S04: Quo vadis Dimitrios Grammozis?

Es ist noch keine vierzehn Tage her, da herrschte in Gelsenkirchen noch viel eitel Sonnenschein.

2018-08-16 PK Mainz05 Rouven Schröder-1535
Schalkes Sportdirektor Rouven Schröder

Fünf Begegnungen (wenn man das Freundschaftsspiel in Lübeck mitrechnet) ohne Gegentor erfolgreich absolviert und in die Spitzengruppe der Zweiten Bundesliga vorgestoßen: so allmählich schien der S04 seinen Platz gefunden zu haben und die beständige Kritik an Trainer Grammozis ließ auch langsam nach.

Nach dem holprigen Start im Unterhaus hatte sich die Suche nach einem Schuldigen zunehmend auf den Übungsleiter konzentriert. Sportdirektor Rouven Schröder wurde dagegen gelobt, dass er in kürzester Zeit unter Berücksichtigung des knappen Budgets eine konkurrenzfähige Mannschaft zusammengestellt habe.

Grammozis dagegen könne mit diesem hochkarätigen Spielermaterial nicht umgehen. Ein planvolles Offensivspiel sei nicht zu erkennen, ein System schon gar nicht und aller Erfolg sei nur den individuellen Fähigkeiten einzelner Akteure zu verdanken.

Nun, so ganz unberechtigt war diese Kritik nicht. Die Tore von Goalgetter Simon Terodde, die Flanken und Standards von Thomas Ouwejan, das erfrischende Spiel von Youngster Mehmet Aydin: es waren diese Einzelleistungen, die den S04 davor bewahrten, mit einer neuen und noch nicht eingespielten Truppe richtig Schiffbruch zu erleiden.

Doch mit dieser Siegesserie änderte sich etwas am Auftreten der Knappen. Simon „Torodde“ traf nicht mehr so häufig und die Knappen waren trotzdem erfolgreich. Die gesamte Offensive wirkte allmählich planvoller und zielgerichteter, Torchancen waren nicht mehr nur Projekte des Zufalls und mehrten sich zudem. Insgesamt schien sich die beharrliche Arbeit des Trainerteams auszuzahlen und das Murren endlich zu verstummen.

Bis zu dieser Woche mit den Spielen bei 1860 München und in Heidenheim. Und wieder war es das ungeschickte Taktieren des Trainers, welches ihn zurück ins Kreuzfeuer der Kritik brachte.

So kündigte er vor der Pokalbegegnung noch an, keineswegs rotieren zu wollen um die Leistungsträger zu schonen. Auf dem Spielbericht fehlten aber dann die bis dahin wichtigsten Akteure und es waren ausgerechnet auch die bisherigen Bankdrücker Darko Churlinov und Ralf Fährmann, deren unglückliche Fehlerkette den Münchenern die frühe Führung ermöglichte.

Am Ende reichte es beim Drittligisten auch wegen der Roten Karte für Malick Thiaw direkt nach der Pause nicht mehr zu einer Wende und neben dem blamablen Ausscheiden im Pokal blieb nur die Erkenntnis, dass der zweite Anzug der Blauen an vielen Stellen noch nicht richtig passt.

In Heidenheim (wie auch schon bei den 1860ern) fiel vor allem das verletzungsbedingte Fehlen von Dominick Drexler negativ auf. Den bis dahin immer wieder auffallend kämpferischen und mit viel Einsatz agierenden Mittelfeldspieler konnten weder der 18-jährige Russe Jaroslaw Michailow (in München) noch der zurückgekehrte Kapitän Danny Latza gleichwertig ersetzen.

Und so litt das zarte, gerade erst aufgekeimte Pflänzchen des Schalker Offensivspiels erneut an der fehlenden Passgenauigkeit und den wieder vermehrt auftretenden langen Bällen. Der Sturm der Blauen mit Terodde und Marius Bülter hing somit in der Luft und verschwand nach und nach im dichten Heidenheimer Nebel völlig.

Dabei verzichtete der Trainer wie schon so oft auf frühzeitige Impulse von außen. Blendi Idrizi kam erst in der 79. Minute für den ausgepumpten Latza, der nach dreimonatiger Verletzungspause erstmals wieder von Beginn an auf dem Platz stand. Stürmer Marvin Pieringer wurde sogar erst in der Nachspielzeit eingewechselt, nachdem Heidenheim spät aber nicht unverdient in Führung gegangen war.

Diese zweifelhaften Entscheidungen (und das so gar nicht passende Schönreden der Niederlagen) endzündeten das Feuer der Kritik an Dimitrios Grammozis passend vor den schwierigen nächsten Spielen (am Sonntag gegen den Sechsten Darmstadt 98, nach der Länderspielpause bei Mitabsteiger Werder Bremen, im Dezember nacheinander gegen Tabellenführer St. Pauli, den fünftplatzierten 1. FC Nürnberg und den HSV) erst wieder so richtig.

Das werden schwerge Wochen, nicht nur für Mannschaft und Trainer, sondern auch für den Führungsstab um Sportdirektor Rouven Schröder. Noch kann man dank des guten Tabellenranges jegliche Kritik an Grammozis ignorieren. Sicherlich hat auch der Übungsleiter seinen Anteil daran, die Defensive mit Torwart Martin Fraisl, Marcin Kaminski, Ko Itakura und Malick Thiaw steht inzwischen nahezu bombenfest. Doch nach vorne wirkt inzwischen wieder vieles wie Stückwerk, Rodrigo Zalazar ohne seinen Partner Drexler oft alleingelassen und überfordert.

Das Ganze erscheint mir immer mehr wie ein Hochseilakt ohne Netz und doppelten Boden. Es kann gut gehen, solange die Leistungsträger wie Terodde, Ouwejan, Fraisl und Co. dank ihrer individuellen Fähigkeiten liefern. Doch eine Weiterentwicklung des Spielsystems ist eigentlich unabdingbar, um ein unangenehmes Erwachen zu vermeiden.

Die entscheidende Frage dabei: kann das Dimitrios Grammozis überhaupt? Zweifel daran sind sicherlich angebracht und ein großer Teil der vorgebrachten Kritik demnach auch nicht gänzlich unberechtigt. Allerdings sollte man auch nicht zu ungeduldig werden, gerade Auf Schalke ist die Ungeduld eine sehr schlechte Beraterin, hat sie uns über die Jahre doch erst in diese Misere mit hineingeritten.

Nach dem Trümmerhaufen der unsäglichen vergangenen Saison spielt diese Mannschaft gerade mal vier Monate in dieser Form zusammen, nachdem Rouven Schröder die Spieler aus allen Himmelsrichtungen zusammengeholt hatte. Auch dank des Trainers ist daraus innerhalb kürzester Zeit ein Team geworden, welches in einer nicht wirklich einfachen Zweiten Bundesliga momentan immerhin Dritter ist.

Ich möchte nicht in der Haut von Rouven Schröder stecken. Wann ist die richtige Zeit zu reagieren? Oder sollte man erst einmal gar nichts tun? Die Kritik ignorieren und am Trainer festhalten, auch wenn man selbst nicht hundertprozentig von ihm überzeugt ist? Was geben die Finanzen noch her? Wie sieht es überhaupt mit der Handlungsfähigkeit aus?

Niemand hat jemals behauptet, dass Schalke einfach ist. Und unaufgeregt schon mal gar nicht. Im Moment scheint sich die Gemengelage rund um die Veltins-Arena aber wieder einmal zuzuspitzen. Wie so oft eben bei diesem FC Schalke 04.