Amerikas tatsächliche „Killing Fields“

Wir benötigen gar nicht den aus dem Ruhestand zurückkehrenden Louisiana-Detective Rodie Sanchez, um das derzeit gegen die Mitglieder der Arbeiterklasse in den Vereinigten Staaten begangene Verbrechen aufzulösen.


Allgemeine Mortalitätsraten von Farbigen und weißen Nicht-Hispanics
mit High-School-Abschluss oder weniger

Wir kennen bereits viele Details der Tat. Wir kennen auch die Identitäten sowohl der Opfer als auch des Serienmörders. Das einzige echte Mysterium ist, was wird das Land daraus machen?

Die Untersuchung selbst wird von Anne Case und Angus Deaton (pdf) äußerst penibel und sorgfältig durchgeführt. Sie zeigen mit reichlich vorhandenen Statistiken, dass sich die Sterblichkeitsentwicklung in den Vereinigten Staaten gegensätzlich zu der in anderen reichen Ländern entwickelt, in denen sie seit Jahrzehnten stetig zurückgeht.


Mortalitätsraten im Länder-Vergleich

Die Schlagzeilen konzentrierten sich natürlich auf eine Gruppe – weiße Nicht-Hispanics mittleren Alters mit einem High-School-Abschluss oder weniger – deren Sterblichkeits-raten, dabei insbesondere diejenigen, die sich auf „Todesfälle aus Verzweiflung“ (Drogen-Überdosierungen, Selbstmorde und alkoholbedingte Sterblichkeit) zurückführen lassen sich von 1998 bis 2015 erhöht haben.*

Der Fokus liegt aus einer Reihe von Gründen auf dieser Gruppe, einschließlich der Tatsache, dass ihre steigenden Raten (im Gegensatz zu Schwarzen und nichtweißen Hispanics) den rassischen Abstand bei der Mortalität unter den Nicht-College-gebildeten Amerikanern nahezu ausgelöscht hat, und natürlich wegen der Bedeutung der Wähler aus der „weißen Arbeiterklasse“ in den Erklärungen für Donald Trumps Wahlsieg.

Aber wir müssen auch über die Schlagzeilen hinausgehen und verstehen, dass die Raten für verschiedene ethnische und rassische Gruppen in den Vereinigten Staaten sich in den letzten Jahrzehnten in entgegengesetzte Richtungen entwickelt haben, die Raten für Farbige und Hispanics aus der Arbeiterklasse sind dabei immer noch sehr hoch. Und in den letzten Jahren (siehe die Abbildung ganz oben) haben sie ebenfalls begonnen zu steigen.

Das ist die wirkliche Krimi-Geschichte. Alle drei Gruppen innerhalb der amerikanischen Arbeiter -Weiße, Farbige und Hispanics- werden im Vergleich zu den Populationen anderer reicher Länder mit ungewöhnlich hohen Raten getötet.

Und der Serienmörder? Case und Deaton tun sich viel schwerer bei der Arbeit in diesem Bereich. Das liegt daran, weil sie den Schlagzeilen folgen und die Unterschiede in den langfristigen Trendraten betonen und das größere Bild dabei aus den Augen verlieren. So übersehen sie die Rolle, die von der Einkommensungleichheit gespielt wird, und stimmen stattdessen der Geschichte von Charles Murray über den Rückgang der traditionellen amerikanischen Tugenden unter den Arbeiterklasse-Weißen zu (siehe diesen Beitrag aus dem Jahr 2012).

Die Tatsache ist vielmehr die, dass die von Case und Deaton identifizierten Arbeitsmarktfaktoren, welche die Weißen, Schwarzen und Hispanics mit einem High-School-Abschluss oder weniger beeinträchtigt haben, schwerwiegender geworden sind, als die Ungleichheit gestiegen ist und das soziale Sicherheitsnetz in den Vereinigten Staaten sei Beginn der 1970er Jahre auseinandergerissen wurde.

Der Aufwärtstrend bei den Weißen und die Verringerung der Kluft zwischen den Rassen, so bedeutsam sie auch sind, sollten das allgemeinere Problem (wie bereits im Jahre 2015 beschrieben) eines großen und wachsenden Abstandes zwischen den Lebenserwartungen (sowohl für Männer und Frauen) derer an der Spitze und denen unten in der Einkommensverteilung in den Vereinigten Staaten nicht verbergen.

Das amerikanische Fernsehen ist derzeit wie immer damit beschäftigt, seine Zuschauer mit Erzählungen über Menschen zu fesseln, die beschuldigt werden, schreckliche Handlungen begangen zu haben. Es ist jedoch eher an der Zeit, sich auf die Geschichte eines Wirtschaftssystems zu konzentrieren, das seine eigenen „Killing Fields“ geschaffen hat.

Anmerkung:
* Die Mortalitätssteigerungen für Weiße in der Mitte des Lebens wurden auch parallel durch die Zunahme der Morbidität, einschließlich Verschlechterungen des selbst angezeigten physischen und mentalen Befindens sowie steigende Meldungen über chronische Schmerzen begleitet.

(eigene Übersetzung eines Blogbeitrages des amerikanischen Ökonomen David F. Ruccio)