„Vier Schalker in Paris“: Benni Höwedes in gewohnter Rolle, Roman Neustädter mit russischer Blitzkarriere

Nachdem nun die Europameisterschaft in Frankreich begonnen hat und in Gelsenkirchen rund um den FC Schalke 04 im Moment eine eher ungewohnte Ruhe herrscht, habe ich mich entschlossen, mit einer kleinen Reihe von Beiträgen die vier Schalker Teilnehmer bei der EM ein wenig zu verfolgen.

Germany and Argentina face off in the final of the World Cup 2014 06
Benni Höwedes im Finale der WM 2014 gegen Argentinien

Als da wären: Benedikt Höwedes und Leroy Sanè in der deutschen Nationalmannschaft, Roman Neustädter für Russland und Alessandro Schöpf als Teil der österreichischen Auswahl.

Mit der Serie „Vier Schalker in Paris“ will ich neben der besonderen Beobachtung der Gelsenkirchener Teilnehmer aber auch ein nicht immer ernst gemeintes „Auge“ auf den Rest dieser Endrunde und ebenso hin und wieder auf einige ehemalige S04-Akteure wie Christian Fuchs, Ivan Rakitic, Manuel Neuer oder Julian Draxler werfen.

Als Erster im Einsatz war am letzten Wochenende mit Roman Neustädter ausgerechnet derjenige Schalker, der bis vor kurzem noch am wenigsten damit rechnen konnte, seinen Urlaub für dieses Turnier verschieben zu müssen.

Denn erst Anfang Juni 2016 hatte der in Dnipropetrowsk geborene Russlanddeutsche nach seiner Einbürgerung seine Premiere im Kader der russischen Föderation gefeiert. Im Freundschaftsspiel gegen Tschechien noch eingewechselt, stand er dann gegen England sogar von Anfang an auf dem Platz.

Und er machte seine Sache dabei durchaus recht ordentlich, was bei einer eher passiv spielenden sowie extrem defensiv ausgerichteten Sbornaja bestimmt nicht gerade einfach war. Da die Russen fast ihr gesamtes Aufbauspiel über die Flügel abwickelten, hatte Neustädter auf seiner Sechser-Position im Zentrum allerdings nur wenige Ballkontakte.

So beschränkte sich der Schalker über 80 Minuten bis zu seiner Auswechselung auf seine „Spezial“-Fähigkeit, das Zustellen von Räumen mit viel Laufarbeit. Gegen die junge aufstrebende englische Nationalelf geriet er dabei trotzdem einige Male ins Schwimmen, seine Mannschaftskollegen im russischen Defensivverbund standen ihm dabei aber in Nichts nach.

Am Ende war dann der russische Punktgewinn sicherlich glücklich, vor allem wegen dem Treffer zum 1:1 in der Nachspielzeit. Neustädter spielte dabei so, wie man es in der Bundesliga von ihm gewohnt ist. Unauffällig, oft unterschätzt, aber durchaus effektiv. Auch wenn das vielen jetzt möglicherweise als eine etwas gewagte These erscheint: auf dieser Position würde auch ein weiteres Verbleiben in Gelsenkirchen Sinn machen. Nur in der Innenverteidigung möchte ich Roman möglichst nicht mehr sehen.

Ich bin echt mal gespannt, wie sein weiterer Weg nach dieser „Blitzkarriere“ bei der Europameisterschaft aussieht, obwohl ich den Russen momentan eher wenig Chancen auf ein Weiterkommen einräumen muss. Doch es ist ja erst ein Spiel absolviert…

Auch Benni Höwedes blieb bei seinem Einstieg mit der DFB-Elf ins Turnier weitestgehend unauffällig. Dass er als rechter Verteidiger aufgeboten wurde, ist eigentlich seit der WM-Endrunde in Brasilien, die er auf der linken Abwehrseite mit Bravour absolvierte, keine besondere Erwähnung mehr wert.

Schalkes Kapitän bekam es beim 2:0-Auftaktsieg gegen die Ukraine häufig mit dem schnellen und technisch starken Yehen Konoplyanka vom Euro-League-Sieger FC Sevilla zu tun, dessen Hacken er das ein oder andere Mal nur mit Mühe folgen konnte. Er geriet dabei häufiger ins Schwimmen, als ihm lieb sein konnte.

Doch auch der Rest der Viererkette (mit Ausnahme von Jerome Boateng) hatte so seine Mühe mit den überraschend offensiven Ukrainern. Manuel Neuer, frisch gebackener Spielführer der DFB-Auswahl, musste schon frühzeitig Kopf und Kragen riskieren, um einen Rückstand zu vermeiden. Seinen Fanghandschuh-Künsten und Boatengs Akrobatik auf der Torlinie war es maßgeblich zu verdanken, dass die Löw-Elf am Ende ohne Gegentor den Platz verlassen konnte.

Auffallend war dagegen die erstaunlich offensive Spielweise von Höwedes. Für einen Aushilfs-Außenverteidiger interpretierte er seine Rolle diesmal sehr angriffslustig, trieb sich oft in der ukrainischen Hälfte herum und konnte auch einige annehmbare Flanken platzieren. Er bezahlte für diese Gangart allerdings mit einem hohen Laufpensum und fehlte auch einige Male hinten, als es auf seiner Seite zu brennen begann.

Fazit nach diesen anfänglichen 90 Minuten: es ist noch Luft nach oben, sowohl für Benni als auch das gesamte deutsche Team. Doch der erste Dreier ist im Sack, und man kann mit einer gewissen Gelassenheit in die Begegnung am Donnerstag gegen den vermeintlich stärksten Gruppengegner Polen gehen. Denn auch die haben sich bei ihrem 1:0-Erfolg über doch arg eingeschränkte Nordiren lange Zeit schwer getan.

Auf einen Einsatz muss bis dahin auch noch Schalkes Supertalent Leroy Sanè warten. Ohne eine Minute gegen die Ukraine auf dem Rasen kann man natürlich jetzt nicht viele Worte über ihn verlieren. Doch ich habe so das Gefühl, dass seine Zeit bei dieser EM noch kommen wird.

Und was gibt es sonst noch zum Auftakt der EM aus Schalker Sicht zu vermelden? Alessandro Schöpf wird erst heute mit Österreich in das Geschehen eingreifen, wobei noch fraglich erscheint, ob er dies auf dem Platz oder von der Reservebank aus tun wird. Es deutet allerdings viel darauf hin, dass eher Letzteres der Fall sein wird, da Schöpf wohl nicht zum Startaufgebot der „Ösis“ gehören soll.

Mit dem Ex-Schalker Ivan Rakitic hat Kroatien einen viel beachteten Start gegen die Türkei hingelegt. Neben Luka Modric und den ehemaligen Bundesligaakteuren Ivan Perisic und Mario Mandzukic gehörte der in der Schweiz geborene Rakitic zu den Leistungsträgern beim 1:0-Sieg über die Osmanen. Die überlegene kroatische Spielweise spiegelte sich in dem knappen Ergebnis nur sehr unzureichend wieder.

Ernüchterung dagegen bei Marc Wilmots, UEFA-Pokalheld von 1997 und heute Coach der belgischen Nationalelf. Beim 0:2 gegen die „Senioren“ aus Italien (mit ca. 32 Jahren im Schnitt die älteste Mannschaft in der Geschichte der EM-Endrunden) ließen die Belgier mannschaftliche Geschlossenheit vermissen und mussten als (Geheim-)Favorit gestartet den ersten Dämpfer hinnehmen.