Offensichtlich ist dieses Phänomen nur dem Geld eigen und hat daher keine Entsprechung in der Welt der realen Waren. Ein Anspruch auf eine gewisse Menge an Schafen beispielsweise erhöht eben keines-wegs die Gesamtzahl der Schafe.
Aber eine Bankeinlage, obwohl legal eigentlich nur ein Anspruch auf Geld als gesetzliches Zahlungs-mittel, dient in sehr weiten Grenzen den genau gleichen Zwecken, die dieses Geld an sich selbst erfüllen würde.
Banken „kreieren“ natürlich kein gesetzliches Zahlungsmittel und noch weniger „erschaffen“ sie Maschi-nen, Automaten oder Roboter. Sie tun jedoch etwas – das ist vielleicht im Fall der Ausgabe von Bank-noten leichter zu erkennen – was in seinen wirtschaftlichen Auswirkungen der Schaffung von Geld ziemlich nahe kommt und zur Schaffung von „realem Kapital“ führen kann, welches ohne diese Praxis nicht möglich wäre.
Dies ändert jedoch die analytische Situation grundlegend und macht es höchst unhaltbar, bestehende „Sparfonds“ als Vorrausetzung für Bankkredite anzusehen, die erst durch einen gänzlich imaginären Akt des Sparens entstehen oder durch ihre Eigentümer einer früheren Anwendung entzogen werden müssen.
Es ist dagegen viel realistischer zu sagen, dass die Banken Kredit schaffen, das heißt, dass sie Einlagen durch ihre Kreditvergabe kreieren und eben nicht die ihnen anvertrauten Einlagen weiter verleihen.
Und der Hintergrund für diese Annahme besteht schlicht darin, dass die Einzahler nicht mit den Insi-gnien einer Rolle ausgezeichnet werden sollten, die sie gar nicht spielen. Die Theorie, an die sich die Ökonomen so hartnäckig klammern macht sie zu Sparern, obwohl sie weder sparen noch es beabsich-tigen; sie schreibt ihnen somit einen Einfluss auf die „Kreditversorgung“ zu, den sie überhaupt nicht haben.
Die Theorie der „Kredit-Erschaffung“ erkennt dagegen nicht nur die offensichtlichen Fakten an, ohne sie durch künstliche Konstruktionen noch extra zu verschleiern.
Sie stellt auch den besonderen Mechanismus des Sparens und der Investitionen heraus, der für die gesamte kapitalistische Gesellschaft und die wahre Rolle der Banken in der kapitalistischen Evolution so charakteristisch ist.
aus Schumpeter: History of Economic Analysis (Eigene Übersetzung eines Blogbeitrages des schwe-dischen Ökonomen Lars Syll)