Das deutsche Unterbewertungsregime unter Bretton Woods

Zur Erklärung der derzeitigen Wirtschaftskrise in unserem Land ein Paper aus 2019, mehr als aktuell:

„Deutschland ist ein Unterbewertungsregime, ein Regime, das das wirtschaftliche Verhalten in Richtung einer Verschlechterung des realen Wechselkurses und damit in Richtung Exportüberschüsse lenkt.

Wörgl, Gedenkplatte Bretton Woods, 1
Wörgl (AT), Steinplatte über das Abkommen von Bretton Woods als „Meilenstein“ im Pflaster

Dieses Regime hatte die Eurozone an den Rand des Zusammenbruchs gebracht. Aber es ist viel älter als der Euro. Es wurde während der Bretton-Woods-Jahre etabliert und hat alle nachfolgenden europä-ischen Währungsordnungen überlebt.

Das Regime funktioniert in zwei Schritten: wettbewerbsorientierte Disinflation gegenüber Handels-partnern und Widerstand gegen korrigierende Aufwertungen. Die Bretton-Woods-Ordnung bot perfekte Bedingungen für die Errichtung und Aufrechterhaltung des Regimes: Es war flexibel genug für eine ausreichende makroökonomische Politikautonomie, um differenzielle Inflationsraten herbeizuführen, und zäh genug, um Aufwertungen zu verzögern und zu minimieren.

Um zu wachsen, muss jedes Akkumulationsregime Lösungen für das Problem des Nachfragemangels finden. Diese Lösungen unterscheiden sich von Land zu Land und von Zeit zu Zeit. Historisch gesehen waren die meisten entwickelten Volkswirtschaften laut Baccaro und Pontusson (2016; 2018; 2019) lohngetrieben.

Das lohngetriebene Wachstumsregime geriet jedoch aus einer Reihe miteinander verbundener Gründe unter Druck, darunter die Institutionalisierung einer strengen Geldpolitik, ein säkularer Rückgang der Gewerkschaftsstärke, die Globalisierung und die Liberalisierung der Kapitalmärkte.

Der daraus resultierende Rückgang des nominalen Lohndrucks senkte sowohl die Inflation als auch die Gesamtnachfrage, was zur Folge hatte, dass die Länder alternative Lösungen für das Problem des Nachfragemangels finden mussten.

Für dieses Paper ist die deutsche Lösung von Interesse: die Einführung eines exportgetriebenen Nachfrageregimes seit Mitte der 1990er Jahre, eines Regimes, in dem die Auslandsnachfrage als entscheidender Wachstumstreiber fungiert.

Dieses System kann nur funktionieren, wenn die Nachfrage preislich ausreichend elastisch und der Exportsektor groß genug ist, um die gesamte Wirtschaft anzutreiben. Deutschland erfüllt diese Voraussetzungen, so Baccaro und Pontusson. Insbesondere ist sein Exportsektor groß genug – viel größer, als wir es von einem so großen Land wie Deutschland erwarten würden.“