FC Schalke 04: Einen Schritt vor, zwei Schritte zurück, endlich drei Schritte vor

Nee, so ein Auf und Ab wie in der vergangenen Woche muss man als Schalke-Fan eigentlich nicht haben. Sah es in der Champions League in Chelsea noch überraschend gut aus, so blieb der heiß ersehnte und fest eingeplante erste Saisonsieg gegen die Eintracht aus Frankfurt erst einmal aus. Dank einer erheblichen Leistungssteigerung in der zweiten Halbzeit konnten dann endlich in Bremen die drei Punkte eingefahren werden.

Spieler von Eintracht Frankfurt nach einem Spiel 2006

Hatte man den Schalkern nach den zuletzt nicht gerade berauschenden Ergebnissen und aufgrund der vielen Verletzten für den Auftritt an der Stamford Bridge in London kaum Chancen eingeräumt und eigentlich nur die Hoffnung gepflegt, nicht völlig unter die Räder zu geraten, so kam es erstaunlicherweise ganz anders.

Trotz einer Notelf, in der Roman Neustädter sogar erstmals in der Bundesliga als Innenverteidiger auflaufen musste, steckte die Mannschaft von Jens Keller einen frühen Rückstand weg und fand über den Kampf zurück ins Spiel.

So war am Ende die Punkteteilung das gerechte Ergebnis einer von den Schalkern sehr engagiert geführten Partie, in der der FC Chelsea nicht einmal eine optische Überlegenheit herstellen konnte und beide Teams überraschend auf Augenhöhe agierten.

Natürlich nährte eine solches Auftreten die Hoffnung, dass es nun vorbei sein könne mit der Krise des S04. Wer bei einer europäischen Spitzenmannschaft bestehe, müsse doch jetzt auch in der Bundesliga den richtigen Weg finden und gegen Eintracht Frankfurt den dringend notwendigen ersten Dreier der Saison einfahren.

Doch der Optimismus, wenn er denn überhaupt vorhanden war, verflog sehr schnell. Fast dreißig Minuten waren die Blauen nicht imstande, auch nur einen einzigen Abschluss auf das Frankfurter Tor zu produzieren. Die Hessen dagegen führten zu diesem Zeitpunkt bereits mit 0:2 und so mancher Fan rieb sich verwundert die Augen ob des pomadigen und irgendwie seelenlosen Auftreten seiner Mannschaft.

Erst ein umstrittener Handelfmeter durch Eric-Maxim Choupo-Moting weckte die Lebensgeister der Blau-Weißen. Nach dem Pausentee hatte die Truppe von Jens Keller ihre beste Phase und kam durch Geburtstagskind Julian Draxler auch zum verdienten Ausgleich.

Was dann aber geschah, lieferte eine Menge Gesprächsstoff: Kevin-Prince Boateng, bereits mit Gelb verwarnt, brachte in einem Laufduell den Japaner Hasebe zu Fall, und dem ansonsten eher überfordert wirkenden Schiri Markus Schmidt blieb nichts anderes übrig, als erneut in die Tasche zu greifen und Boateng mit Gelb-Rot vom Platz zu schicken.

An dieser Entscheidung gab es eigentlich nichts zu mäkeln, der „Prinz“ hätte im Bewußtsein der frühen gelben Karte einfach weg bleiben und nicht in den Zweikampf gehen müssen. Kritisieren muss man allerdings die erste Verwarnung, bei der ich kein Foul des Ghanaers erkenne konnte, es schien mir eher eine Konzessionsentscheidung zu sein, nachdem Boateng zu Beginn des Spiels einige Male heftig zugelangt hatte.

Doch trotz der numerischen Unterlegenheit hatte man den Eindruck, dass die Schalker möglicherweise die Begegnung in der noch verbliebenen Zeit noch hätten drehen können, wenn nicht ausgerechnet Julian Draxler durch einen Blackout (Nachtreten gegen Zambrano) zehn Minuten später ebenfalls vom Platz flog.

Von da an ging es eigentlich nur noch um die Sicherung des Unentschieden, mit zwei Mann weniger blieben keine Möglichkeiten mehr, eventuell selbst noch einen erfolgreichen Abschluss zu suchen.

Am Schluss blieben alle Beteiligten mit einem schalen Gefühl zurück: Die Frankfurter, weil man aus einer 2:0-Führung auswärts keinen Sieg machen konnte. Der Schiedsrichter, weil er mit vielen Fehlentscheidungen das Spiel entscheidend mitgeprägt hatte.
Und letztlich die Schalker, die in der ersten Halbzeit wieder einmal eine erschreckende Passivität gegen einen tief stehenden Gegner offenbarten, in der Abwehr schwach waren und trotzdem den Willen zeigten, dieses Spiel nicht verloren geben zu wollen.

