Die Zunahme der europäischen Inflation ist NICHT zu hoch

Wie vorhergesagt (da die Energiepreise nicht ewig weiter fallen konnten) ist die Verbraucherpreisinflation in der EU gestiegen. Das gegenwärtige Niveau beträgt 1,1%, welches allerdings in historischer Perspektive geradezu niedrig ausfällt.


Lohn- und Gehaltserhöhungen in den EU-Ländern zwischen
dem 4. Quartal 2015 und dem 3. Quartal 2016

Auch die Kerninflation (die im Gegensatz zur Verbraucherpreisinflation niemals negativ war) blieb verhalten und sogar weiterhin noch unter 1%. Alles vorhersehbar, doch die Menschen [besser gesagt die Medien] beginnen bereits zu heulen und zu zetern, dass die Inflation steigt und wir Angst vor wertlosem Geld haben sollten.

Sie liegen falsch. Vier Gründe:

1. Inflation misst nicht die Kaufkraft des Geldes. Sie misst die Kaufkraft des Nominaleinkommens.

Ein schönes Beispiel dafür: die Einführung des Euro. Trotz der Vorstellung eines völlig neuen Geldes und einer ganzen Reihe neuer Preise blieb die Kaufkraft des Einkommens der Haushalte mehr oder weniger gleich.

So zeigt die Verbraucherpreisinflation, was ein Haushalt hätte kaufen können, wenn das nominale Einkommen und die Einkaufsmuster gleich geblieben wären. Dies ist eine äußerst nützliche Messlatte.

Aber echte Haushalte sind natürlich clever. Es ist nicht nur das Preisniveau, welches sich ändert, sondern auch die relativen Preise. Wenn das nominale Einkommen gleich bleibt und die Preise steigen (oder sogar, wenn das nominale Einkommen steigt), werden sie ihr Konsummuster ändern. Ökonomen sollten diesen Verschiebungen viel mehr Aufmerksamkeit widmen, obwohl sie natürlich auch beachten müssen, dass einige der wichtigsten Preise unserer Volkswirtschaft (wie z. B. der Hypothekarzinssatz!) nicht im Verbraucherpreisindex enthalten sind.

Diese Änderungen der relativen Preise und der Ausgabenmuster zeigen, dass die Idee der „Kaufkraft des Geldes“ verrückt ist. Die Einführung neuer Produkte unterstreicht dies. Was Haushalte mit ihrem Geld tun, tun wollen und können verändert sich ständig. Dies schließt lediglich die „Verbraucherkredite“ aus. Wenn es einfacher oder schwieriger wird, Konsumentenkredite zu erhalten, ändert dies die Kaufkraft der Haushalte.

2. Wir sollten keine Angst vor der Entwertung des Geldes haben, sondern uns Sorgen machen wegen der Minderung des nominalen Einkommens: der Löhne und Gehälter. Und der „gemischten Einkommen“ der Selbständigen.

Das nominale Einkommen sollte soviel – und vorzugsweise ein wenig mehr – steigen wie die Verbraucherpreisinflation. Dies geschah im Jahr 2016 (zumindest bei den Löhnen), was vor allem auf die niedrigeren Energiepreise zurückzuführen ist.

In diesem Augenblick sind die Lohnsteigerungen in vielen europäischen Ländern allerdings eher gering, dies bedeutet, da die Energiepreise wieder steigen, dass wir das Risiko eines deflationären Abwärtstrends haben könnten (interessanterweise sind die Lohnerhöhungen in vielen Transformationsländern beträchtlich, sie halten dabei Vermögenspreis-Blasen in Schach, eine an sich ganz gute Sache).

3. Es geht nicht nur um die Verbraucherpreise. Ein Großteil des Haushaltsverbrauchs wird von der Regierung bereitgestellt: Bildung, Justiz, Küstenschutz und dergleichen. Dies wird nicht durch den Verbraucherpreisindex gemessen.

Nach dem Jahr 2008 waren die Preiserhöhungen dieser Dienstleistungen (sofern sie nicht „privat privatisiert“ waren) in hohem Maße gemindert, zumal die Steigerung (wenn überhaupt) der staatlichen Löhne niedriger war als der Durchschnitt. Die Preiserhöhungen der staatlichen Produkte und Dienstleistungen, die von den Haushalten verwendet werden, waren oft sogar geringer als die Zunahmen der Verbraucherpreise.

4. Geringe Lohnerhöhungen bedeuten natürlich auch, dass die sogenannte „Cost Push Inflation“ gedämpft wird. Zur Zeit scheint es in manchen Ländern eine Art Lohn-Preis-Spirale zu geben, die sich aber vor allem nach unten dreht.

(Übersetzung eines Blogbeitrages des niederländischen Ökonomen Merijn Knibbe)