Der S04 taumelt wie ein angeschlagener Boxer in die Winterpause: mit Glaskinn und ohne Durchschlagskraft

Hinten wackelig auf den Beinen und vorn ohne den entscheidenden „Punch“. Nach zwei Wirkungstreffern des Hamburger SV erschienen die Schalker am Dienstag wie ein angeknockter Faustkämpfer im Ring bei der verzweifelten Suche nach seiner Bestform.

FC Admira Wacker vs. SK Sturm Graz 2015-27-05 (149)
Sein erstes Bundesligator reichte nicht zum Sieg beim HSV:
Donis Avdijaj (hier noch im Trikot von Sturm Graz)

Eine Stunde lang gelang es dem S04, dem Angriffsdruck der Hanseaten standzuhalten. Doch obwohl die Elf von Trainer Markus Gisdol gleich mit vier Mann sehr hoch presste, konnten die Schalker die sich bietenden Räume nicht nutzen.

Wieder einmal wirkte das Umschaltspiel langsam und ungenau, nahezu sämtliche Ansätze zu schnellen Kontern wurden leichtfertig vergeben. Dazu fehlte jeglicher Anflug eines eigenen Spielaufbaus, mangels Ideen ging es oft nach hinten zu Ralf Fährmann (der, so schlimm sich das auch anhören mag, leider immer noch nicht Fußball spielen kann) oder mit langen Bällen ins Nirwana.

Auch in der umgebauten Abwehrreihe (Naldo fehlte weiter wegen seiner Rot-Sperre, Nastasic wegen einer Verletzung) war niemand in der Lage, planvoll nach vorne zu spielen, davor zeigte Johannes Geis einmal mehr seine Probleme unter enormen gegnerischem Druck.

Nabil Bentaleb, seit seinem Nasenbeinbruch offenbar in seiner Spielweise enorm gehemmt, tauchte immer öfter ab, während sein Mittelfeldpartner Leon Goretzka sich zwar redlich mühte, ohne aber entscheidende Akzente setzen zu können. Vorne versuchten sich Max Meyer und der ukrainische Nationalspieler Yevhen Konoplyanka währenddessen in der undankbaren Rolle als Ersatzstürmer, doch an diesem Abend war auch dieser Part sehr undankbar und vor allem erfolglos.

Und da auch Alessandro Schöpf und Abdul Baba auf den Flügeln wie ausgelaugt wirkten, erschien das Schalker Spiel über lange Phasen eben langsam, pomadig und von vielen Fehlpässen und Stockfehlern geprägt. Der HSV machte es zwar nicht wirklich viel besser, doch insgesamt zeigten die Hanseaten einfach den größeren Willen, den Platz als Sieger verlassen zu wollen.

Den Gelsenkirchenern dagegen muss man bescheinigen, aus verschiedenen Gründen einfach im Moment am Ende der Fahnenstange angekommen zu sein. Vier etablierte Stürmer (Embolo, Huntelaar, Di Santo und Choupo-Moting) sind schlicht nicht zu ersetzen, und ohne ballhaltenden „Zielspieler“ im oder am gegnerischen Strafraum muss man sich nicht wundern, dass jeder nach vorn geschlagene Ball sofort wieder zurückkommt.

Ohne den Brasilianer Naldo, nach einigen Schwierigkeiten in den ersten Spielen zum absoluten Kopf der Dreierkette gereift, und Matija Nastasic fehlt die kompakte Sicherheit, die die beiden zusammen mit Kapitän Höwedes über weite Strecken der Hinrunde in der Abwehr auszeichnete.

Youngster Thilo Kehrer kann man dabei noch die wenigsten Vorwürfe machen. Er wurde schlichtweg mangels Alternativen ins kalte Wasser geworfen und lernt nun schwimmen. Seine Zweikampfführung deutet sein enormes Potential an, allein fehlt es ihm vor allem noch an der nötigen Erfahrung.

Doch weder Geis noch Kolasinac gehören in einen solchen Abwehrverband, und Benni Höwedes ist zwar gegen Ball und Gegner (meistens) überragend, aber einen vernünftigen Spielaufbau und die dafür nötige Übersicht wird er in diesem Leben wohl nicht mehr hinbekommen. Da ist Naldo schon aus einem ganz anderen Holz geschnitzt und ich wage einfach mal zu behaupten, dass sein Platzverweis bei der Niederlage gegen Leverkusen den Auftakt für die derzeitige Schalker Misere darstellte.

Mangels wirklicher Alternativen binden die vielen Ausfälle daher Trainer Weinzierl sehr viel mehr die Hände, als ihm lieb sein kann. Es müssen in den wichtigen Spielen dann halt doch immer wieder dieselben Akteure ran, da sich aus der zweiten Garnitur auch niemand anbietet. Dadurch wirkt die Mannschaft im Moment überspielt und kraftlos, deutlich erkennbar auch in der Art und Weise, wie sie das Umschaltspiel immer wieder fahrig und unkonzentriert „verbaselt“. Das aber ist dann nun einmal nicht die Schuld des Trainers.

Einzig die bisher fast völlige Ignorierung von Donis Avdijaj, der seinen Wert mit einem sehenswerten Treffer gegen den HSV unter Beweis stellte, kann man ihm vorhalten. Es ist meines Erachtens nicht nachvollziehbar, warum der Schalker Übungsleiter bei einem solch eklatanten Stürmermangel einen Spieler, der in seiner Jugendzeit in 77 Einsätzen sagenhafte 76 Tore erzielte, überwiegend auf der Bank schmoren lässt. Auch wenn da vielleicht noch disziplinarische Maßnahmen eine Rolle spielen könnten, bei der enormen Schalker Harmlosigkeit vor des Gegners Kiste sollte so etwas im Moment nicht wirklich entscheidend sein.

Humpelnd und blutend durch den Hamburger Boxring getrieben rettete sich der S04 also mit dem Gong mehr schlecht als recht in die Winterpause. Ranglistenplatz 11 mit nur 18 Punkten ist nicht gerade eine Offenbarung, immerhin schon 9 Zähler hinter den internationalen Futtertrögen. Dazu schwindet immer mehr die Hoffnung, im Januar einen breiteren Kader zur Verfügung zu haben. Der Spanier Coke wird wohl endlich zurückkommen, doch Embolo und Huntelaar ganz sicher nicht. Dazu fehlen dann auch noch Bentaleb, Baba und Choupo-Moting durch ihre Teilnahme am Afrika-Cup.

Unklar ist zudem, ob während der Fußball-Auszeit noch einmal auf dem Transfermarkt zugeschlagen werden soll. Ein Stürmer internationaler Klasse wäre aufgrund der derzeitigen Tormisere eigentlich erforderlich, doch Manager Christian Heidel hält sich verständlicherweise noch bedeckt.

Doch ich gebe die Hoffnung noch lange nicht auf, denn so mancher Boxer, der angeschlagen durch den Ring taumelte und vor dem sicheren KO zu stehen schien, hat sich über 12 Runden wieder berappelt und enormes Stehvermögen bewiesen. Nach der Winterpause ertönt auch für den FC Schalke 04 wieder der Gong und eine neue Runde wartet darauf, dass alles besser wird.