S04-Erfolg in Stuttgart: Lehrbeispiel der Tedesco’schen Taktikschule

Wenn es denn noch eines Beweises bedurft hätte, wie die von Domenico Tedesco gelehrte und gelebte Taktik aussieht und funktioniert, der 2:0-Auswärtssieg der Blauen am Samstag in Bad Cannstatt hat ihn zweifelsohne erbracht.

Neckarstadion 2011
Die Mercedes-Benz-Arena in Stuttgart

Bis auf einige wenige Unzulänglichkeiten könnte diese Begegnung glatt als Blaupause für die erfolgreiche Gestaltung eines Auswärtsspiels in die Übungsleiterausbildung eingehen.

Lehrbuchhaft das frühe hohe Pressing, um den Gegner gar nicht erst ins Spiel kommen zu lassen und zu gefährlichen Querpässen weit in der eigenen Hälfte zu zwingen. Eigene Ballgewinne durch dieses Risiko anstreben und zeitig erfolgreich abschließen.

Nach der frühen Führung mit der gleichen Taktik nachlegen und erst nach dem 2:0 sich mehr nach hinten orientieren, die Räume vor dem eigenen Kasten eng machen und auf Konter setzen. Mit zunehmender Spieldauer die steigende Nervosität der Hausherren zu Balleroberungen nutzen und mit diesen Gegenstößen möglichst weitere Tore erzielen.

Bis auf den letzten Aspekt konnten die Schalker dieses Konzept gegen den VfB Punkt für Punkt umsetzen und erfolgreich Fleißkärtchen bei ihrem eigenen Trainer sammeln. Lediglich Yewhen Konoplyanka widersetzte sich dieser Perfektion und vergab in der 65. Minute die hundertprozentige Chance zum 3:0, was zu diesem Zeitpunkt die endgültige Entscheidung gewesen wäre.

Ansonsten zeigte die Mannschaft recht eindrucksvoll, was der Trainer inzwischen von ihr normalerweise erwarten kann. Die Stuttgarter wirkten gegen dieses durchgängige Konzept hilf- und planlos, lediglich Nationalstürmer Mario Gomez zeigte kurz vor dem Pausentee mit einer doppelten Abschlussmöglichkeit einen Anflug von Torgefahr.

Es erscheint nicht zu weit hergeholt, dass es genau diese Ratlosigkeit der Schwaben war, die ihren Coach Hannes Wolf dazu brachte, die „Brocken hinzuwerfen“ und dem VfB-Vorstand seine Demission anzubieten.

Au Schalker Seite verdienten sich Abwehrchef Naldo nicht nur wegen seines Kopfballtores sowie der quirlige Elfmeter-Schütze Amine Harit Bestnoten. Den Brasilianer brachte die Konstanz der letzten Wochen sogar unversehens wieder in den Dunstkreis seiner Nationalmannschaft.

Also fast alles gut ob dieser kaum getrübten Lobeshymnen? Mitnichten, denn die Probleme der Blau-Weißen wiegen doch erheblich schwerer, als es in der Begegnung gegen Stuttgart den Anschein gab. So wurde wieder einmal kein Treffer aus dem Spiel heraus erzielt, die Stürmer Konoplyanka und Franco Di Santo blieben erschreckend harmlos, und erst durch die Hereinnahme von Guido Burgstaller keimte so etwas wie echte Knipser-Qualität auf.

Auf der anderen Seite hockten mit Breel Embolo, Marko Pjaca, Nabil Bentaleb und eben dem österreichischen Nationalspieler vier hochkarätige Offensivkräfte die meiste Zeit auf der Bank. Keine leichte Aufgabe für das Trainerteam, hier die richtige Balance zwischen Erfolg und Einsatzzeiten zu finden. Die geringe Anzahl der Stürmertore lassen da schon noch Zweifel aufkommen.

In den nächsten Partien gegen Werder Bremen und im Pokal gegen den VfL Wolfsburg werden uns die Gegner zudem kaum den Gefallen tun, über viel Ballbesitz und kreatives Passspiel zum Erfolg kommen zu wollen. Stattdessen müssen die Schalker höchst-wahrscheinlich selbst diese Aufgaben in die Hand nehmen und können sich daher weniger aufs Kontern verlegen.

Nichtsdestotrotz sind Siege beinahe Pflicht, um die Ziele für die nächste Saison, nämlich die Teilnahme an den europäischen Pokalligen, namentlich natürlich vor allem die Champions League, auch wirklich erreichen zu können. Doch ohne eine veränderte Taktik dürfte das schwer werden, der verschenkte Erfolg über Hannover 96 sollte dabei Mahnung genug sein.