Bevor es für immer aus unserer Wahrnehmung verschwindet – was die schnelle Zunahme der Smartphone-Kommerzialisierung im nächsten Jahrzehnt vermuten lässt – sollten wir genau prüfen, sowie eine Bestandsaufnahme machen und vollständig versuchen zu verstehen, was dieses Stück Papier ist, welches wir einen US-Dollar nennen.
Fünf-Dollar-Note von 2003
Oder eben diesen Fünf-Dollar-Schein, den ich zur Vorbereitung auf diesen Beitrag aus meiner Brieftasche gezogen habe. Es spielt dabei allerdings keine Rolle, welchen Schein wir wählen: Sie haben alle die gleichen grundlegenden Informationen, die unauslöschlich auf ihr dauerhaft gefertigtes Baumwoll-Leinen-Gewebe gedruckt sind.
Der springende Punkt ist: Wenn wir dieses bestimmte Stück „Papier“ nicht mehr aus unserer Tasche ziehen und untersuchen können, haben wir unsere Chance verloren zu verstehen, was ein US-Dollar tatsächlich ist – und damit auch die Möglichkeit und Hoffnung, letztendlich eine erfolgreiche, fortschrittliche und demokratische Ökonomie zu schaffen.
Also, solange es sich noch in unseren Taschen bequem macht, nehmen wir es heraus und denke darüber nach, was wir da wirklich sehen – und was das für unsere moderne Gesellschaft bedeutet. Mein Fünf-Dollar-Schein hat im Fokus ein kunstvolles Porträt von Abraham Lincoln. Dies hat eine zentrale (wenn auch eher unterschwellige) Bedeutung: Er ist ein berühmter US-Präsident, der die Idee unserer kollektiven Demokratie vertritt: d. h. wir wählen eine Regierung und geben dieser gewählten Regierung die Macht, uns zu „regieren“ (bis wir beschließen, eine neue Administration zu bestimmen, die uns auf neue Weise „anführen“ soll).
Doch wen auch immer wir wählen, die ganze Idee der Wahl ist, dass wir diesen Persönlichkeiten freiwillig die Macht geben, uns zu „regieren“, was hauptsächlich zwei Dinge bedeutet: Sie können Gesetze schaffen, denen wir folgen müssen, und sie können Bußgelder, Gebühren und Steuern verhängen, zu deren Zahlung wir gezwungen werden können. Wie ich schon sagte, das ist alles eher unterschwellig, aber trotzdem wichtig.
Neben Lincolns linkem Ohr ist ein nationales Wasserzeichensymbol (ein Weißkopf-seeadler) mit der kühnen Inschrift „Die Vereinigten Staaten von Amerika“ aufgedruckt. Zusammengefasst bedeutet dies, dass dieses Stück Papier eine offizielle Botschaft unserer demokratisch gewählten souveränen Regierung darstellt. Was genau aber ist die Botschaft?
Zunächst könnten wir allerdings auch fragen: Ist eine solche Nachricht überhaupt notwendig? Warum konnten wir nicht einfach ein Stück Papier mit einer kunstvollen Grafik darauf haben, die es unmöglich macht, die „Fünf“ darauf zu fälschen? (Leute, die behaupten, dass Geld nur eine „Rechnungseinheit“ für wirtschaftliche Transaktionen ist, könnten ein solches Stück Papier bevorzugen!) Aber solch ein Stück Papier würde nicht funktionieren, weil es nicht aussagen würde, was für dieses Stück Papier notwendig wäre, um tatsächlich zu „Geld“ zu werden. Es wäre immer noch nur ein Stück Papier mit einer „Fünf“ darauf, während mein Fünf-Dollar-Schein durch die zusätzlichen Erklärungen, die offenbar notwendig sind, etwas anderes darstellt.