Die beiden Platzverweise aber machten jegliche Versuche, am Ende noch mit einem blauen Auge davonzukommen und trotzdem drei Punkte mitnehmen zu können, vollends zunichte. So haben Draxler und Boateng ihrer Mannschaft wahrlich einen Bärendienst erwiesen: Nicht nur, dass sie ihr die durchaus noch vorhandene Siegchance raubten, durch ihre Sperren werden sie das ohnehin gebeutelte Team noch weiter schwächen. Zumal Julian Draxler auch für das Derby nicht zur Verfügung stehen wird.

So gab es vor dem Spiel in Bremen ein kollektives Aufatmen, als sich Atsuto Uchida nach acht Monaten Verletzungspause endlich wieder fit meldete und die angespannte Personalsituation etwas entspannte. Marco Höger konnte dadurch von der rechten Außenbahn ins defensive Mittelfeld rücken und so Kevin-Prince Boateng ersetzen.

Trotzdem benötigten die Knappen wieder einmal die komplette erste Halbzeit, um ins Spiel zu „finden“. Sie konnten sich ebenso wieder einmal bei ihrem glänzend aufgelegten Keeper Ralf Fährmann bedanken, der sie mit einer Glanztat gegen den völlig freistehenden Elia vor einem Rückstand bewahrte.

Dann waren es (ebenso) wieder einmal die individuellen Fähigkeiten, dank denen Max Meyer und Roman Neustädter mit einem Doppelschlag für die dringend ersehnte Erlösung sorgten, als die Bremer gedanklich noch in der Kabine weilten.

Im siebten Spiel der erste Saisonsieg: keine Ahnung, wann der S04 das letzte Mal so schlecht in eine Spielzeit gestartet ist. Für den Moment aber beruhigt dieser Erfolg die hitzigen Debatten rund um das Berger Feld etwas, Trainer Jens Keller sitzt wieder ein wenig fester im Sattel. Fragt sich nur für wie lange.

Die Leistungssteigerung der Mannschaft kam denn auch zur richtigen Zeit, um die Trainerdiskussion vor dem wichtigen Derby gegen den BVB am Samstag erst einmal einzudämmen. Nicht auszudenken, was in Gelsenkirchen los gewesen wäre, wenn die Blauen erfolglos von der Weser zurückgekehrt wären.

So aber konnten sich manche Spieler das nötige Selbstvertrauen vor der Begegnung mit dem Lokalrivalen holen. Max Meyer, zuletzt in seine Aktionen eher unglücklich, brach mit einem sehenswerten Treffer den Bann, Torjäger Klaas-Jan Huntelaar, obwohl selbst ohne Torerfolg, bereitete zwei der drei Schalker Buden vor und zeigte sich sehr mannschaftsdienlich.

Der Japaner Uchida zeigte auf der rechten Seite trotz langer Pause was einen echten Außenverteidiger ausmacht, weder Höger noch Clemens konnten ihn vorher gleichwertig ersetzen.

Was gab es noch?
Ach ja, auch Joel Matip stand nach seiner Verletzung endlich wieder auf dem Platz, damit dürften die Probleme in der Abwehr demnächst erheblich geringer werden. Wobei man allerdings auch erwähnen muss, dass Roman Neustädter seine Sache als Aushilfsinnenverteidiger durchaus gut machte, möglicherweise sollte man da über eine Umschulung nachdenken?

Bemerkenswert war meiner Ansicht nach auch der Kurzauftritt von Tranquillo Barnetta, der in den wenigen Minuten nach seiner Einwechselung einige gelungene Aktionen hatte und den sehenswerten dritten Treffer erzielte. Vielleicht platzt ja auch bei dem Schweizer endlich der Knoten und er entwickelt sich doch noch zu einer echten Alternative.

Pikant dürfte dagegen inzwischen die Entwicklung bei der Personalie Kevin-Prince Boateng sein: nach dem 1:1 gegen Bayern München war der Sieg in Bremen bereits das zweite Spiel, das ohne den „Prinzen“ erfolgreich für Schalke verlief. Man darf gespannt sein, welche Lösung sich Keller da für das Derby einfallen lässt. Dennis Aogo dürfte nach den letzten Leistungen im defensiven Mittelfeld gesetzt sein, während Neustädter und Höger sich mit Boateng um den zweiten Platz streiten dürften.

Und gerade Marco Höger zeigte sich vor allem gegen den BVB zuletzt immer besonders motiviert, spielstark und torgefährlich. Eigentlich ein Pfund, mit dem man gegen Dortmund an sich besonders gut wuchern könnte.

Apropos Derby: nach den letzten Ergebnissen des BVB dürfte das eine recht offene Veranstaltung werden. Gestern ein mühseliges 2:2 gegen Stuttgart, davor eine ernüchternde 0:2-Niederlage in Mainz, Erfolge sehen irgendwie anders aus. Doch Vorsicht, vor knapp einer Woche hatte sich die Klopp-Truppe noch in der Champions-League in sehenswerter Manier gegen Arsenal durchsetzen können.

Und obwohl auch die Dortmunder momentan erheblich vom Verletzungspech gebeutelt sind, kann man davon ausgehen, dass sie die Punkte nicht ohne Gegenwehr in der Arena liegen lassen wollen. Für Spannung wäre also gesorgt.