Das Epizentrum der Schalker Megakrise: nach Heidel/Tedesco soll nun Huub Stevens die Scherben zusammenkehren

Es war das unerwartet schnelle Ende einer neuen Ära: mit dem Rücktritt von Christian Heidel und der Entlassung von Trainer Domenico Tedesco ist bereits nach wenigen Jahren der nächste Umbruch im Berger Feld fällig.

Bas van Veenendaal
Back in Blau-Weiss: Schalkes Jahrhunderttrainer Huub Stevens

Nein, damit hatte ich nun wirklich nicht gerechnet, als ich mich im Februar aufgrund von Renovierungsarbeiten aus der aktuellen Berichterstattung über die Knappen ausklinkte.

Ganz im Gegenteil fiel mein Fazit zum Beginn der Rückrunde noch recht positiv aus, sicherlich gab es manches zu kritisieren, doch so eine negative Krisenentwicklung (0:2 gegen Gladbach, 1:3 in München, 0:0 gegen Freiburg, 0:3 in Mainz, 0:4 gegen Düsseldorf, 2:4 in Bremen) konnte man nun nicht wirklich erwarten.

Dazu kam dann noch das unsägliche 0:7 in Manchester, ein trauriger neuer deutscher Negativrekord in der Champions League. Danach konnte man im Zusammenhang mit der Schalker Mannschaft eigentlich nur noch von einem „Trümmerhaufen“ reden, brach dieses „Team“ doch regel-mäßig nach dem ersten Gegentor förmlich auseinander. Sportvorstand Christian Heidel, hauptverantwortlich für die Zusammenstellung dieses Kaders, zog dann auch unerwartet schnell die Konsequenzen und trat von allen Ämtern zurück, für mich hatte diese Demission allerdings eher den Charakter einer Flucht.

Es blieb der unangenehme Beigeschmack völliger Überforderung, hatte der mit viel Vorschusslorbeer angetretene ehemalige Mainzer Gebrauchtwagenhändler doch gerade bei den sogenannten „Königstransfers“ arg daneben gelegen (weder Breel Embolo noch Nabil Bentaleb oder vor dieser Saison Sebastian Rudy, Mark Uth und Omar Mascarell konnten bisher wirklich Akzente setzen), zudem war es ihm nicht gelungen wichtige Schalker Eigengewächse wie Leon Goretzka, Max Meyer und Thilo Kehrer zu halten.

Zurück und gefühlt allein gelassen stand Coach Tedesco nun als einziger in der Verantwortung, aber letztlich gelang es ihm nicht mehr, eine Kehrtwende herbeizuführen. Die in mehrere Fraktionen zerfallene Mannschaft (u. a. mit der „French Connection“ der Afrikaner Hamza Mendyl, Amine Harit, Salif Sanè, Bentaleb und Mascarell) schien ihm einfach nicht mehr folgen zu wollen. Doch auch das Trainerteam hatte seinen Anteil an der heraufziehenden Krise: die zu Saisonbeginn angekündigte Umstellung von der rein reagierenden Pressing-Maschine hin zu mehr Ballbesitz und gezielten Offensivaktionen wollte einfach nicht gelingen.

Der Salto Mortale rückwärts zu alten Tugenden funktionierte dann allerdings auch nicht mehr, war die Mannschaft doch mit Transfers wie Nationalspieler Rudy, Goalgetter Mark Uth und Ballverteiler Mascarell schon zu sehr auf die neue Taktik umgestellt. Spieler, die einen solchen Umschwung mitgemacht hätten wie etwa Leon Goretzka fehlten jetzt erst recht. Dazu kam mit dem Abgang von Naldo und der Degradierung von Kapitän Ralf Fährmann (wenn auch meiner Ansicht nach sportlich durchaus zu Recht) offenbar die Hackordnung innerhalb des Teams gehörig durcheinander.

Tedesco versuchte zwar alles, um den freien Fall noch irgendwie abzubremsen, doch ein völlig verunsicherter Haufen von „Legionären“ scheiterte immer wieder an sich selbst, gnadenlos effektiven Gegnern oder eben auch der fehlenden Erfahrung des eigenen Trainers im Umgang mit diesen komplizierten Charakteren. Radikale Maßnahmen wie die Suspendierung unwilliger Akteure (Harit, Uth und Mendyl) fruchteten ebenso wenig wie taktische Umstellungen (Vierer- oder Fünferkette), sodass sich der neue Sportvorstand Jochen Schneider letztendlich doch zum Handeln gezwungen sah.

Vor der Begegnung gegen RB Leipzig begann dann also der nächste große Umbruch Auf Schalke. Während Domenico Tedesco Donnerstags morgens seine letzte Trainingseinheit in Gelsenkirchen leitete, tagte gleichzeitig der Krisen- bzw. Aufsichtsrat unter seinem Vorsitzenden Clemens Tönnies. Am Ende stand dann das Ende für den bisherigen Coach und die Einsetzung eines Dreigestirns mit Huub Stevens als Cheftrainer, Eurofighter Mike Büskens als Co und das Schalker „Urgestein“ Gerald Asamoah als Teammanager.

Doch Teil Eins ihrer Rettungsmission „Abstieg vermeiden“ ging am letzten Wochenende schief: die ostdeutsche Brausetruppe war trotz durchwachsener Leistung keineswegs gewillt, dem stotternden blau-weißen Motor neuen Schmierstoff zu verpassen. Beim 0:1 in der Veltins-Arena offenbarten die Knappen neben einem durchaus verbesserten Defensiv-verhalten alte Schwächen. Es gelang einfach nicht, die Lederkugel regelgerecht im Leipziger Gehäuse zu versenken.

Nun also soll die Länderspielpause (am 20.03. gegen Serbien und dem Start in die EM-Qualifikation am 24.03. in den Niederlanden) intensiv genutzt werden, um den Spielern die nötigen Tugenden für den Abstiegskampf zu vermitteln. Stevens und sein Team werden einiges zu tun haben, um die Moral sowie die technischen und taktischen Rück-stände der Mannschaft so weit wie möglich wieder aufzubauen. Nicht zu vergessen die Harmlosigkeit vor des Gegners Tor. Nie zuvor war eine Schalker Elf abschlussschwächer als diese „Trümmertruppe“.

Wie wenig aber auch die Akteure den Ernst der Lage offenbar begriffen haben, zeigt die Zwangs-„Versetzung“ von Nabil Bentaleb in die U23. Eigentlich sollte er einer der Leader dieser Mannschaft sein, doch seit seiner Ankunft in Gelsenkirchen vor drei Jahren zeichnete sich der algerische Nationalspieler eher durch divenhafte Eskapaden sowie teils haarsträubende Fehler und Leichtsinnsaktionen auf dem Platz aus. Lief es nicht nach Plan, so war Bentaleb stets einer der Ersten, die leistungsmäßig abtauchten.

Für Huub Stevens sind solche Disziplinlosigkeiten ein Prüfstein, ob er diesen Haufen tatsächlich noch unter Kontrolle bringen kann. Ansonsten könnte sich seine Rettungs-mission schnell in ein echtes Himmelfahrtskommando verwandeln, dessen Ausgang dem unerwarteten Schicksal so manchen Bundesliga-Dinos (siehe Hamburger SV!) gleichkäme. Doch noch ist es glücklicherweise nicht so weit!