Möglichkeiten der Besteuerung: eine skandinavische Lösung

Wenn es ums Steuern zahlen geht, scheinen unsere Politiker entschlossen, diesen Prozess so plump und schmerzhaft wie möglich zu gestalten.

Nordens flaggor
Flaggen der skandinavischen Länder

Wenn ein Politiker ein Chirurg wäre mit der Aufgabe, ein Bein zu amputieren, können wir uns gut vorstellen wie es gehen würde. Zuerst würde er leugnen, dass er plant das Bein zu entfernen. Dann würde er ein Gesetz verabschieden, welches es illegal macht das Bein zu amputieren.

Dann würde er sagen, dass er stattdessen das Bein eines Investment-Bankers abnehmen werde. Schließlich würde er über das Chaos jammern, das ihm die früheren Chirurgen hinterlassen haben und dann würde er beginnen, die Zehen mit einer Käsereibe wegzunehmen.

So ähnlich ist es auch mit den Steuern. Es macht definitiv keinen Spaß, sie zu bezahlen, doch die öffentlichen Ausgaben müssen halt irgendwie finanziert werden. Und trotzdem scheinen unsere Politiker finster entschlossen, diesen Prozess so ungeschickt, schmerzhaft und unaufrichtig wie möglich zu machen.

Dies liegt vor allem daran, weil Politiker Steuern rein politisch betrachten. Sie glauben, dass das größte Problem bei der Besteuerung sei, dass die Menschen sie nicht bezahlen wollen, weshalb sie ihnen sagen, dass die Steuern nur auf multinationale Unternehmen, Investment-Banker und Steuerhinterzieher aller Couleur erhoben werden. Politiker beschwichtigen verärgerte Wähler mit Steuerbefreiungen und Nachlässen. All dies erscheint politisch verständlich, sorgt aber auch für den Effekt, dass die Steuern viel mehr Schaden anrichten als sie es eigentlich müssten.

Das wahre Problem mit den Steuern ist ein ganz Anderes. Es besteht darin, dass die Menschen in dem Bemühen, weniger Steuern zu zahlen einige außergewöhnliche Dinge machen. Am offensichtlichsten und kontroversesten erscheint dabei die Übernahme merkwürdiger rechtlicher Bezeichnungen mit der einzigen Wirkung, ihre Steuerschuld zu reduzieren.

Einige sind teuflisch komplexe internationale Regelungen, um verschiedene Besteuerungsabkommen gegeneinander auszuspielen und Unternehmensgewinne so zu erzeugen, dass sie von jeder Steuerbehörde für das Problem von jemand anderem gehalten werden. Andere sind dagegen ganz einfach gehalten. Alle zusammen sind unfair und erzeugen vor allem jede Menge Papierkram.

Ein zweites Problem, weniger öffentlichkeitswirksam aber wahrscheinlich umso ernster, betrifft die Tatsache, dass die Menschen ihr Verhalten ändern werden und nicht nur die rechtliche Bezeichnung ihrer Handlungsweisen. Zum Beispiel frischgebackene Mütter, die lieber zu Hause bleiben anstatt zu arbeiten, weil sie die Kinderbetreuung aus ihrem hoch besteuerten Einkommen nicht bezahlen wollen. Die Mutter wird nicht die Karriere machen, die sie eigentlich erreichen wollte und der Fiskus erhält keine Steuereinnahmen. Beide verlieren also dabei.

Zwei Artikel im Journal of Economic Perspectives erforschten im letzten Jahr, wie die Regierungen ernsthafter und seriöser mit Steuererhöhungen umgehen könnten. Einer davon, von Gabriel Zucman, unterstreicht dabei, wie es die Komplexität und Widersprüchlichkeit der verschiedenen Steuersystemen vermögenden Privatpersonen und multinationalen Unternehmen erlauben, grenzüberschreitende Lücken zu nutzen und Steuern zu vermeiden.

Zucmans Berechnungen deuten darauf hin, dass US-Unternehmen zunehmend ihre Gewinne in dem verbuchen, was er als „die Hauptsteueroasen“ bezeichnet, Rechtssysteme, in denen noch 1984 nur etwa 2 Prozent der US-Unternehmensgewinne, 2013 aber bereits 18 Prozent untergebracht wurden.

Doch eine andere Möglichkeit, das Problem hoher Steuererhebung anzugehen, besteht darin, danach zu fragen wer es gelöst hat. Die Antwort: Dänemark, Norwegen und Schweden. Die US-Steuereinnahmen betragen etwa 25 Prozent des BIP, Großbritannien und Deutschland liegen bei etwa 35 Prozent, und die Skandinavier bei etwa 45 Prozent, so der Ökonom Henrik Jacobsen Kleven. Irgendwie haben es die Skandinavier offenbar geschafft, große Summen von ihren Bürgern einzuziehen, ohne die Wirtschaft zu zerstören. Doch wie?

Das ist die Frage, die Kleven sich anschickt zu beantworten und natürlich ist die Antwort zum Teil kulturell bedingt. Es liegt aber auch an der umfassenden Steuererfassung in Skandinavien, die ein völliges Entziehen sehr schwer gestaltet. Norwegische Steuererklärungen werden veröffentlicht und jeder kann sie überprüfen. (Kein Wunder, dass Gabriel Zucman – vielleicht etwas unplausibel – von einem globalen Finanzregister träumt, um Steuerhinterzieher leichter aufzuspüren.)

Nicht jeder wird sich über das Gefühl freuen, eine allessehende Regierung im Namen höherer Steuern in die Privatsphäre eindringen zu lassen. Doch es gibt auch andere Elemente der skandinavischen Besteuerung, die jede Regierung gern emulieren würde: die skandinavischen Länder minimieren die Verzerrungen ihres Steuersystems, indem sie die schlechten Gewohnheiten der Politiker in anderen Ländern vermeiden.

Die wichtigste dieser Angewohnheiten ist das Abzielen auf eine möglichst beschränkte Steuerbasis. Das US-Steuersystem ist voll von Ad-hoc-Abzügen und Befreiungen. Das britische System schließt unnötig weite Teile der Wirtschaft von der Steuer aus. Anstatt eine 10-prozentige Mehrwertsteuer auf alles zu erheben, besteuert die britische Regierung etwa die Hälfte von dem, was die Verbraucher ausgeben mit 20 Prozent. Die Dänen haben dagegen eine viel breitere Bemessungsgrundlage und auch noch eine höhere Rate.

Der einfachste Weg, die Steuerbasis zu verbreitern besteht in dem Abbau von Barrieren, um einen Job zu bekommen. Skandinavische Regierungen subventionieren Bildung, Verkehrsmittel und die Pflege von Kindern und älteren Menschen mit dem Ziel, Menschen in Arbeit zu bringen, die ansonsten vielleicht zu Hause festsitzen würden. Als Ergebnis können selbst hohe Steuern sie nicht vom Arbeitsmarkt fernhalten.

Das macht durchaus Sinn. Wenn der Chirurg wirklich daran geht, ein Bein zu amputieren, wäre ein prothetischer Ersatz sehr vernünftig.

(Eigene Übersetzung eines Blogbeitrages des britischen Ökonomen Tim Harford)