Was aber bedeuten diese zusätzlichen Verlautbarungen? Erstens wird dieses Papier nicht nur von einem, sondern gleich von zwei Beamten der souveränen US-Regierung unterzeichnet: Dem Treasurer of the United States und dem US-Finanzminister. Nochmal, warum überhaupt die Notwendigkeit für diese Signaturen? Warum nicht nur ein Stück Papier mit einer „Fünf“ darauf? Die Antwort ist die, dass dieses Papier tatsächlich einen Vertrag darstellt, der vom Finanzminister unterzeichnet und, wenn Sie so wollen, vom Treasurer der Vereinigten Staaten „notariell beglaubigt“ wurde.
Was aber beinhaltet der Vertrag? Wie bei den meisten Verträgen beinhaltet auch dieser ein Versprechen des Unterzeichners, etwas zu tun. Der Grund für den schriftlichen und unterschriebenen Vertrag ist der Schutz vor Vertragsbruch, falls der Unterzeichner das Versprechen nicht erfüllt. Das Versprechen wird im Vertrag ausdrücklich beschrieben, und wenn es nicht eingehalten wird, hat der Eigentümer des Vertrags – die Person, an die die Zusage gemacht wurde – den gerichtlichen Rechtsweg, um den Unterzeichner zu zwingen, das Versprechen einzuhalten oder den Besitzer anderweitig entschädigen.
Diese Art von schriftlichen Verträgen werden daher allgemein auch als „Schuldscheine“ bezeichnet. Und wir haben Beweise dafür, dass unser Fünf-Dollar-Schein in der Tat einen „Schuldschein“ darstellt, man muss sich nur den aufgedruckten Titel anschauen: Er nennt sich selbst „Federal Reserve Note.“ Es ist nämlich ein Versprechen der souveränen US-Regierung (vertreten durch ihre Zentralbank, die Federal Reserve), etwas zu tun – bewilligt durch die Unterschriften des US-Treasurers und des Finanzministers, die von der demokratisch gewählten Regierung ernannt wurden. Deshalb wird häufig der Begriff „Fiat“ verwendet: Meine Fünf-Dollar-Notenbanknote ist die offizielle „Erklärung“ eines Versprechens.
Was aber verspricht sie denn nun überhaupt zu tun? Dies wird ausdrücklich links vom Portrait des Herrn Lincoln unter dem offiziellen Siegel des Federal Reserve Systems der Vereinigten Staaten dargelegt. Die versprochene Zusage lautet wie folgt: „DIESE NOTE IST EIN GESETZLICHES ZAHLUNGSMITTEL FÜR ALLE ÖFFENTLICHEN UND PRIVATEN SCHULDEN.“ Mit anderen Worten, mein 5-Dollar-Schuldschein kann als Bezahlung für eine Schuld „angeboten“ werden.
Nun, wenn ich Ihnen etwas schulde, was Sie mit fünf Dollar bewerten, können Sie sich entscheiden, meinen Fünf-Dollar-Schein nicht als Zahlung anzunehmen, da ja nicht Sie das Versprechen abgegeben haben. Es ist nicht ihre Unterschrift auf meinem Fünf-Dollar-Schein. Sie könnten stattdessen verlangen, dass ich diese Schuld an sie in bunten Murmeln bezahle. Das ist ihr gutes Recht (obwohl sie wahrscheinlich doch eher den Fünfer akzeptieren würden).
Die US-Regierung verfügt jedoch rechtlich nicht über diese Option, da sie den Fünf-Dollar-Schuldschein unterzeichnet hat. Sie hat versprochen, den Fünf-Dollar-Schein als Zahlung für eine Verbindlichkeit zu akzeptieren, die Sie der US-Regierung schulden. (Unausgesprochen, aber implizit in der Vereinbarung enthalten ist die Tatsache, dass das einzige, was die Regierung als Bezahlung akzeptieren wird, tatsächlich der Schuldschein ist, über den wir gerade sprechen.)
Doch welche Art von Forderungen könnten Sie der US-Regierung schulden? Nun, es gibt da eine ganze Menge an Gebühren und Bußgelder, die ihnen aus der Konsequenz auferlegt werden, weil sie „regiert“ werden, doch hauptsächlich handelt es sich bei den Verbindlichkeiten, die Sie der staatlichen Regierung ständig und wiederholt schulden um Steuern. Im Grunde genommen ist das Versprechen meiner Fünf-Dollar-Note (als Schuldschein), dass die US-Regierung sie für die Steuerzahlung akzeptieren wird. Das ist alles. Das ist der ganze Vertrag. Das ist das erklärte „Versprechen“.
