Dumm und dümmer – die Chicago-Version

Vor ein paar Jahren gab Robert Lucas in einem Vortrag über die US-Rezession einen Überblick darüber, was die New Classical School of Macroeconomics heute über die jüngsten Abschwünge in der US-Wirtschaft und ihre Zukunftsaussichten denkt.


Dumm und Dümmer – manchmal auch in der Ökonomie nicht unüblich

Lucas zeigte zunächst auf, dass das reale US-BIP seit 1870 mit einer durchschnittlichen jährlichen Rate von 3 Prozent gewachsen ist, mit einem starken Rückgang während der Depression der 1930er Jahre und einer etwas kleineren Verringerung in der jüngsten Rezession.

Nachdem Lucas seine Ansicht zum Ausdruck gebracht hatte, dass die US-Rezession, die 2008 begann im Wesentlichen durch einen Ansturm auf Liquidität verursacht wurde, erörterte er anschließend die Aussicht auf eine Erholung der US-Wirtschaft und behauptete, dass die Erfahrungen der Vergangenheit eine „automatische“ Erholung nahelegen würden, wenn sich das System des freien Marktes ungehindert durch soziale Wohlfahrtsaktivitäten der Regierung wieder ins Gleichgewicht bringe.

Wie zu erwarten war gab es keinen Raum für keynesianische Überlegungen zu eventuellen Engpässen der Gesamtnachfrage, die die Erholung der Wirtschaft behinderten. Nein, wie in den Erklärungen und Vorschriften der neuen klassischen makroökonomischen Schule üblich, wiesen die Schuldzuweisungen auf die Regierung und ihren Mangel an angebots-seitigen Richtlinien hin.

Lucas war überzeugt, dass höhere Steuern für die Reichen, eine stärkere Beteiligung der Regierung am medizinischen Sektor und strengere Vorschriften des Finanzsektors die Erholung aufhalten könnten. Aber wenn der freie Markt ungehindert von den Aktivitäten des europäischen Wohlfahrtsstaates seinen Lauf nehme, werde er alles regeln.

Auf eine eher unbekümmerte Art und Weise – ohne einen Hinweis auf Argumente oder die Darstellung empirischer Fakten – lehnte Lucas sogar die Möglichkeit eines Nach-fragemangels ab. Von jemanden, der bereits vor 30 Jahren den Keynesianismus für tot erklärt hatte – „Die Menschen nehmen das keynesianische Theoretisieren nicht mehr ernst, das Publikum fängt an zu flüstern und miteinander zu kichern“ – war natürlich nichts anderes zu erwarten.

Nachfrageüberlegungen werden aus skurrilen theoretisch-ideologischen Gründen einfach ausgeschlossen, ähnlich wie wir es bei den Versuchen anderer neoliberaler Ökonomen immer wieder gesehen haben, mit denen sie die Tatsache, dass die jüngsten Wirtschafts-krisen gezeigt hatten dass die Märkte nicht erfolgreich waren wegzudiskutieren versuchten. Wenn es ein Problem mit der Wirtschaft gibt, muss die Regierung die wahre Ursache sein.

Die Okönomie in Chicago ist eine gefährliche pseudowissenschaftliche Zombie-Ideologie, die letztendlich darauf beruht, dass die Armen für die Fehler der Reichen bezahlen müssen. Der Versuch, Konjunkturzyklen mit rationalen Erwartungen zu erklären ist offensichtlich gescheitert. Vielleicht würde es zu viel von Süßwasserökonomen wie Lucas verlangen das zuzugeben, aber es ist immer noch eine Tatsache, die ihm eigentlich peinlich sein sollte.

Wenn mein Skelett irgendwann von einem Osteologielehrer zur Veranschaulichung seiner Vorlesungen verwendet werden sollte, werden seine Schüler dann versuchen meine Fähigkeit zum Denken, Fühlen und Entscheiden aus einem Studium meiner Knochen abzuleiten?

Wenn sie dies tun und dieser Bericht über ihre Verfahren die Elysischen Gefilde erreichen sollte werde ich sehr beunruhigt sein, da sie ein Modell verwenden werden, welches die größere Anzahl relevanter und ansonsten wichtiger Variablen völlig ignoriert. Dies ist jedoch genau das was „rationale Erwartungen“ für die Ökonomie bedeuten.

G. L. S. Shackle

(eigene Übersetzung eines Blogbeitrages des schwedischen Ökonomen Lars Syll)