten Punkt zu demonstrieren. Viele Gespräche über soziale Mobilität nach oben beginnen mit einer „Tellerwäscher -> Reichtum“-Geschichte. Diese Fantasie verbirgt allerdings die Realität. Statistisch gesehen sind die Chancen, dass Jack irgendwohin nach oben geht sehr gering, unabhängig davon wie hart er gearbeitet hat.

Heute sind sie noch niedriger als zu Beginn unserer erfundenen Geschichte im Jahre 1976. Geschichten wie die von Jack sind bestens bekannte inspirierende Ansprachen. Tun wir nicht so, als hätten sie Ähnlichkeit mit der Realität und wären eine Grundlage für die Politik irgendeiner Regierung.

Die soziale Mobilität ist schlecht und wird immer schlimmer
Soziale Mobilität wird durch die Fähigkeit der Menschen definiert die soziale Leiter zu erklimmen, insbesondere in Bezug auf Wohlstand und Einkommen. In einer gerechten Gesellschaft haben Menschen, die im unteren Fünftel geboren wurden eine Chance von 20% das obere Fünftel zu erreichen. Die Realität sieht aber ganz anders aus.

Es wird erwartet, dass der Sohn eines Vaters mit hohem Einkommen in den USA, Groß-britannien, Vietnam und Italien etwa 50% mehr verdient als ein Vater mit niedrigem Einkommen. Die verfügbaren Daten beziehen sich auf Männer, was allerdings problematisch ist.

Geringe Mobilität ist weltweit ein Problem, insbesondere aber in Entwicklungsländern. Soziale Mobilität ist wichtig, weil sehr viel von dem, was wir für gerecht halten mit der Idee zusammenhängt, dass jeder es nach oben schaffen kann.

Eine hohe Aufwärts-/Vertikalmobilität ist von zentraler Bedeutung für eine faire und meritokratische Gesellschaft. Wir denken gerne, dass Menschen die hart arbeiten und ihre Talente unter Beweis stellen erfolgreich sein werden. Eine geringe soziale Mobilität stellt diesen Begriff aufs Schärfste in Frage.

Wenn der Wohlstand nur von einer Generation zur nächsten übergeht und die besten Arbeitsplätze in einem engen Netzwerk verteilt werden funktioniert die Gesellschaft nicht mehr fair. Selbst wenn zwei Personen gleiche Talente haben, kann es für den einen schwieriger sein die Leiter hinauf zu steigen als für den anderen. Der Status ist ein Treiber des Erfolgs, unabhängig von den Fähigkeiten, was als äußerst unmeritokratisch angesehen werden muss.

Eine geringe Mobilität ist insofern heimtückisch, weil sie möglicherweise nicht aus einer Auswahl direkt vor unseren Augen hervorgeht (wie z. B. bei der Wahl zwischen zwei Bewerbern). Sie wirkt eher als Hindernis für größere Veränderungen. Das wird normalerweise viel sichtbarer, wenn man sich Statistiken und das Große Ganze ansieht.

Die soziale Mobilität verschlechtert sich mit der Zeit, da die zunehmende Ungleichheit die Mobilität weiter verringert. Es gibt dafür eine eindeutige Erklärung. In Armut geborene Kinder investieren weniger in ihre Entwicklung und Bildung als Kinder wohlhabenderer Eltern, was zu schlechteren Ergebnissen führt, die sich dann wieder auf ihre Kinder auswirken.

Die Mobilität bleibt somit also im Laufe der Zeit gering. Die Gatsby-Kurve zeigt diese Beziehung zwischen Mobilität und Ungleichheit. Progressive Nationen versuchen sicherzustellen, dass das Einkommen der Eltern kein allzu großer Faktor für den wirtschaftlichen Erfolg ist und investieren in gerechte Bildungseinrichtungen um gleiche Wettbewerbsbedingungen zu schaffen.

Chancengleichheit ist für die soziale Mobilität von wesentlicher Bedeutung
Die Gesellschaft kann die Mobilität durch Maßnahmen verbessern, die Chancengleichheit schaffen. Chancengleichheit bezieht sich auf die Gleichstellung der Wettbewerbs-bedingungen, sodass Faktoren wie Status und Hintergrund keine wichtige Rolle spielen. Es geht darum, allen den gleichen Startschuss zu geben. Es gibt zahlreiche praktische Möglichkeiten, dies zu erreichen.

Ein gut ausgestattetes öffentliches Bildungssystem unabhängig vom geografischen Gebiet, Erbschaftssteuern, um die Vorteile des elterlichen Erfolgs für zukünftige Generationen zu verringern, Rekrutierungsrichtlinien für Unternehmen, nach denen das Unternehmen auf den Markt gehen muss, anstatt den Freund des CEO zu rekrutieren. Es gibt sehr viele Möglichkeiten.

Die Gleichheit der Ergebnisse ist eine andere Sache. Gleichheit der Ergebnisse bezieht sich auf Menschen, die einen weitgehend ähnlichen wirtschaftlichen Erfolg erzielen. Selbst wenn die Menschen die gleichen Chancen haben, sollten wir nicht erwarten, dass sie völlig die gleichen Ergebnisse erzielen.

Das Vorhandensein von Disparität bedeutet nicht automatisch, dass das System ungerecht ist. Der Zufall und das Talent eines Individuums spielen ebenfalls eine wesentliche Rolle. Wir können nicht alles voraussehen, was den individuellen Erfolg beeinflusst hat, und beurteilen, ob dies fair ist. Bestenfalls können wir die großen Faktoren verstehen und kontrollieren.

Das Streben nach Gleichheit der Ergebnisse beeinträchtigt die Meritokratie dahingehend, dass diejenigen, die in einer Position hervorragende Leistungen erbringen übergangen werden könnten. Die Talente des Einzelnen sollten anerkannt werden. Ein fairer Anteil ist nicht gleichbedeutend mit einem gleichen Anteil.

Abgesehen davon sind die Wirtschaftssysteme zu weit abgedriftet, um „Leistungen“ zu belohnen- jedoch nicht gesellschaftliche Verdienste. Die Leistung wird je nach Geschäftsfeld viel zu häufig in verzerrten marktbasierten Begriffen definiert. Eine marktmäßig definierte Meritokratie ist insofern problematisch, als selbst destruktive Aktivitäten eine ökonomische Belohnung erhalten – denken Sie an Zigaretten, Betrug oder Umweltzerstörung.

Die Schaffung eines Arzneimittels, welches die Menschheit retten könnte hat nur einen begrenzten Wert, wenn ein Unternehmen es nicht rechtzeitig patentieren lässt. Wir müssen vorsichtig sein, was wir uns wünschen, wenn wir uns für meritokratische Systeme einsetzen und sicherstellen, dass auch die Schaffung gleicher Wettbewerbsbedingungen im Mittelpunkt steht.

Es ist vernünftig, ein Gleichgewicht zwischen den wirtschaftlichen Verdiensten der Menschen anzustreben, um eine größere Chancengleichheit zu erreichen. Das heißt, die Gleichheit der Ergebnisse sollte priorisiert werden, damit ein System überhaupt meritokratisch sein kann. Die Menschen verdienen einen fairen Start und das Glück der Geburt sollte keine wichtige Rolle für den individuellen Erfolg spielen.