35 Jahre falscher Wirtschaftspolitik anhand einer Grafik erklärt


Seit 1982 blieben die Löhne in Deutschland fast durchweg hinter der Produktivität zurück, die Auswirkungen der Agenda 2010 verstärkten diesen Trend später noch. Keine Bundes-regierung hat seitdem aktiv gegen diese Entwicklung gearbeitet. Schon unter Helmut Kohl (Kabinette Kohl I bis V) ging es vielmehr hauptsächlich darum, mit den Gewerkschaften möglichst „moderate“ Lohnsteigerungen auszuhandeln bzw. die „Produktivität für die Schaffung von Arbeitsplätzen zu reservieren“.

Die Regierung Schröder setzte diese Strömung trotz weiter steigender Erwerbslosigkeit mit dem Bündnis für Arbeit nahtlos fort, und ließ sie schließlich in der Agenda 2010 gipfeln. Außer bei einigen homöopathischen Minieingriffen verfolgten die Merkel-Kabinette diese Politik weiter und prägten dabei nicht nur die Bewältigung der Euro-Krise entscheidend.

Die Agenda 2010 und die Hartz-Reformen, die weiterhin als Erfolgsmodell ausgegeben werden, sind das Resultat einer langjährigen Umdeutung der ökonomischen Wirklichkeit.
Die ökonomischen und ideologischen Konsequenzen wirken mittlerweile folgenschwer auf ganz Europa.
Eine Wende braucht es vornehmlich in den Köpfen.

Die Agenda 2010 und der eigentliche Ort notwendiger Reformen

Über die Auswirkungen einer solch falschen Wirtschaftspolitik auf die Europäische Union schreibt u. a. Heiner Flassbeck unermüdlich:

…Denn die ganze Volkswirtschaft ist ja auf ihre existierenden Verhältnisse angewiesen: Sie kann sich einfach nicht mehr leisten, als sie selbst produziert, jedenfalls dann, wenn sie keine Hilfe von außen bekommt.

Insofern entsprechen sich Produktivität der Arbeit und Lohniveau in der Regel recht gut, was wiederum heißt, dass die sogenannten Lohnstückkosten (also die Arbeitskosten pro Stunde im Vergleich zur Gesamtleistung von Arbeit – kombiniert mit Kapital – pro Stunde)… zwischen den Ländern gleich hoch sein können, egal ob es sich um arme oder um reiche Volkswirtschaften handelt.

Die größte Schwierigkeit im internationalen Handel ergibt sich daraus, dass jedes Land zwar real (also in Gütern gemessen) nicht mehr verbrauchen sollte, als es produziert, dass genau das aber immer wieder in unterschiedlichem Maße versucht wird und daraus unterschiedlich hohe Inflationsraten entstehen.

Die im Vergleich zu anderen Ländern höhere Inflationsrate ist aber, wenn sonst nichts geschieht, ein Hindernis ersten Ranges für einen ausgeglichenen internationalen Handel. Auseinanderstrebende Preisniveaus bedeuten nämlich, dass in einem Land alle Unternehmen höhere Preise verlangen müssen als die Unternehmen in einem anderen Land.

Das Land mit der höheren Inflationsrate wertet, wie es manchmal genannt wird, real auf, d.h., es verliert an Wettbewerbsfähigkeit, weil seine Produkte zu teuer geworden sind im Vergleich zu den Produkten der ausländischen Mitbewerber. Bleibt ein auch nur kleiner jährlicher Inflationsunterschied gegenüber den Handelspartnerländern über längere Zeit bestehen, kumuliert sich die Abweichung der Preisniveaus sehr rasch zu einer großen Lücke in der Wettbewerbsfähigkeit auf.

In einer Währungsunion ist eine solche Lücke dagegen ein fast unüberwindliches Problem, weil die Länder, die zu hohe Löhne haben, ihre Löhne senken müssten, um auf das niedrigere Preisniveau der ausländischen Konkurrenz zu gelangen. Da man aber nicht nur die Löhne der im Außenhandel (also Export und Importsubstitution) Beschäftigten senken kann, muss das gesamte Lohnniveau sinken, was die Binnenkonjunktur schwer schädigt…

Die deutsche Lohnsteigerung war zu moderat, um für alle Mitgliedsländer der EWU die Voraussetzung für erfolgreichen Außenhandel zu schaffen. Nur wenn alle erfolgreich sein können, kann aber auch eine solche Gemeinschaft insgesamt erfolgreich sein.

Wenn nun alle dem deutschen Beispiel folgen, führt das eindeutig zu Deflation für alle, löst aber das Problem, das die Eurokrise ausmacht, nicht. Lohnsenkung in allen Ländern außer Deutschland bedeutet Depression bei der Binnennachfrage in all diesen Ländern. Das auszugleichen würde selbst einem Deutschland nicht gelingen, das seine Wirtschaftspolitik vollständig umstellt und auf heimische Expansion setzt.

Bleibt Deutschland bei seiner Linie, auf den Export zu bauen, ist der Versuch der anderen, das Gleiche zu tun, von vorneherein zum Scheitern verurteilt. Man muss es immer wieder sagen: Der Schlüssel zur Lösung der Eurokrise liegt in der Hand Deutschlands und nicht in den Händen der kleinen Länder, die verzweifelt versuchen, sich an die Auflagen der Troika zu halten, und doch niemals erfolgreich sein können.

Produktivität und Löhne pro Stunde – worum es innerhalb und außerhalb einer Währungsunion geht