Die Hälfte der Hinrunde ist durch: Wie David Wagner Schalke 04 neues Leben einhauchte

Es war doch schon so etwas wie ein vorentscheidendes Spiel, jenes glückliche 3:2 in Augsburg am vergangenen Sonntag. Hätten die Blauen diese Begegnung verloren drohte das Niemandsland der Tabelle.

2019-01-27 Augsburg 028 Augsburger Puppenkiste (33278470258)
Auch der Drache aus der berühmten Puppenkiste konnte dem FCA
nicht zum Sieg verhelfen…

Mit dem Erfolg aber schloss der S04 punktetechnisch wieder nach oben auf und kann nun perspektivisch auch auf diesen Rängen bis Platz 6/7 erst einmal verbleiben. Denn das Programm der nächsten Wochen (Zuhause gegen Düsseldorf, nach der Länderspielpause in Bremen und dann gegen Aufsteiger Union Berlin) bietet sämtlich Gegner aus der unteren Tabellenhälfte auf. Nicht unbedingt einfach, aber durchaus machbar.

Doch noch einmal zurück nach Augsburg: Bemerkenswert, wie der FC Schalke 04 sein bis dahin schlechtestes Saisonspiel am Ende doch noch gewinnen konnte. Zunächst überraschten die Fuggerstädter die Gelsenkirchener mit ihren eigenen Waffen, nämlich einem intensiven Pressing direkt an der Strafraumgrenze. Blau-Weiß hatte dadurch erhebliche Probleme beim Spielaufbau, die durch den verletzungsbedingten Ausfall des Abwehrchefs Salif Sanè nach wenigen Minuten keineswegs besser wurden.

Folgerichtig war aufgrund dieses höheren Engagements die zweimalige Führung des FCA durchaus verdient, obwohl man über das Handspiel von Bastian Oczipka, welches zum Elfmeter und somit zum 2:1 der Heimmannschaft führte, zweifellos diskutieren konnte. Doch welcher Handeinsatz im Strafraum zog in den letzten Wochen keine Debatten nach sich? Ich erinnere nur an Thorgan Hazard im letzten Derby.

Am Ende gewannen die Blauen dank zweier Standardsituationen von Daniel Caligiuri und einem katastrophalen Bock von Augsburgs Reece Oxford nicht unbedingt verdient, bewiesen aber vor allem in der zweiten Hälfte eine enorme Moral, mit der sie die schlimme Verletzung ihres Abwehrchefs und einen zweimaligen Rückstand wegsteckten.

Dies ist sicherlich ein Verdienst des neuen Trainers David Wagner, der damit neben dem aggressiven Pressing eine zweite tiefgreifende Veränderung gegenüber der Vorsaison erreicht hat. Diese Mannschaft gibt sich nicht mehr einfach so auf, sie kämpft und fightet bis zuletzt und ist auch konditionell in der Lage jederzeit wieder zurückzukommen.

Ein gänzlich anderes Bild hinterließen die Knappen dagegen in der Vorwoche im DFB-Pokal beim Zweitligisten Arminia Bielefeld, obwohl mit dem Schlusspfiff kurioserweise das gleiche Ergebnis wie in Augsburg auf der Anzeigetafel aufleuchtete. Siebzig Minuten bestimmte Schalke die Begegnung auf der Alm nach Belieben und hätte zum Pausentee dank des neuen Sturmduos Mark Uth und Benito Raman sowie eines Amine Harit in Spiellaune wesentlich höher als 3:0 führen müssen.

In den Schlussminuten wankte und schwankte dann das ganze Gebilde S04 wie ein Fischkutter in stürmischer See. Die Spieler mussten feststellen, dass ein Umschalten von offensiver Dominanz zum bloßen Verwalten derselben durchaus mächtig in die Hose gehen kann. Einen Pfostenschuss und zwei von der Torlinie gekratzte Bälle später blieb nur die Erkenntnis, dass im Pokal lediglich das Weiterkommen zählt. Dabei gemachte Erfahrungen können zwar wertvoll werden, haben aber erst mal nur wenig Einfluss.

Was gab es sonst noch Bemerkenswertes? Ach ja, die Nullnummer im Derby, bei der die Blauen sich für eine engagierte Leistung nicht belohnten und ihre Überlegenheit nicht in den verdienten Erfolg ummünzen konnten. Wie es im Fußball dann manchmal so kommt, holten sie sich die Punkte mit einem schlechten Auftritt in Augsburg.

