Löhne senken – immer noch die falsche Medizin

Selbst der Vorsitzende der Königlich Schwedischen Akademie der Wissenschaften (ja, derjenige, der alljährlich die Gewinner des „Sveriges-Riksbank-Preises für Wirtschafts-wissenschaften in Erinnerung an Alfred Nobel“ vorstellt) verbreitete schon vor Jahren die Behauptung, dass das Beschäftigungsniveau auf lange Sicht ein Ergebnis der eigenen rationalen intertemporalen Entscheidungen der Menschen sei und dass die Frage, wieviel gearbeitet wird im Grunde eine Sache von Anreizen darstelle.

Irgendwie klingt dieses Argument reichlich bekannt. Bei der Verleihung des „Nobel-preises“ im Jahr 2011 erklärte Thomas Sargent, dass die Arbeitnehmer auf niedrige Arbeitslosenentschädigungen vorbereitet sein sollten, um die richtigen Anreize für die Jobsuche zu erhalten. Der schwedische rechte Finanzminister begrüßte damals die Aussage von Sargent und erklärte, dass dies eine „gesunde Warnung“ für diejenigen sei, die die Entschädigung erhöhen wollten.

Diese Ansicht erscheint symptomatisch. Wie in den 1930er Jahren deuten immer mehr rechtsgerichtete Politiker – und Ökonomen – darauf hin, dass die Senkung der Löhne die richtige Medizin wäre, um die Wettbewerbsfähigkeit ihrer schwankenden Volkswirt-schaften zu stärken, die Wirtschaft anzukurbeln, die Beschäftigung zu erhöhen und Wachstum zu schaffen, um damit die Last der steigenden Schulden loszuwerden und ein Gleichgewicht in den Staatshaushalten zu erreichen.

Wenn man jedoch andeutet, dass man wirtschaftliche Probleme durch Lohnkürzungen und Beeinträchtigungen der Arbeitslosenunterstützung in diesen schwierigen Zeiten lösen könnte, sollte man dies eher als Zeichen dafür ansehen, wie sehr das Vertrauen in unser Wirtschaftssystem gesunken ist. Lohnkürzungen und niedrigere Erwerbslosen-entschädigungen sichern weder Wettbewerbsfähigkeit noch Arbeitsplätze.

Was vor allem benötigt wird, sind Stimuli und eine Wirtschaftspolitik, die die effektive Nachfrage erhöhen. Auf gesellschaftlicher Ebene erhöhen Lohnkürzungen nur das Risiko, dass mehr Menschen arbeitslos werden. Wenn man glaubt, dass man Wirtschaftskrisen auf diese Weise lösen kann, kehrt man zu den fehlerhaften ökonomischen Theorien und politischen Richtlinien zurück, die John Maynard Keynes bereits in den 1930er Jahren eindeutig als falsch bewiesen hat. Es waren Theorien und eine Politik, die Millionen von Menschen auf der ganzen Welt arbeitslos machten.

Es ist ein atomistischer Trugschluss zu glauben, dass eine Politik der allgemeinen Lohnsenkungen die Wirtschaft stärken würde. Andererseits wären die Gesamteffekte von Lohnkürzungen katastrophal, was Keynes damals schon nachweisen konnte. Sie würden eine kumulative Spirale aus niedrigeren Preisen auslösen, die die realen Schulden von Einzelpersonen und Unternehmen erhöhen würden, da die nominalen Schulden nicht durch den allgemeinen Preis- und Lohnrückgang beeinflusst würden. In einer Wirtschaft, die sich immer mehr auf erhöhte Schulden und Kredite stützt, wäre dies der Einstieg in eine Schuldenkrise mit sinkenden Investitionen und höherer Arbeitslosigkeit. Kurz gesagt, es würde eine Depression an der Tür klopfen.

Die drohende Gefahr in heutigen Volkswirtschaften besteht darin, dass Konsum und Investitionen nicht in Gang kommen. Vertrauen und effektive Nachfrage müssen wieder hergestellt werden. Das Problem unserer Volkswirtschaften liegt nicht auf der Angebotsseite. Überwältigende Beweise zeigen, dass sich das Problem heute auf der Nachfrageseite befindet. Die Nachfrage ist – offen gesagt – einfach nicht ausreichend, um die Räder der Volkswirtschaften in Schwung zu halten. Die Annahme, dass niedrigere Löhne und Ausgleichszahlungen bei Erwerbslosigkeit die Lösung darstellen, bedeutet nur ein Rezept für noch schlimmere Katastrophen.

(eigene Übersetzung eines Blogbeitrages des schwedischen Ökonomen Lars Syll)