Früher gab es noch eine andere Art von „Dollar“, die sich „Gold-Zertifikat“ nannten. Dieses Stück Papier machte ein ganz anderes Versprechen: Es versprach, den Umtausch des Zertifikats gegen eine bestimmte Menge Goldbarren zu akzeptieren. Wenn Sie ein Goldzertifikat der US-Regierung in die Hände bekommen können, wird die Regierung zweifellos diesen Vertrag noch immer einhalten. Aber die Federal Reserve „Fiat“ Banknoten, die wir heute verwenden – die wir tatsächlich seit über einem halben Jahrhundert ausschließlich nutzen -, geben ein solches Versprechen nicht, oder? Sie können überall auf Ihrem Fünf-Dollar-Schein suchen und Sie werden keinen Hinweis auf oder gar die Erwähnung von Gold oder Silber finden.
Das bedeutete nicht nur, dass die US-Regierung nicht mehr genügend Gold in ihren Tresoren behalten muss, um damit ihre Geldmenge abzusichern. Die Bedeutung liegt in einer tiefgreifenden konzeptionellen Veränderung (Shift) des Verständnisses darüber, was Geld eigentlich ist – und wie eine moderne, demokratische Gesellschaft dieses neue Verständnis nutzen kann, um öffentliche Bedürfnisse anzusprechen und kollektive Ziele zu verfolgen.
Betrachten wir zunächst diesen „Shift“ genauer. SCHRITT EINS: Die Regierung druckt kein „Geld“ – sie druckt Schuldscheine (mittels Fiat gemachte Versprechen). Wir, die Bürger, wandeln diese Schuldscheine in „Geld“ um, wenn wir sie als Zahlungsmittel für Waren und Dienstleistungen akzeptieren, die wir der souveränen Regierung zur Verfügung stellen.
Warum aber sind wir dazu bereit? Weil wir ständig eine Verpflichtung haben, die wir der souveränen Regierung schulden, und die wir ausschließlich nur mit den Schuldscheinen der Regierung bezahlen können – also müssen wir sie uns verdienen, um diese Schulden tilgen zu können. Wenn wir dieselben Schuldscheine als Zahlungsmittel für Waren und Dienstleistungen untereinander annehmen und akzeptieren, verstärken wir diese Umwandlung der Schuldverschreibungen in das, was wir für „Geld“ halten und auch als „Geld“ verwenden.
SCHRITT ZWEI: Die souveräne Regierung muss ihre Schuldscheine erst einmal ausstellen und dann auch ausgeben, bevor sie sie als Steuerzahlungen zurücknehmen kann. Diese Emission und das Ausgeben sind entscheidend für das Funktionieren des gesamten Systems. Es ist offensichtlich nicht gut für die Regierung, Steuern von ihren Bürgern zu erheben und sich dann zu weigern, die Schuldscheine herauszugeben und in Umlauf zu bringen, die sie benötigen, um diese Steuern zu bezahlen.
SCHRITT DREI: Die souveräne Regierung kann nicht mehr Schuldscheine (als Steuerzahlungen) zurückfordern, als sie heraus- und ausgegeben hat. Wie könnte es auch anders sein? Woher sollten die Bürger denn die zusätzlichen Schuldscheine erhalten? (Die Banken können keine vom US-Finanzminister und dem US-Treasurer unterschriebenen Schuldscheine drucken.)
Wenn die Regierung außerdem alle Schuldscheine, die sie emittiert und abgesetzt hat, zurückerhält (als Steuerzahlungen) würden die Bürger am Ende völlig ohne Geld auskommen müssen, und könnten untereinander keine Waren und Dienstleistungen mehr kaufen oder verkaufen. Damit das System weiterhin funktionieren kann, muss die Regierung daher wesentlich weniger Schuldscheine (als Steuerzahlungen) zurückfordern als sie ursprünglich herausgegeben hat.
