Aktualisiert: Wie die Welteliten uns verraten werden – Lehren aus der römischen Geschichte

Je mehr man sich mit der Geschichte des Römischen Reiches beschäftigt, desto mehr kann man die Gemeinsamkeiten mit unserer heutigen Welt erkennen.

John William Waterhouse - The Favorites of the Emperor Honorius - 1883
Kaiser Honorius erfährt vom Fall Roms

Natürlich wiederholt sich die Geschichte nicht immer, aber es ist beeindruckend zu bemerken, dass die römischen Eliten mit Beginn des Zerfalls des westlichen Reiches das Volk verlassen haben um sich an sicheren Orten Festungen zu bauen.

Etwas Ähnliches könnte sich in unserer Zeit abzeichnen und unsere Eliten könnten beschließen sichere Zufluchtsorte zu suchen während sie uns ertrinken, verhungern oder verbrennen lassen.

Rutilius Namatianus ist heute bekannt für sein „De Reditu Suo“ (Über seine Rückkehr). Es ist ein langes Gedicht, in dem er von seiner Reise entlang der italienischen Küste um 416 n. Chr. während der letzten Jahrzehnte des Weströmischen Reiches erzählt. Wir lesen darin einen erschreckenden Bericht über den anhaltenden Zusammenbruch: verlassene Städte, Ödland, zerstörte Straßen und mehr.

Aber wer war Rutilius Namatianus und was tat er? Ein Patrizier, ein mächtiger Mann, ein reicher Mann, aber auch ein Lügner und ein Verräter. Er rannte aus Rom weg und nahm wahrscheinlich Gold, Sklaven und Truppen mit, um sich eine Feste in Südfrankreich aufzubauen, wo er einige Besitztümer hatte.

Dabei überließ er das Volk von Rom sich selbst. Das Volk, das er als praefectus urbi verteidigen musste, als der Präfekt von Rom, der Delegierte des Kaisers selbst.

Namatianus tat nichts Schlimmeres als andere reiche und mächtige Römer. Kaiser Honorius selbst war ebenfalls aus Rom geflohen und hatte sich in Ravenna niedergelassen, geschützt von den Sümpfen rund um die Stadt und mit Schiffen, die bereit waren ihn in Byzanz in Sicherheit zu bringen falls es wirklich schlimm werden sollte.

Als Rom im Jahr 410 n. Chr. von den Westgoten belagert und eingenommen wurde, tat Honorius nichts und kümmerte sich lieber um seine Hühner (eine Legende, die aber sicherlich Elemente der Wahrheit enthält).

Wenn Sie die Chroniken des frühen 5. Jahrhunderts nach Christus lesen, erhalten Sie den Eindruck eines totalen Chaos, mit barbarischen Armeen, die durch Europa ziehen, und wenigen (wenn überhaupt) römischen Adligen und Kommandeuren, die versuchen das Imperium zu verteidigen. Die meisten von ihnen schienen zu manövrieren, um Orte zu finden an denen sie Sicherheit für sich selbst suchten.

Wir wissen nicht, was das endgültige Schicksal von Rutilius Namatianus war, aber da er die Zeit hatte sein Gedicht zu Ende zu bringen können wir uns vorstellen, dass er sich in Südfrankreich eine Festung bauen ließ und seine Nachkommen Feudalherren geworden sein könnten.

Aber nicht jeder hat es geschafft. Zum Beispiel versuchte Paulinus von Pella, ein anderer reicher Römer und Zeitgenosse des Namatianus verzweifelt seinen Besitz in Europa zu behalten, und betrachtete sich schließlich als glücklich, dass er bis ins hohe Alter überleben konnte.

Wir sehen hier ein Muster: Als die reichen Römer sahen, dass die Dinge wirklich außer Kontrolle gerieten versuchten sie sich selbst zu retten, und bestritten gleichzeitig, dass die Dinge so schlimm waren wie sie aussahen. Wir können das deutlich in Namatianus‘ Gedicht lesen: Er deutete nie an, dass Rom zum Scheitern verurteilt war. Höchstens, so schrieb er, war es ein vorübergehender Rückschlag und bald werde Rom wieder großartig sein.

