Vuelta – Tony Martin erst kurz vor dem Ziel gestellt

Die für deutsche Radsport-Fans seit dem Beginn am 24. August doch eher dahinplätschernde Spanien-Rundfahrt erlebte gestern einen ersten echten Höhepunkt.

Zeitfahrweltmeister Tony Martin

Der deutsche Radprofi Tony Martin, ein bekannt guter Zeitfahrer, hatte auf der 6. Etappe der Vuelta d‘ Espana bereits nach wenigen Kilometern eine lange Soloflucht gestartet, die er bis wenige Meter vor dem Ziel durchstand (-> radsportnews.com: Martins Gala endet 25 Meter vor dem Ziel).

Über 173 einsame Kilometer lang hielt der Thüringer das Peloton auf Distanz, sein größter Vorsprung betrug zwischenzeitlich 7:30 Minuten.

Nun ist so eine lange Alleinfahrt an sich nichts Ungewöhnliches, ganz im Gegenteil kommt so etwas auf sogenannten Überführungsetappen bei den großen Rundfahrten, wenn sich die Anwärter auf das Gesamtklassement Erholungspausen von ihren Duellen in den Bergen und bei den Zeitfahren gönnen, öfter mal vor.

In der Regel sind es aber dann die Helfer der Sprinter-Teams, die den oder die Ausreißer rechtzeitig vor dem Zielstrich einfangen, um mit der Vorbreitung auf das Etappenfinale beginnen zu können.

Tony Martin hält das Feld auf Distanz

Auch gestern schien alles auf den üblichen Ablauf einer Sprintetappe hinzudeuten: 20 km vor dem Ende war Martins Vorsprung auf 45 Sekunden zusammengeschrumpft, ca. 10 km später sank er sogar zeitweilig unter 10 Sekunden.

Was dann allerdings folgte, verschlug nicht nur den Eurosport-Moderatoren Karsten Migels und Jean-Claude Leclercq zeitweilig die Sprache.
Der Zeitfahrweltmeister weigerte sich schlicht, die eigentlich schon besiegelte Niederlage zu akzeptieren.

Er drehte noch mal so richtig auf, konnte zwischenzeitlich seinen Vorsprung wieder bis auf 15 Sekunden ausbauen und lieferte ein beeindruckendes Schauspiel seiner momentanen Ausnahmestellung.

Tony Martin

Sicherlich profitierte er auch von der zwischenzeitlich offensichtlichen Uneinigkeit unter den Sprinter-Teams, die immer wieder mal das Tempo rausnahmen. Auch sein eigenes Team, die belgische Equipe Omega Pharma-Quick Step, tat alles, um die Aufholjagd so gut wie möglich zu behindern.

Trotzdem war es vor allem Tony Martins eigenes Können, dass ihn immer wieder zu dem heranrasenden Feld auf Abstand gehen ließ.

Selbst als eine kleine Welle 5 Kilometer vor dem Ziel ihm offenbar auch noch die letzte Kraft aus den Beinen zu saugen schien, gab er nicht auf.
Er vergrößerte unbegreiflicherweise noch einmal seinen Vorsprung und hielt das Peloton weiterhin auf Distanz.

Erst einige Meter vor dem Zielstrich gelang es dem von seinem großen Zeitfahr-Konkurrenten Fabian Cancellara angeführten Feld, ihn endlich zu stellen.
In einem spannenden Sekunden-Finale konnte der Däne Michael Morkov Tony Martin den Etappen-Sieg doch noch wegschnappen.

Tony Martin unerliegt erst kurz vor dem Ziel

Chapeau Tony Martin, Hut ab und vielen Dank für ein echtes Highlight des Radsports, welches die bis dahin doch nur mäßig interessante Spanien-Rundfahrt eindeutig aufwertet.
Das war an Spannung kaum zu überbieten und natürlich ist es sehr schade, dass seine außergewöhnliche Leistung nicht mit dem Etappensieg belohnt wurde.

Für die Weltmeisterschaft am 25. September in Florenz, bei der Martin seinen Zeitfahrtitel verteidigen möchte, aber war es eine mehr als gelungene Generalprobe.

Ach ja, nur der Vollständigkeit halber: Gesamtführender der Vuelta ist weiterhin der Italiener Vincenzo Nibali, der bereits im Frühjahr die Italien-Rundfahrt gewinnen konnte.