Aus aktuellem Anlass erneut: Sparen und Investieren

In dem Artikel über den deutschen Ökonomen Wilhelm Lautenbach hatte ich ja bereits vor Jahren ausgeführt, dass dieser „deutsche Keynes“ unter anderem auch die Vorstellung „Nur Gespartes könne investiert werden“ als fehlerhaftes Dogma der klassischen Volkswirtschaftslehre entschlüsselt hatte.

Infografik: Europas Unternehmen investieren seit der Krise weniger | Statista
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Wie aber funktioniert dann dieser zentrale Zusammenhang wirklich? Wie kann es sein, dass z. B. die Sparanstrengungen der EU-Staaten nicht zu neuen Investitionen führten, sondern tatsächlich das Wachstum verringerten, wie in obiger Grafik nachgewiesen?

Da bei dieser Thematik offenbar immer noch viel Aufklärungsbedarf besteht, gerade auch im Hinblick auf die plötzlich aufgetauchten 100 Milliarden Euro für die Aufrüstung der Bundeswehr und der Frage, wo denn dieses Geld plötzlich herkommen soll, hier noch einmal ein Versuch der Erklärung des tatsächlichen Zusammenhangs von Sparen und Investieren.

Absprache in der Tauschwirtschaft – anonyme Geldwirtschaft
Da wird allerorten von den Politikern unter Beratung ihrer Ökonomen immer wieder gepredigt, dass an allen Übeln der großen Finanz- und Wirtschaftskrise und damit natürlich auch der Eurokrise vor allem das Schuldenmachen „schuld“ sei.

Wer nicht fleißig spare und sich tugendhaft möglichst jedweder Verschuldung verweigere, der habe bald auch nichts mehr zu investieren, so wird immer wieder fleißig angemahnt.

Was aber bedeutet Sparen eigentlich, und was ist der Unterschied zwischen einzel-wirtschaftlichem und gesamtwirtschaftlichem Sparen?

In einer primitiven überschaubaren Tauschwirtschaft (dies ist übrigens die klassische Art, wie seit Adam Smith den Menschen volkswirtschaftliche Zusammenhänge erklärt werden) müsste tatsächlich jeder, der seine eigene Produktivität erhöhen will, erst auf Konsum verzichten und etwas ansparen, um dann mit diesen Mitteln seine Investition durchführen zu können.

Dabei ist es allerdings unerlässlich, dass er seine Tauschpartner über diesen Sparplan unterrichtet, damit sich diese auf den sinkenden Konsum des Sparers einstellen können in der Hoffnung auf einen erhöhten „Ausschuss“ seiner später (hoffentlich) erfolgreichen Investition.

Dieses schöne Beispiel mag auf Anhieb überzeugend klingen und die Neoklassiker in ihrem Dogma bestätigen, hat allerdings (mindestens) einen entscheidenden Haken:

In der Realität haben wir es nicht mit einer Tauschwirtschaft sondern mit einer anonymen arbeitsteiligen Geld- und Marktwirtschaft zu tun.

In einem solchen System aber existieren keine individuellen Absprachen zwischen Sparer und Investor, es gibt nur Signale durch das Nachfrage- und Konsumverhalten der einzelnen Akteure, die auf unpersönlichen Märkten mit Giral- oder Papiergeld agieren.

Daher ist genau dieses aktuelle Nachfrageverhalten der Konsumenten für die Produzenten der einzige wirkliche Faktor zur Ermittlung ihres zukünftigen Verhaltens. Sinkt aber der jetzige Konsum durch das Sparverhalten, so wird daraus gesamtwirtschaftlich eben gerade kein Spar- und Investitionserfolg. Stattdessen führen die Sparbemühungen makroökonomisch zu einem allgemeinen Einkommensrückgang.

In der Folge reagieren die Unternehmen auf den durch die Einkommenssenkung unverkäuflichen Teil ihrer Produktion und schränken ihre Fertigung ein. Dieser Rückgang der Kapazitätsauslastung führt zu Arbeitslosigkeit und damit zu weiterer Schwächung der Nachfrage.

Somit setzt praktisch jeder Sparversuch eine Kettenreaktion mit sinkenden Einkommen, Nachfragerückgang und schwächelnder Investitionsbereitschaft in Gang.

Auswirkungen des Sparens von Geld
Wenn man dann die Auswirkungen des Sparverhaltens in einer Geldwirtschaft betrachtet, so ändert sich prinzipiell erst mal nichts. Ein Teil des Einkommens wird nicht wieder ausgegeben, sondern in Form von Guthaben auf einem Konto oder in Wertpapieren angelegt.

Um aber mit diesen Ersparnissen Erträge in Form von Zinsen zu erzielen, müssen sie von den Banken als Kredite an andere Wirtschaftsteilnehmer ausgegeben werden, d. h. diese müssen sich in dieser Höhe verschulden. Dabei ist es zudem erforderlich, dass mit diesen Schulden realwirtschaftliche Investitionen und ebensolche Gewinne erwirtschaftet werden, um am Ende die Zinsen zurückzahlen zu können.

Findet diese Verschuldung nicht statt, fehlt auf den Gütermärkten der Konsum in genau der Höhe der angesparten Einkommen.

Die Auswirkungen des Geld-Sparens ohne erfolgreiche Investitionen und Verschuldung sind wieder eine sinkende Nachfrage und entsprechende Kapazitätsverringerungen der Unternehmen, die bereits oben angeführte Kettenreaktion wird wieder in Gang gesetzt.

Zudem verringern sich damit auch die Einkommen der Unternehmer, denen damit weniger Gewinn und letztlich auch weniger Mittel für Investitionen zur Verfügung stehen, diesen Zusammenhang hatte ja bereits Wilhelm Lautenbach in den 30er Jahren nachgewiesen.

Sparen und Investieren in der Gesamtwirtschaft
Nach der volkswirtschaftlichen Saldenmechanik bleiben dabei die Ersparnisse der Volkswirtschaft exakt gleich, ein Sparerfolg wird trotz des Versuchs nicht erreicht.

Der Grund dafür ist, dass Geldschulden und Geldvermögen immer exakt gleich sind, weil die Ersparnisse des einen die Schulden des anderen sind. Da insgesamt nur das verbraucht werden kann, was produziert worden ist, gilt deshalb stets, dass die Summe aller Guthaben und Schulden Null ist.

Diese Regel ist übrigens auch für die Finanzierungssalden der einzelnen Sektoren einer Volkswirtschaft, also private Haushalte, Unternehmen, Staat und Ausland gültig. Je mehr also bei den einen gespart wird, desto mehr müssen sich andere Sektoren verschulden.

Die obige Grafik zeigt die Veränderungen bei den Investitionen der Unternehmer weg von Real- zu Finanzkapital und Wertpapieren. Die Auswirkungen dieser „Sparversuche“ sind seit Jahren gravierend und zeigen sich in stagnierendem Konsum und extrem steigender Staatsverschuldung. Ebenso musste sich das Ausland in immer größerem Ausmaß bei uns verschulden.

Alle diese Zusammenhänge machen eins klar:

Ohne Schulden geht es nicht!

Damit der eine erfolgreich investieren kann, muss sich ein anderer verschulden.

Wenn alle gleichzeitig sparen (müssen), kann es keinen wirtschaftlichen Aufschwung geben.