Natürlich muss sich die Geschichte nicht wiederholen obwohl wir wissen, dass sie sich oft reimt. Aber die Ähnlichkeiten der letzten Jahrzehnte des Weströmischen Reiches mit unserer Zeit beginnen besorgniserregend zu werden.

Die meisten unserer Eliten rennen noch nicht davon, aber einige scheinen darüber nachzudenken (siehe diesen Artikel von Kurt Cobb). Und einige beginnen raffinierte Luxusbunker zu bauen, in denen sie Zuflucht suchen könnten.

Es wäre durchaus möglich, dass die dystopische Bedrohung eines möglichen Atomkrieges als Folge des russisch-ukrainischen Konflikts eine solche Entwicklung noch einmal beschleunigen könnte.

Am eindrucksvollsten ist dabei die veränderte Einstellung: Solange Probleme wie der Klimawandel nur kosmetische Veränderungen erforderten, wurden sie offen diskutiert und die Regierungen verpflichtet, etwas zu tun um sie zu lösen. Jetzt, da die Probleme als unlösbar angesehen werden, werden sie ignoriert.

Die Veränderung ist besonders beeindruckend für jene Regionen, in denen die Klimabedrohung zeitlich näher rückt. Die Eliten der Malediven und der Kiribati-Inseln haben reagiert, indem sie die Gefahr geleugnet haben, während sie gleichzeitig das was sie besitzen verkauft haben und sich bereit gemacht haben in höher gelegene Gebiete zu ziehen.

Wir müssen hier vorsichtig sein: Es gibt heute keine Verschwörung (wie es auch zu Zeiten der Römer nicht der Fall war) von Menschen, die sich in einem geheimen Raum versammeln, um über das Schicksal der Menschheit zu entscheiden. Vielmehr besteht eine Konvergenz der Interessen.

Menschen, die wohlhabend genug sind um sich einen Überlebensbunker zu kaufen könnten sich dazu entschließen, und an diesem Punkt ist es in ihrem besten Interesse, die Bedrohungen herunterzuspielen und ihre Fluchtstrategie so geheim wie möglich zu halten.

Es ist eine ganz andere Einstellung als die der Mittelschicht. Wir (ich gehe davon aus, dass die meisten Leser dieses Blogs Mittelschichtler sind) verfügen nicht über die nötige finanzielle Schlagkraft, um als Feudalherren in den Ruinen einer zusammengebrochenen Zivilisation eine Zukunft zu planen.

Aus diesem Grund führen einige von uns katastrophistische Blogs wie zum Beispiel der von Ugo Bardi. Blogs können uns kaum vor dem Zusammenbruch retten, aber zumindest sind sie ein effizientes Kommunikationsmittel, und vielleicht ist es das was wir brauchen um für die Zukunft zu planen.

Zurück zur römischen Geschichte: Was geschah mit den Römern, die nicht davonlaufen und ihre Schlösser erreichen konnten? Wir wissen, dass nicht alle überlebt haben, aber einige haben es doch geschafft. Während die Institutionen und der Staat zusammenbrachen, entstanden belastbare Gemeinschaften, oft in Form von Klöstern oder weltlichen Gemeinschaften die um „Aufseher“ (Bischöfe) herum gegründet wurden.

Können wir uns so etwas für unsere Zukunft vorstellen? Ja, es ist eine Idee, die sich in verschiedenen Formen entwickelt, zum Beispiel in Übergangsstädten. Bisher ist es nur eine embryonale Idee, aber sie kann zusammen mit neuen Ideen darüber, wie Menschen mit dem Ökosystem in Beziehung treten können zu etwas Wichtigem werden.

Schließlich haben die Römer eine neue Religion entwickelt, um mit dem Zusammenbruch ihrer Gesellschaft fertig zu werden. Und wie gesagt, die Geschichte wiederholt sich nie genau, aber sie reimt sich zumindest.

Einige weitere Details über die Erfahrung des alten Roms mit dem Zusammenbruch: Was war der Ursprung des Zusammenbruchs im 5. Jahrhundert? Wir müssen zum „Peak Empire“ zurückkehren, als die Römer an die Grenzen ihrer Expansion stießen.