Damit aber blieben die Schalker oben dabei, auf Rang 6 der Tabelle (immerhin ein Europa-League-Platz!) punktgleich mit den kriselnden Münchener Bayern und nur einen Zähler hinter dem BVB. Erwartungen mehr als erfüllt, lautet so das Fazit für die erste Hälfte der Hinrunde und im Zentrum der Anerkennung steht Trainer David Wagner, der den dahinsiechenden Patienten Schalke 04 wieder von der Intensivstation herunterholte und ihm Selbstvertrauen, Mut und Teamgeist einimpfte.

Es ist schon überraschend, wie schnell dessen Radikalkur aus dem Problemkind wieder ein stolzes Rennpferd gemacht hat. Erinnern wir uns, selbst unter Huub Stevens zeigten die Schalker unglaubliche Probleme im Spielaufbau, kurze Pässe waren nahezu unmöglich und mit den langen Granaten gingen die Bälle regelmäßig schnell wieder verloren. Dagegen haben wir heute in einer Begegnung gefühlt so viele Torchancen wie in der gesamten letzten Saison.

Besonders bemerkenswert ist dabei auch noch die Tatsache, dass dieser Umschwung mit nahezu dem gleichen Personal erfolgte. In der Mehrzahl der bisherigen Spiele standen außer Neuzugang Jonjoe Kenny nur Akteure der Heidel-/Tedesco-Ära auf dem Rasen. Diese zeigten aber gerade jetzt all jene Tugenden, die ihnen unter den Letztgenannten am Ende völlig abgingen: Einsatzwillen, Opferbereitschaft und ein unglaubliches Wir-Gefühl, welches die Mannschaft spürbar wieder zusammenschweißte.

Gratulation David Wagner für die Veränderungen, die aus diesem Club etwas anderes gemacht haben, eine Pressing-Maschine, bei der die früh attackierenden Stürmer von allen anderen unterstützt werden und die gesamte Mannschaft mit nach vorn schiebt. Kein Alibi-Forechecking mit zwei/drei Akteuren und dem zuschauenden Rest, sondern ein wirklich überfallartiges Attackieren mit sechs oder mehr Spielern.

Mit einer Viererkette, bei denen die beiden Außenverteidiger allerdings sehr offensiv agieren und die durch den abkippenden Sechser (Omar Mascarell interpretiert diese Rolle bisher ausgezeichnet) im Spielaufbau zu einer Dreierkette wird, wirkt das gesamte Abwehrverhalten wesentlich stabiler. Mal schauen, wie es jetzt nach den verletzungs-bedingten Ausfällen von Benjamin Stambouli und Salif Sanè funktioniert, doch für genau eine solche Situation wurde ja viel Geld für Ozan Kabak ausgegeben.

Kopfschmerzen bereitet mir momentan lediglich die Situation im Sturm. Guido Burgstaller kann einem inzwischen schon leidtun, denn trotz allen Engagements trifft er die Bude einfach nicht mehr. Und obwohl Benito Raman in Bielefeld doppelt eingenetzt hat, lief es für ihn in der Bundesliga bisher noch schlechter, da er genauso wie Mark Uth zuletzt hauptsächlich als Bankdrücker eingesetzt wurde. Rabbi Matondo hätte ganz allein das Derby entscheiden können, doch auch er hatte das Zielwasser weggelassen und beste Chancen vergeben.

Ohne Tore durch Mittelfeldspieler wie den überragenden Amine Harit oder per Kopf von Sanè und Kabak würden wir wieder über eine echte Offensivmisere reden müssen, diese Diskussion blieb uns bisher Gott sei Dank erspart. Gegen Fortuna Düsseldorf bietet sich nun wieder die Möglichkeit, die Sturmkrise erst einmal zu beenden. Motivation dürfte genug vorhanden sein, waren es doch die Rheinländer, die mit dem 0:4 in der Vorsaison alle Hoffnungen auf ein glimpfliches Ende der Spielzeit zerschlugen.

Auch Benito Raman sollte der von Düsseldorfer Seite nicht ganz geräuschlose Wechsel zum S04 Antrieb genug sein, es seinem Ex-Club richtig zeigen zu wollen. Wenn er denn von Anfang an spielen darf. Mal schauen…