Nach der Niederlage des S04 in Berlin: ist das Glas nun halbvoll oder halbleer?

Null Punkte und Null Tore nach 3 Bundesligaspielen. In den letzten vier Begegnungen (einschließlich dem Euro-League-Gastspiel in Nizza) nur ein einziges Mal erfolgreich eingenetzt. Das hat langsam wieder einmal das Format, jedem Schalke-Fan die kalten Schweißperlen auf die Stirn zu treiben.

Berlin olympic stadion hertha wolfsburg
Innenraum des Olympiastadions in Berlin

So sehen Wechselbäder aus: am vergangenen Donnerstag noch ein vielstimmig gelobtes Gastspiel an der französischen Côte d’Azur mit einem souveränen, aber viel zu niedrig ausgefallenen 1:0-Erfolg, drei Tage später dann eine von haarsträubenden Fehlern eingeleitete 0:2-Schlappe in der deutschen Hauptstadt.

Sicherlich, bei Pal Dardais Hertha kann man schon mal verlieren. Die Berliner, die nun schon nahezu seit drei Jahren mit fast derselben Mannschaft auflaufen (gegen Schalke spielte kein einziger Neuzugang eine Rolle in der Startelf, sehr bemerkenswert in der heutigen schnelllebigen Fußballwelt), zeigten eindrucksvoll, warum sie mittlerweile zu den Spitzenteams der Bundesliga gezählt werden müssen.

Die aus früheren Zeiten bekannten Stockfehler und taktischen Mängel hat der Ungar der ehemaligen launischen Diva Hertha BSC nahezu völlig ausgetrieben. Kühl und abgezockt präsentierte sich die Mannschaft um Kapitän Vedad Ibisevic und lieferte sich mit den Schalkern lange Zeit einen eher zähen Fight auf Augenhöhe.

Leichte Feldvorteile der Berliner glichen die Blauen gegen Ende der ersten Halbzeit aus und erarbeiteten sich nach dem Pausentee eine minimale Überlegenheit, ohne jedoch zwingende Torchancen kreieren zu können. Dann kam der bittere Moment des Benjamin Stambouli, ein haarsträubender Fehler, der in einem solchen Spiel entscheidend ist.

Ohne die Aussetzer des Franzosen sowie von Nabil Bentaleb wäre diese Sonntagspartie ein eher lauer Nachmittagskick zweier hauptsächlich defensiv ausgerichteter Mannschaften gewesen, die sich vermutlich auf ein schiedlich-friedliches 0:0 geeinigt hätten. So musste daher logischerweise derjenige verlieren, der als Erster einen kapitalen Bock schießt.

Von der Hertha und ihrem eingespielten Ensemble war das aber eher weniger zu erwarten, und so standen die Schalker unter dem Zwang, eine zumindest im Abwehrverhalten perfekte Vorstellung abzuliefern. Dies gelang allerdings nicht und gegen die Berliner wurde das konsequent bestraft.

Die noch verbleibende Spielzeit nach dem 0:2 offenbarte dazu auch noch das momentan größte Problem der Mannschaft von Trainer Markus Weinzierl: mit durchdachten Aktionen Gefahr vor dem Tor des Gegners zu erzeugen und so Zählbares zu erzielen und am Ende mitzunehmen. Ohne das Pokalspiel gegen einen sechstklassigen Kontrahenten haben die Schalker in vier Pflichtspielen bisher lediglich ein mickriges Törchen erzwingen können.

Klaas-Jan Huntelaar nahezu ohne Bindung zum Spiel, Eric Maxim Choupo-Moting zwar technisch stark, doch ohne das Gefühl für den rechtzeitigen Pass, der 19-jährige Schweizer Breel Embolo (noch) in der Bundesliga überfordert. Wenn dann die Mittelfeldzentrale mit Leon Goretzka, Bentaleb und Stambouli vor allem defensiv gefordert wird, hapert es noch gewaltig bei Spielaufbau und Torgefahr.

Doch wenn man ehrlich ist, war das leider so zu erwarten. Mit fünf Neuzugängen und einem Rückkehrer (Matija Nastasic fehlte schließlich eine ganze Saison verletzungsbedingt) in der Kernelf, deren gemeinsame Trainingseinheiten neben den Pflicht- und Länderspielen bisher mit den Fingern einer Hand abzählbar waren, kann man zwar recht zügig eine einigermaßen stabile Defensive aufbauen, doch bis die offensiven Pass- und Laufwege einstudiert sind, dauert es eben erheblich länger.

Auch in Nizza konnte man dieses Manko ausführlich beobachten, sorgte es doch dafür, dass gegen eine komplett beherrschte französische Spitzenmannschaft (das Team von Trainer Lucien Favre ist immerhin momentan Tabellenzweiter und kam durch Mario Balotelli zu lediglich einer einzigen Torchance über 90 Minuten) ein verdientes höheres Ergebnis klar verpasst wurde.

Naturgemäß sind uns da Mannschaften wie die Hertha, welche ohne große Änderungen in die Saison gegangen sind, noch einige Schritte voraus. Daher nutzt es jetzt nichts, die große Systemfrage zu stellen und auf dem zarte Pflänzchen „Neuanfang“ herumzutrampeln, wie es auf Schalke ja so gern Tradition hat.

Es bleibt im Moment nichts anderes, als auf die beiden knappsten Ressourcen des blau-weißen Lagers zu bauen: Zeit und Geduld, sicherlich nicht unbedingt die größten Stärken des Gelsenkirchener Umfelds. Daher kann die einzige richtige Sichtweise nur sein, dass das Glas erst halbvoll ist und noch voller wird, allerdings nicht so zügig, wie man sich das allgemein erhofft hatte.

Und ohne zwischenzeitliche Rückschläge wird es offenbar auch diesmal nicht abgehen…