Es war im Jahr 9 n. Chr. als drei römische Legionen von den Germanen in den Wäldern von Teutoburg niedergemetzelt wurden. Ihr Kommandeur, Publius Quinctilius Varus, beging Selbstmord.

Wie konnte es sein, dass die Römer, keine Dummköpfe in militärischen Angelegenheiten, drei ihrer Legionen munter in einen dichten Wald marschierten, wo eine große Anzahl deutscher Krieger darauf wartete, sie in Stücke zu schneiden? Die einzig mögliche Erklärung ist, dass Varus verraten wurde: Jemand wollte seinen Kopf rollen sehen, und das passierte auch.

Es ist bemerkenswert, wie schnell und effektiv der damalige Kaiser Octavianus (Augustus) die Niederlage zu seinem persönlichen politischen Vorteil ausnutzte.

Er verbreitete das Gerücht, er sei so traurig über diese Nachricht, dass er nachts in seinem Palast spazieren gehen und murmeln würde, vielleicht in der Hoffnung von den Göttern gehört zu werden: „Varus, Varus, gib mir meine Legionen zurück!“ Wenn es jemals ein virales Mem gab, dann war es eines, das mehr als 2.000 Jahre später noch aktuell war!

Vielleicht war Octavianus tatsächlich Varus in den Rücken gefallen, oder vielleicht hat er einfach dessen Inkompetenz als Militärkommandeur ausgenutzt. Die Katastrophe von Teutoburg hatte jedenfalls die gleichen Auswirkungen wie unsere Anschläge vom 11. September auf die römische Gesellschaft. Sie erschreckte die Römer zutiefst. Das besiegelte die Rolle des Kaisers als Beschützer des Volkes.

Letztendlich ist Politik meistens ein Schwindel: Menschen zahlen dafür „geschützt“ zu werden. Gegen wen? Wenn es keinen einsatzbereiten Feind gibt muss er in der Regel absichtlich hergestellt werden. Für die alten Römer war die barbarische Bedrohung (wir würden sie heute als „Immigranten“ bezeichnen) eine angemessene Ausrede, obwohl sie auch stark übertrieben war. Die Probleme des Imperiums waren größtenteils intern und hätten tiefgreifende Reformen erforderlich gemacht.

Stattdessen lehnten die Kaiser – und die Römer selbst – dies ab und konzentrierten sich nur auf militärische Maßnahmen. Es war ein gutes Geschäft Truppen zu halten und Verteidigungsmauern zu errichten. Auch hier sind die Ähnlichkeiten mit unserer Zeit offensichtlich.

In der Römerzeit bewegten sich die Dinge nur langsam und die Strategie, alle Anstrengungen auf das Militärsystem zu konzentrieren, schien sich zumindest für ein paar Jahrhunderte zu lohnen. Wenn Sie die Erinnerungen von Kaiser Marcus Aurelius lesen, bekommen Sie den Eindruck einer Person, die wirklich glaubte, dass es seine Pflicht war das Imperium zu verteidigen.

Er konnte nicht verstehen, dass die übermäßigen Militärausgaben das Imperium ruinierten; die meisten Reiche in der Geschichte haben sich genau auf diese Weise selbst zerstört. Ähnlichkeiten mit unserer Zeit? Nun ja…

Die Dinge begannen schlecht zu laufen, nachdem Marcus Aurelius und das Imperium im 3. Jahrhundert n. Chr. fast zusammengebrochen waren. Es gelang zwar, sich wieder zusammenzuraufen, doch eher in einer Form, die mehr an einen Zombie als an das glorreiche Imperium der frühen Zeiten erinnerte.

Aber so richtig übel wurde es dann mit dem Ende des 4. Jahrhunderts, als die römischen Eliten begannen um ihr Leben zu rennen. Viele von ihnen haben es geschafft, während die Armen im Elend zurückblieben – oder noch nicht einmal das. Zwischen 400 und 800 n.Chr. sank die Bevölkerung Roms um über 90%, hauptsächlich wegen Hungersnöten und den damit verbundenen Seuchen.

(Eigene Übersetzung eines Blogbeitrages des italienischen Chemie-Professors Ugo Bardi)