Manchmal wird die Vermutung geäußert, dass die Theorie von Karl Marx möglicherweise auf eine frühere, wettbewerbsfähige Version des Kapitalismus anwendbar gewesen sei, aber für die Ära des „Monopolkapitalismus“, in dem wir heute leben sollen, wenig relevant wäre.
Karl-Marx-Monument in Chemnitz
Diese Ansicht ergibt sich aus der Verwechslung von „Wettbewerb“ bei Marx – und generell auch in der klassischen politischen Ökonomie – mit dem neoklassischen „vollkommenen Wettbewerb“.
Wettbewerb bei Marx (und den Klassikern) bedeutet freien Verkehr von Investitionsströmen in und aus den Sektoren auf der Suche nach der höchsten Rendite. Das ist alles, was man benötigt. Es gibt keine Annahmen wie etwa viele kleine Unternehmen oder spezielle Preisvorgaben.
Für Marx und die Klassiker erfüllt die Bewegungsfreiheit der Investition hin zum höchstmöglichen Profit die Bedingung für Wettbewerb und gleichzeitig die Tendenz (die allerdings aktuell auch unter Wettbewerbsbedingungen nie realisiert werden würde) zum Ausgleich der Renditen quer über alle Sektoren. Nach dem Kriterium der Kapitalmobilität ist der Kapitalismus seit Marx‘ Tagen demnach noch konkurrenzfähiger geworden und nicht weniger.
Die Tendenz zum Ausgleich der Renditen wird in dem Ausmaß gehemmt, in dem es Monopole oder Renten gibt. Monopol und Rente entstehen, wenn die Investitionsströme in gewisser Weise eingeschränkt sind. Wenn aus irgendeinem Grund ein Hindernis für zusätzliche Investitionen besteht, in einen High-Return-Sektor zu fließen, werden überdurchschnittliche Gewinne andauern, solange und bis diese Barriere entfernt wird.
Der Wettbewerbsdruck kann dazu führen, dass ein Monopol oder eine Rente im Laufe der Zeit abgebaut wird, aber in der Zwischenzeit wird es in einigen Sektoren eine überdurchschnittliche Rentabilität geben. Und neue Fälle von Monopolen oder Renten können entstehen, wenn die alten verschwunden sind.
Es gab nie einen frühen Kapitalismus, in dem alles völlig konkurrenzfähig war, sei es im Sinne von Marx oder im neoklassischen Sinne. Marx führte ein solches Argument nie an. Er argumentierte stattdessen, dass der Gesamtüberschuss nur von der Höhe der überschüssigen Arbeit abhänge, und dass alle überdurchschnittlichen Gewinne, die in einigen Sektoren aufgrund des Monopols oder der Renten gezahlt werden, auf Kosten niedrigerer Gewinne in anderen Sektoren entstehen, wobei der Gesamtgewinn nicht betroffen ist. Es würde einfach eine unterschiedliche Verteilung des Gesamtgewinns innerhalb der Industrien geben.
Es ist nicht einmal eine Frage, ob sich „der Kapitalismus verändert habe“, so dass die Analyse von Marx weniger relevant geworden wäre. In dem Maße, in dem der Wettbewerb herrscht, gilt die Analyse des Wettbewerbs von Marx, und in dem Maße, in dem es Monopol und Renten gibt, gelten seine Monopol- und Rentenanalysen. Das war im frühen Kapitalismus der Fall, und das ist heute immer noch so.
Das alles bedeutet natürlich nicht notwendigerweise, dass Marx unbedingt recht hatte. Es heißt nur, daß die Anwendbarkeit seiner Analyse nicht von dem Grad der Konkurrenz abhängt, die auf einer bestimmten Stufe des Kapitalismus herrscht.
(eigene Übersetzung eines Blogbeitrages des australischen Ökonomen Peter Cooper)