SCHRITT VIER: Der „Shift“ ist nun abgeschlossen. Wir müssen lediglich zurückschauen, wo wir hergekommen sind, um zu verstehen, wo wir nun sind. Wir können jetzt sehen, was für eine seltsame Perspektive es war, mit der wir anfingen: Wir stellten uns vor, dass die US-Regierung Steuern erheben musste bevor sie „Geld“ ausgeben konnte. Noch seltsamerweise haben wir uns vorgestellt, dass, wenn die Regierung mehr Geld ausgab als sie an Steuern einsammelte, sie damit irgendwie eine Schuld schuf, die in der Zukunft „zurückgezahlt“ werden musste. Wir können jetzt auch sehen, dass heute unsere Anführer im Kongress – unsere demokratisch gewählten „Gouverneure“ – immer noch an diesen beiden Annahmen festhalten und operieren, die wie wir jetzt sehen können, auf einem sehr alten und nicht mehr anwendbaren Verständnis von „Geld“ basieren.
Wenn wir uns also bemühen, eine erfolgreiche, fortschrittliche und demokratische Wirtschaft zu entwickeln, ist unsere Mission jetzt klar definiert: Erstens müssen wir diesen SHIFT im Denken jedes amerikanischen Wählers unterstützen – vor allem aber im Denken unserer neuen progressiven Kandidaten für politische Ämter. Zweitens (und dies wird sehr dazu beitragen, das erste zu erleichtern), müssen wir beginnen, uns neue, konkrete, fortschrittliche Pläne für die Herausgabe und Verwendung unserer hoheitlichen Schuldscheine vorzustellen und zu skizzieren.
Um ein konkretes Beispiel für diese Art von „direkten Regierungsausgaben“ zu geben, möchte ich hier den meiner Ansicht nach ersten der progressiven Ausgabenvorschläge vorstellen: die Einrichtung und personelle Ausstattung sogenannter „freier“ Vorschul-Ganztagesbetreuungszentren in jeder lokalen amerikanischen Gemeinschaft oder Nachbarschaft.
Und hier wird der SHIFT so wichtig. Präsident Obama hat in seiner Rede zur Lage der Nation 2013 ein universelles Vorschulprogramm vorgeschlagen. Dann aber „beseitigte“ er diesen Plan tatsächlich auch gleich wieder – vor SHIFT – indem er erklärte, sein Programm würde die Steuerzahler zehn Milliarden Dollar pro Jahr „kosten“.
Doch jetzt, nach SHIFT, müssen wir die Dinge nicht mehr so darstellen. Nun erklären wir sie so: Unsere demokratisch gewählte souveräne Regierung wird ihre US-Schuldscheine emittieren und dafür ausgeben, um amerikanische Bürger zu bezahlen, die diese Vorschulbildungszentren einrichten, besetzen und betreiben, die amerikanische Familien – und amerikanische Vorschulkinder – so dringend benötigen. Es „kostet“ dabei niemanden etwas. Die amerikanischen Bürger werden im Gegenteil dafür bezahlt, etwas zu bauen und zu betreiben, was sie für erforderlich halten – vorausgesetzt, sie sind bereit, mit den Schuldscheinen der Regierung bezahlt zu werden.
(Eigene Übersetzung eines Blogbeitrages des amerikanischen Architekten und wirtschaftswissenschaftlichen Quereinsteigers J.D. Alt)
PS: Bliebe nur noch darauf hinzuweisen, dass es natürlich Grenzen gibt für die Emittierung der „Schuldscheine“ einer souveränen Regierung (aka „Geld“), wie sie J.D. Alt in diesem Essay ansonsten durchaus richtigerweise fordert.
Günther Grunert erläuterte diesen umfassenden Rahmen beispielsweise folgendermaßen:
…Jedoch wäre eine nationale Regierung schlecht beraten, ihre nominalen Ausgaben so stark auszuweiten, dass deren Wachstum das Wachstum der volkswirtschaftlichen Produktionskapazität übersteigt. In diesem Fall nämlich droht Inflation.
…